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Social Media: Braucht es ein Verbot von Tiktok auf Diensthandys?
STUTTGART. Die Videoplattform Tiktok steht weltweit in der Kritik: Wegen Sicherheitsbedenken mussten Beschäftigte der EU-Kommission bereits im März die App auf ihren Diensthandys löschen. Die österreichische Stadt Wien zog nach. Denn: Die Nutzung von Tiktok auf Diensthandys im Bereich des Bundes wird untersagt. Das begründete Innenminister Gerhard Karner mit Empfehlungen einer interministeriellen Arbeitsgruppe.
Doch was macht Tiktok so bedenklich? „Bei der Nutzung von Online-Plattformen sind zahlreiche Aspekte zu betrachten“, heißt es vonseiten des Landesdatenschutzbeauftragten (LFDI). So könnten die Plattformen oder auch die Regierungen, die die Plattformen regulieren, das Nutzungs- und Konsumverhalten der User analysieren und daraus teils sehr tiefe Erkenntnisse ziehen.
Dies könne sogar bis in die Intimsphäre der betroffenen Person reichen. Auch könnten die Plattformen darüber entscheiden, welche Inhalte sie an wen ausspielen, was nutzende Personen sehen und was nicht. Dadurch könne auch eine Beeinflussung stattfinden.
Bedenken in Bezug auf Spionage und Datenschutz
Vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Regierungen die Nutzung von Tiktok auf Dienstgeräten untersagen und es starke Bedenken in Bezug auf Spionage, IT-Sicherheit und Datenschutz gibt, rät der Landesdatenschutzbeauftragte vom Einsatz von Tiktok ab. „Öffentliche Stellen wollen direkt mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren und müssen dies auch, das unterstützen wir“, heißt es weiter. Man setze darauf, dass öffentliche Stellen Alternativen wie Mastodon – eine Plattform wie Twitter – aufbauen. Auch betreibe man einen PeerTube Server, auf dem Videos gezeigt werden könnten – eine Alternative zu YouTube. „Wir wollen diesen Server bald öffnen, damit baden-württembergische Stellen auch hier einen Account einrichten können“, so der LFDI.
Bei der Tiktok-App sei auch noch wegen einer weiteren Sache Vorsicht geboten: Der Europäische Gerichtshof hat sich konkret zu einem Facebook-Verbot für Behörden geäußert. Zu anderen sozialen Medien fehlt es an gerichtlichen Entscheidungen. Es sei aber davon auszugehen, dass die in den Urteilen getroffenen Aussagen auch auf andere soziale Netzwerke übertragbar seien, so der LFDI.
Klage gegen Facebook-Verbot für Behörden
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber fordert die Bundesregierung auf, ihre Facebookseite aus Datenschutzgründen stillzulegen. Das Bundespresseamt hat Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht. „Sollte der Bescheid vom Bundesbeauftragten Bestand haben und das Gericht entsprechend urteilen, kann es schnell Wirkung entfalten – dies sollten alle Behörden im Blick haben“, heißt es vonseiten des Landesdatenschutzbeauftragten.
Im baden-württembergischen Innenministerium liegen bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte für Cyberangriffe oder Gefahren vor, dass ein generelles Tiktok-Verbot verhältnismäßig wäre, teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit. Man beobachte aber die aktuellen Entwicklungen genau und sei im Austausch mit dem Bundesamt für Sicherheit, dem Bundesinnenministerium und mit weiteren Behörden und Ländern.
Schon jetzt unterbinden Sicherheitsmaßnahmen auf den Diensthandys der Landesbeschäftigten den Zugriff auf dienstliche Daten von privat installierten Apps, wie zum Beispiel TikTok. Die App sei im dienstlichen Bereich in keinem Ressort zugelassen, so das Innenministerium.
Solange es noch kein landesweites Verbot gibt, setzen Städte- und Gemeindetag auf die Entscheidungsfreiheit der Kommunen. So hat der Städtetag zu Tiktok keine Empfehlungen gegenüber seinen Mitgliedern ausgesprochen. „Das entscheiden die Stadtverwaltungen selbst“, sagt Pressesprecherin Christiane Conzen. Inzwischen seien auch einige Städte selbst auf Tiktok aktiv, um beispielsweise für Ausbildungsberufe zu werben.
Gemeindetag setzt auf Nutzungsvereinbarungen
Aus Sicht des Gemeindetags spielt Tiktok in den Städten und Gemeinden noch eine untergeordnete Rolle. Nutzungsvereinbarungen für Diensthandys sind hier das passende Instrument, so Pressesprecher Christopher Heck. Denn jede Stadtverwaltung wisse am besten, welche Apps tatsächlich und in welchem Umfang genutzt werden. Bis dahin gelte es, abzuwarten und bei einem Verbot entsprechend darauf zu reagieren.
„Es braucht eine Regelung zum TikTok-Verbot“, ist Kai Rosenberger, Vorsitzender des Beamtenbunds Baden-Württemberg überzeugt. „Solange die ernstzunehmenden Bedenken hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz nicht ausgeräumt werden können, hat aus gewerkschaftlicher Sicht die Datensouveränität Vorrang vor der Nutzbarkeit von Apps, die ohnehin nur einen eingeschränkten Teil der Bevölkerung erreichen“.
Um die Sicherheit von Diensthandys zu bewerkstelligen, gibt der Landesdatenschutzbeauftragte noch ein paar Tipps auf den Weg. Beispielsweise müssen die Geräte mit aktuellen Updates versorgt werden. Dienstliche Mobiltelefone sollten mit einem Dienst zur zentralen Verwaltung von Mobilgeräten (Mobile Device Management, MDM) ausgestattet sein. Damit können Administratoren die Software verwalten, Updates anstoßen und im Verlustfall eine Fernlöschung der Geräte anstoßen.
Nutzer sollten die Geräte mit sicheren Passwörtern versehen sowie für die tägliche Nutzung biometrische Authentifizierungsverfahren verwenden. Es sollten keine Cloud-Backups angelegt werden, sondern nur lokale Sicherungen in den Systemen des Landes. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten keine Apps nutzen, die das Adressbuch oder andere Daten vom Gerät auslesen und dem Anbieter übermitteln.