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Generationswechsel

Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen

Nichts ist so beständig wie der Wandel, das betrifft auch die Arbeitswelt. Die Generation der Babyboomer geht in den nächsten Jahren in Rente und hat andere Arbeitserfahrungen gemacht als die junge Generation Z, die selbstbewusst auftritt und gute Chancen auf einen Job hat.

Beim KIWI-Forum der Kieswirtschaft diskutierten in Karlsruhe Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Handwerk über den Wandel in der Arbeitswelt.

Ralf Schick)

Karlsruhe. „Die Generation Z übernimmt eine Arbeitswelt, in der Durchsetzungskraft, Arbeitsmoral und Beständigkeit zählen – und interpretiert diese Welt neu“, heißt es im Einladungsschreiben zum diesjährigen KIWI-Dialog der Kieswirtschaft am Oberrhein. Gekommen sind zu dieser Veranstaltung fast nur Vertreter der Generation der Babyboomer und den zwei Generationen danach, genannt X und Y.

Lara Keller wollte einfach „etwas bewegen und verändern“

Die einzige Nachwuchsvertreterin ist Lara Keller, die „einfach etwas bewegen und verändern wollte“. Die Werkstudentin aus Überlingen am Bodensee leitet zusammen mit ihrem Vater Alfred Keller einen erfolgreichen Sanitärbetrieb, der vor fünf Jahren schon die 4-Tage-Woche eingeführt hat. „Wir haben uns damals im Team umgehört und nachgefragt, was sie von dieser Idee halten“, erzählt Lara Keller. Nach einer halbjährigen Testphase fanden die meisten Mitarbeiter die Idee gut und arbeiten seither rund 39 Stunden an vier Tagen, „ein paar ältere Mitarbeiter wollten aber wieder zurück zur 5-Tages-Woche“, sagt Alfred Keller.

„Beide Arbeitsformen sind seither bei uns möglich“, sagt Alfred Keller, der nach eigenen Angaben stets offen für neue Ideen war und für neue Wege, jüngeren Menschen für sich zu gewinnen. „Wichtig ist, dass man den jungen Menschen Sicherheit und Vertrauen schenkt und sie miteinbezieht“, sagt der Handwerksmeister.

„Jedes Unternehmen muss heute wissen, wie die verschiedenen Generationen ticken“, empfiehlt auch Jutta Rump, Professorin und Gründungsdirektorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen. Gleichzeitig dürfen man sich aber auch nicht erpressen lassen, betont Rump, wenn manche Vertreter aus der Generation Z zu viel Veränderung fordern.

„Die jüngere Generation ist ein knappes Gut und dadurch können sie sich auch etwas herausnehmen, was zu meiner Zeit undenkbar war“, sagt Rump, die selbst zur Generation der Babyboomer zählt. Beide Generationen seien zwar geprägt durch einen hohen Leistungsantrieb und Fleiß, doch während bei den Älteren Pflicht und Treue zum Arbeitgeber einen hohen Stellenwert hatten, zähle bei den Jüngeren vor allem Zeit und Spass viel mehr als früher.

„Für die Generation Z ist beispielsweise die Zeit genauso wichtig wie Geld“, sagt Rump, „und darauf muss sich die moderne Arbeitswelt einstellen und umdenken“, ergänzt die Direktorin. Außerdem sei die Generation Z „global vernetzt und zugleich heimatverliebt“, weiß Rump aus unterschiedlichen Studien.

Während die Generation Z viel über die work-life-balance diskutiere, also über ein harmonisches Gleichgewicht aus Berufs- und Privatleben, „war für mich schon immer work gleich life“, sagt Frank Scherer, Landrat des Ortenaukreises – „und das ist auch gut so“, betont der Chef von rund 8600 Mitarbeitern. „Flexible Arbeitszeiten sind deshalb wichtig und die gibt es bei uns schon seit längerer Zeit“, sagt Scherer.

Der Job für Jüngere muss vor allem sinnstiftend sein

Flexibilität, Agilität und der Wunsch nach Sinnstiftung sind der jungen Generation wichtig, während die Vorstellung von einem lebenslangen festen Arbeitsplatz auf einer Stelle in den Hintergrund tritt. Flache Hierarchien und der Trend zu einer „sanften Karriere“ sei dem Nachwuchs wichtig, aber auch der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Fürsorge. Außerdem gebe es einen „Trend zur Individualität und Ich-Orientierung, was aber nicht Egoismus bedeutet“, sagt Jutta Rump.

„Wir haben extreme Singularisierungsprozesse“, sagt auch der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen aus Freiburg. Das größte Problem der Babyboomer sei aus seiner Sicht, dass gerade diese Generation nur noch wenige Kinder zur Welt gebracht hat. „Momentan haben wir fast ein Drittel Kinderlosigkeit in der Bevölkerung“, sagt Raffelhüschen.

Deshalb sei „die Nachwuchslosigkeit das größte Problem der deutschen Nachkriegsgeschichte“, mahnt der Finanzwissenschaftler. „Und bis zum Jahr 2060 verschwindet ein Fünftel der Bevölkerung vor allem in Ost- und Mitteldeutschland“, warnt Rafffelhüschen vor den Folgen.

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