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Reihe Berufsbilder

Parlamentsstenografen schreiben blitzschnell alle Reden im Landtag mit

Parlamentsstenografen müssen den Wortlaut von Plenardebatten so wiedergeben, dass druckreife Protokolle entstehen. Für diese Tätigkeit ist ein Universitätsabschluss Voraussetzung. Unverzichtbar sind daneben schnelle stenografische Fertigkeiten sowie fundierte politische und juristische Kenntnisse.

Hochkonzentriert arbeitet Nicole Lodders als Parlamentsstenografin im Landtag.

LTBW)

Stuttgart. „Parlamentsstenografen werden direkt in den Landtagen beziehungsweise im Bundestag ausgebildet“, sagt Nicole Lodders, die im Referat I/4 – Stenografischer Dienst – arbeitet und als Sachgebietsleiterin für den Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und den Ausschuss für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz zuständig ist.

Im Landtag von Baden-Württemberg werden angehende Parlamentsstenografen zunächst studienbegleitend als Stenografenanwärter und anschließend zwei Jahre als Nachwuchsstenografen im Stenografischen Dienst des Landtags ausgebildet, erzählt die 49-Jährige.

Kenntnisse in Stenografie können noch nachträglich erlernt werden

Stenografenanwärter begleiten die Arbeit der Parlamentsstenografen in der Regel für ein bis zwei Tage in der Woche und übernehmen auch erste eigene kleine Aufgaben.

„Falls noch keine Stenografiekenntnisse vorliegen, gibt es die Möglichkeit, diese während der Anwartschaft im Stenografischen Dienst des Landtags zu erlernen.“

Nach Abschluss des Studiums mit Master oder Diplom wird der angehende Stenograf zunächst für zwei Jahre als Nachwuchsstenograf in den Stenografischen Dienst übernommen. „In dieser Zeit werden sowohl die stenografischen Kenntnisse vertieft als auch die ersten Plenarsitzungen allein bewältigt sowie das Schreiben von Protokollen und Berichten nach und nach eigenständig übernommen“, ergänzt Lodders.

Nach den zwei Jahren „Nachwuchszeit“ sollte der angehende Parlamentsstenograf mindestens 300 Silben die Minute schreiben sowie eigenständig Protokolle und Berichte der Plenar- und Ausschusssitzungen verfassen können. „Gelingt dies, erfolgt die Übernahme in den Beruf des Parlamentsstenografen“, so Lodders.

Doch wie kommt man zu so einem Beruf? „Ich selbst bin Quereinsteigerin und tatsächlich eher durch Zufall Parlamentsstenografin geworden“, erzählt Lodders. Stenografie habe sie erst nach ihrem Studium und rein aus Interesse in einem Stenografenverein gelernt. „Auf der Suche nach einem Anfängerkurs für Stenografie bin ich auf das Berufsbild des Parlamentsstenografen gestoßen und fand das, was ich dort gelesen habe, von Anfang an interessant.“

Die nächsten rund eineinhalb bis zwei Jahre hatte sie dann täglich Stenografie geübt, um die Technik zu beherrschen und die für Nachwuchsstenografen erforderliche Geschwindigkeit von rund 200 Silben pro Minute zu erlangen. Es folgte aus Neugier eine Woche Hospitation im baden-württembergischen Landtag, was ihren Wunsch, Parlamentsstenografin zu werden, noch verstärkte. „Als dann eine zunächst befristete Stelle frei wurde, habe ich ohne zu zögern Ja gesagt und den Wechsel in den letzten zehn Jahren, seit ich im Landtag arbeite, nie bereut“, betont Lodders.

Ein Parlamentsstenograf protokolliert Plenarsitzungen sowie Parlamentsausschüsse. Bei Plenarsitzungen wird im Turnusbetrieb gearbeitet: Der Stenograf schreibt fünf Minuten Sitzung mit, anschließend hat er circa eine Stunde Zeit, den gerade mitgeschriebenen Teil zu übertragen. „Die einzelnen Turnusse werden dann fortlaufend zu einem Protokoll zusammengefügt.“ Plenarprotokolle sind wörtliche Protokolle. Die Rede wird allerdings in eine sprachlich korrekte Form gebracht, ohne den Stil des Redners zu verfälschen.

„Jeder Fachausschuss wird von einem einzelnen Stenografen betreut, der in der Regel die ganze Sitzung mitschreibt. Im Gegensatz zu den Plenarprotokollen werden hier keine wörtlichen Protokolle, sondern Inhaltsprotokolle, sogenannte analytische Protokolle, verfasst, in denen die wesentlichen Inhalte wiedergegeben werden, der Stenograf dafür aber oftmals seine eigenen Worte verwendet“, erläutert Lodders.

Untersuchungsausschüsse stellen hingegen einen Sonderfall dar. Dort werden streng wörtliche Protokolle erstellt, das heißt, es wird nicht korrigierend eingegriffen, wenn beispielsweise der Satzbau falsch ist.

Droht durch das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz diesem Berufsbild irgendwann das Aus? „Auch in Zeiten von KI werden Parlamentsstenografen weiter benötigt“, ist Lodders überzeugt. Schließlich geht es bei der Protokollierung von Plenarsitzungen nicht nur um die Rede, die der Abgeordnete am Redepult hält.

„Der Stenograf muss auch die Zurufe aus dem Plenarsaal aufnehmen und dabei dem jeweiligen Abgeordneten zuordnen. Außerdem muss nicht nur die gesprochene Sprache in Schrift übertragen werden, sondern es müssen notfalls auch Sätze vervollständigt sowie Versprecher und offensichtliche Fehler korrigiert werden“, erklärt die Stenografin.

Künstliche Intelligenz kann diesen Beruf nicht ersetzen

Auch Zwischenrufe, Beifall, Heiterkeit oder andere Reaktionen müssen aufgenommen und den jeweiligen Abgeordneten oder Fraktionen zugeordnet werden. „Das kann eine KI nicht leisten.“ Auf Zurufe, Beifall und andere Reaktionen könne aber auch nicht verzichtet werden, da diese zum Festhalten des authentischen Debattenverlaufs dazugehören.

„Als Parlamentsstenograf ist man beim politischen Geschehen direkt dabei und erlebt die politischen Entscheidungen mit“, sagt Lodders. Die Arbeit sei vielseitig und man arbeite sich in die verschiedensten Wissensgebiete ein, „was für mich einen großen Reiz der Arbeit ausmacht“.

Parlamentsstenografen arbeiten im öffentlichen Dienst und werden nach Tarif des Landes oder des Bundes bezahlt. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Verbeamtung möglich. Die verbeamteten Stenografen im baden-württembergischen Landtag sind im höheren Dienst tätig (A 13 bis A 15), bei angestellten Stenografen erfolgt eine entsprechende Eingruppierung nach dem Tarifvertrag (E 13 bis E 15).

Einheits-Kurzschrift

Seit 100 Jahren gibt es in Deutschland und Österreich die „Deutsche Einheits-Kurzschrift“. Das amtliche Kurzschriftsystem der beiden Länder wurde 1924 von einer staatlich einberufenen Expertenkommission geschaffen und basiert auf Schriftideen früherer Kurzschriftsysteme und langjährigen Erfahrungen mit deren Anwendung. Die Einheitskurzschrift bestand aus zwei Stufen: der Unterstufe oder „Verkehrsschrift“ und der Oberstufe oder „Redeschrift“.

Ein Parlamentsstenograf notiert sorgfältig die Redebeiträge während einer Plenarsitzung im Landtag. Foto: LTBW

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