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Ein faires Recruiting ist kein Selbstläufer
Stuttgart. „So bunt und vielfältig unsere Stadt ist, so wünschen wir uns auch die Stadtverwaltung“, heißt es auf dem Stellenportal der Stadt Freiburg. „Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Alter, Hautfarbe, Religion sexueller Orientierung oder Behinderung sind bei uns willkommen.“ Auch in Stuttgart, Mannheim Karlsruhe, Lörrach oder Singen setzt man auf eine diverse Verwaltung und wirbt für Vielfalt in den Amtsstuben.
Manche Stellenbesetzungen sind immer noch diskriminierend
Doch verschiedene Studien zeigen: Stellenbesetzungen sind keineswegs frei von Diskriminierung. So geben 35 Prozent der 50- bis 67-Jährigen in einer aktuellen Befragung der Bewerbungsplattform Xing an, dass sie bei der Bewerbung aufgrund ihres Alters benachteiligt wurden.
2022 etwa haben Sophie Krug von Nidda und Janina Söhn in einer Untersuchung für die Hans-Böckler-Stiftung festgestellt, dass Benachteiligungen in betrieblichen Rekrutierungsprozessen in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund stattfinden. Was in diesem Fall für die Ausbildungsplatzsuche für Jugendliche mit Hauptschulabschluss untersucht wurde, lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen: Ein faires Recruiting ist kein Selbstläufer.
2019 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes einen Leitfaden für diskriminierungsfreie und rechtssichere Einstellungsverfahren herausgegeben. „Das Fairnessthema wird wichtiger, weil wir eine immer vielfältigere Bevölkerung haben“, sagt Clemens Striebing, Senior Researcher im Bereich Unternehmenskultur und Transformation am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Diskriminierung passiere in Auswahlverfahren durch unbeabsichtigte, unbewusste Vorurteile.
Die Herausforderung für Personalverantwortliche ist, Einstellungsprozesse fair und diskriminierungsfrei zu gestalten. Das Fraunhofer IAO hat deshalb gemeinsam mit ACI Diversity Consulting einen Praxisleitfaden „Die Richtigen einstellen!“ herausgebracht. Er basiert auf den Erkenntnissen von rund eineinhalb Jahren Forschung im Projekt „recruitFAIR – Einstellungsprozesse diskriminierungsfrei gestalten“.
„Gerade Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund werden häufiger in frühen Phasen von Auswahlverfahren aussortiert, obwohl sie von den Personalstellen mittlerweile gezielt angesprochen werden“, so Striebing. Das könne an „männlich“ geprägten Formulierungen in den Stellenanzeigen liegen, aber auch an Tests, die Fähigkeiten wie räumliches Sehen abfragen – bei denen Frauen eher schlechter abschneiden -, obwohl sie in der Berufspraxis nicht angewendet werden müssen.
Standardisierte Tests werden ohne Sinn und Verstand eingesetzt
„Oft werden Tests ohne Sinn und Verstand eingesetzt“, sagt Striebing. „Es lässt sich aber auch feststellen, dass Männer in den späteren Phasen von Auswahlverfahren, bei Interviews oder Assessmentcentern, geringere Erfolgschancen haben.“ „Verwaltungen sollten ihre Einstellungsverfahren zur Prävention von Diskriminierung regelmäßig anhand von Adverse-Impact-Analysen überprüfen“, so Striebing. „Dann zeigt sich, ob im Verfahren strukturell bestimmte Gruppen erfolgreicher sind.“
Am effektivsten seien Auswahlverfahren, die verschiedene Formen kombinieren – etwa ein strukturiertes Interview, einen tätigkeitsbezogenen Wissenstest und eine kriteriengeleitete Auswertung von Lebensläufen. Auch klar formulierte Kompetenzprofile, standardisierte Auswahlmethoden, Vielfalt im Entscheidungsgremium und genug Zeit für die Entscheidung sind wichtige Faktoren.