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Die Chancengleichheit ist noch lange nicht erreicht
Stuttgart/Berlin. Der Frauenanteil in den Spitzenetagen öffentlicher Unternehmen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren auf 35,8 Prozent in den Kontrollgremien und 23,2 Prozent im Top-Management gestiegen. Dennoch bestehen erhebliche Hemmnisse für Frauen, sich in Führungspositionen zu etablieren, so das Ergebnis einer Bedarfsanalyse der Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte), die vor Kurzem in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach entwickele sich die gleichberechtigte Teilhabe zwar zahlenmäßig, allerdings sähen Frauen erhebliche Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere oder bei der Transparenz in der Besetzung von Führungspositionen. Die Studie basiert auf einer Befragung von über 300 Frauen in Führung und Aufsicht in Bundes- und Landesbeteiligungen.
Unternehmenskultur für mehr Gleichberechtigung ändern
„Wir brauchen eine tiefgreifende Veränderung der Unternehmenskultur, damit die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in den Führungsgremien öffentlicher Unternehmen auch gelebt wird“, sagte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Analyse. „Unser Ziel ist die paritätische Besetzung der Aufsichtsgremien und des Managements bei den wichtigsten Bundesbeteiligungen“, betonte Paus.
Nach Ansicht von FidAR offenbare die Befragung eine erhebliche Differenz zwischen zahlenmäßiger und gelebter Teilhabe. Knapp 40 Prozent der befragten Frauen nähmen keine Anstrengungen für eine Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe bei der Besetzung von Führungspositionen wahr. In den Bundesunternehmen sehen knapp 50 Prozent der Befragten ein klares Commitment der Geschäftsführung für Chancengleichheit – in den Landesunternehmen nur 35,4 Prozent.
Nach wie vor bestünden aus Sicht der befragten Führungskräfte auch Hemmnisse, die den Aufstieg von mehr Frauen in Führungspositionen erschweren: Jede zweite Frau (51,9 Prozent) sieht männerdominierte Führungsstrukturen, knapp jede Dritte (29,8 Prozent) eine autoritäre Führungskultur als Hemmnis für ihre Karriere und über ein Drittel (38,8 Prozent) bemängelt die geringe Transparenz bei den jeweiligen Besetzungsverfahren.
„Die Bedarfsanalyse offenbart das noch immer bestehende Umsetzungsdefizit im öffentlichen Sektor. Es wird deutlich, dass männlich dominierte Strukturen in der Unternehmensführung nicht alleine dadurch verändert werden, dass zahlenmäßig mehr Frauen in Aufsichtsräte und das Management berufen werden“, sagte FidAR-Präsidentin Anja Seng.
In Baden-Württemberg ist die Lage nicht wesentlich anders. Die Chancengleichheit sei in der Verwaltung noch nicht in Gänze angekommen, sagt Heidi Deuschle, Frauenvertreterin beim Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW). „Es gibt gute Ansätze für deren Umsetzung, aber auch hier gibt es eine Führungskultur, die nach wie vor eine gewisse Männerdominanz erkennen lässt“, ergänzt die Frauenvertreterin.
Zwar ist auch im Land der Frauenanteil in Führungspositionen in den letzten zehn bis 15 Jahren laut BBW-Chef Kai Rosenberger kontinuierlich angestiegen und auch in den höheren Besoldungsgruppen etwa im Finanzministerium um ein Drittel angewachsen.
„Von den 65 Leitungen der Finanzämter sind heute 51 Männer und 14 Frauen. Auch hier ist immer noch ordentlich Luft nach oben“, betont Rosenberger.
Der Vorteil einer gleichberechtigten Teilhabe wird nicht erkannt
„Schade ist, dass der Vorteil, der sich aus einer gleichberechtigten Teilhabe ergeben würde, nicht erkannt wird. Frauen haben teilweise andere Denkstrukturen und Herangehensweisen, die zu nutzen, könnte einen öffentlichen Dienst weiterbringen“, sagt BBW-Frauenvertreterin Deuschle.