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Inklusion

Oft fehlt es in den Arbeitsstätten an der Barrierefreiheit

Die Landesverwaltung steht, was den Anteil von Menschen mit Behinderung angeht, im Bundesvergleich an letzter Stelle. „Seit 2015 wird die Fünf-Prozent-Quote nicht mehr erreicht“, sagt Beamtenbundchef Kai Rosenberger. Doch es gibt Konzepte, um das Potenzial von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst zu schöpfen.

Menschen mit Behinderungen sind laut dem Inklusionsbarometer Arbeit 2024 immer noch auf dem Arbeitsmarkt deutlich benachteiligt.

imago/Mark Hunt)

Stuttgart. Der Wille ist prinzipiell da. Das Verkehrsministerium etwa sucht aktuell eine Referentin für die Steuerung im Straßenverkehrsrecht. Dazu heißt es: „Menschen mit Schwerbehinderung oder diesen gleichgestellten Menschen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.“ Die öffentliche Verwaltung ist offen für Bewerbungen von Menschen mit Behinderung.

Die Zahlen stagnieren und werden sogar noch schlechter

Gleichwohl steht die Landesverwaltung, was den Anteil von Menschen mit Behinderung angeht, im Bundesvergleich an letzter Stelle. „Seit 2015 wird die Fünf-Prozent-Quote nicht mehr erreicht“, sagt Kai Rosenberger. Diese müssen Arbeitgeber mit mehr als 20 Mitarbeitern einhalten, ansonsten wird eine Ausgleichsabgabe fällig. Zuletzt lag die Quote des Landes für das Jahr 2022 bei 3,99 Prozent. „Die Zahlen stagnieren nicht nur, sie werden immer noch schlechter“, sagt Rosenberger.

Das Inklusionsbarometer Arbeit 2024 des Handelsblatt Research Institute und der Aktion Mensch für die Situation in der Bundesrepublik zeigt: Mit einer Arbeitslosenquote von elf Prozent – rund doppelt so hoch wie die von Menschen ohne Behinderung – sind Menschen mit Behinderung deutlich benachteiligt. Die Unternehmen der Privatwirtschaft erreichen hier eine Beschäftigungsquote von etwa vier Prozent – immer noch mehr als die Landesverwaltung.

Das Land bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück, ist auch der Schluss, den Roger Hahn zieht. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen bei den obersten Landesbehörden Baden-Württemberg. „Das Problem ist nicht, den Arbeitsplatz behindertengerecht einzurichten.“ Hierfür gibt es Mittel von Integrationsämtern oder der Bundesagentur für Arbeit. Allzu oft geht es um die prinzipielle Barrierefreiheit, die in den Arbeitsstätten nicht gegeben ist.

Auch Rosenberger sieht hier einen Haupthinderungsgrund. „Es gibt keine Bestandserfassung, wie viele der rund 8000 Landesliegenschaften barrierefrei sind.“ Gemäß Paragraf 3a Absatz 2 Satz 2 Arbeitsstättenverordnung etwa hat ein Arbeitgeber die Verpflichtung, die Einrichtung und den Betrieb der Arbeitsstätten für Beschäftigte mit Behinderungen barrierefrei zu gestalten, soweit dies erforderlich ist.

Der Bund oder auch das Nachbarland Bayern haben ihre Liegenschaften diesbezüglich erfasst – und eine höhere Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung und ein deutlicheres Interesse.

Nötig wären auch im Land „ein klares Konzept, um nicht barrierefreie Arbeitsstätten zu identifizieren, ein Barrierekataster, um dann einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln und Prioritäten zu setzen“, erklärt Hahn. „Denn selbst wenn die fachliche Eignung vorhanden ist, scheitert es, wenn es keine behindertengerechten Toiletten gibt.“

Oder barrierefreie digitale Zugänge für Anwendungen für Menschen mit Sinneseinschränkungen. „Was nützt der fromme Wunsch, wenn die Voraussetzungen für berufliche Teilhabe nicht gegeben sind?“, sagt Hahn. „Wenn die Zugänglichkeit nicht gewährleistet ist, geht es nicht.“

Mit Aktionsplan sollen weitere Fortschritte erzielt werden

Das Land hat sich mit dem „Landesaktionsplan 2.0 – Zweiter Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg“ einen Fahrplan gegeben, wie weitere Fortschritte in der Integration von Menschen mit Behinderung zu erzielen sind. Darin hat man sich auch die „Erhöhung der Beschäftigungsquote und gezielte Förderung beruflicher Inklusion schwerbehinderter Beschäftigter in der Landesverwaltung und in ihren Geschäftsbereichen“ zum Ziel gesetzt.

Mit einem Stellenpool-Konzept sollen von 2024 bis 2027 insgesamt 100 Stellen in der Landesverwaltung mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzt werden. Hinzu kommen flankierende Maßnahmen: etwa das Angebot von zentralen Schulungen von Personalstellen und Führungskräften inklusive Inhouse-Schulungen zu inklusiver Haltung und die interne und externe Werbung zur Aufnahme einer Beschäftigung in der Landesverwaltung.

„Davon abgesehen, dass 100 Personen auf die Quote eigentlich keine Auswirkungen haben, konnte für 2024 das angestrebte Soll nicht erfüllt werden“, sagt Rosenberger. Ein Hinderungsgrund sieht er unter anderem in der unbefristeten Besetzung der Stellen. „Es wäre besser, eine Karenzzeit zu geben.“ Dann könnten sich beide Parteien erproben.

„Das Land ist für Menschen mit Behinderung ein guter Arbeitgeber“, betont Hahn. „Trotzdem. Die Hürde zu nehmen im allgemeinen Arbeitsmarkt und eine Stelle beim Land zu finden, ist schwierig.“

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