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Gallup-Studie

Der Dienst nach Vorschrift erreicht Rekordniveau

Emotionale Bindung, Loyalität und Vertrauen in die finanzielle Zukunft des Arbeitgebers sind einer neuen Studie zufolge in Deutschland ziemlich eingebrochen. Lichtblick: Die Anzahl der Mitarbeiter, die innerlich schon gekündigt haben, ist dagegen deutlich gesunken.

Imago/peopleimages, Collage: STA/Herrgoss)

Stuttgart/Berlin. Bei den Beschäftigten in Deutschland herrscht zunehmende Gleichgültigkeit im Job: Mit 78 Prozent (2023: 67) erreicht der Anteil der emotional gering Gebundenen, die Dienst nach Vorschrift machen, einen historischen Höchststand, wie eine Studie des international tätigen Beratungsunternehmens Gallup ergab.

Gleichzeitig erleben nur noch neun Prozent ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld, das in einer hohen emotionalen Bindung resultiert. Hochgerechnet auf die Erwerbstätigen in abhängiger Beschäftigung in Deutschland entspricht jede Veränderung um einen Prozentpunkt über 390 000 Beschäftigten. Das heißt, dass fast zwei Millionen weniger Arbeitnehmende als im Vorjahr mit Hand und Herz arbeiteten.

Aber es gibt auch Lichtblicke: Die Zahl der inneren Kündiger, die letztes Jahr bei fast einem Fünftel (19 Prozent) lag, ist ebenfalls auf den niedrigsten jemals verzeichneten Stand gesunken (13). Trotzdem wirken sie sich nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf die Volkswirtschaft negativ aus: Denn die durch sie entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen belaufen sich für 2024 auf eine Summe zwischen 113,1 und 134,7 Milliarden Euro.

Den Unternehmen gelingt es nicht, die Motivation zu stärken

„Unternehmen haben es geschafft, innere Kündigung durch gezielte Maßnahmen zu reduzieren – aber sie haben es nicht geschafft, Motivation zu stärken“, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics von Gallup. Inmitten wirtschaftlicher Unsicherheiten, Transformationsthemen und Personalmangel bleibt Führung seiner Ansicht nach oft funktional: Sie zielt darauf ab, Demotivation zu vermeiden und Risiko einzudämmen.

Und diejenigen, die schon hoch gebunden sind, verschwänden bei diesem Ansatz zunehmend vom Aufmerksamkeitsradar. Stattdessen müssten Unternehmen „eine kontinuierliche, motivierende Führungskultur schaffen, die zu hoher emotionaler Bindung führt und Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit steigert“, betont Nink.

Doch nicht nur die emotionale Bindung hat gelitten: Auch die Loyalität der Beschäftigten in Deutschland hat weiter abgenommen. Nur die Hälfte der Befragten beabsichtigt uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu sein. Damit hält der Abwärtstrend der letzten Jahre weiter an, seit 2018 sei der Wert kontinuierlich um insgesamt 28 Prozentpunkte gesunken.

„Die vorherrschende schwach ausgeprägte emotionale Bindung trägt zur Wechselwilligkeit bei, während sich die Einschätzung des Arbeitsmarktes zunehmend von der wirtschaftlichen Lage entkoppelt“, sagt Nink. Trotz der schlechten Nachrichten der letzten Monate scheinen die Beschäftigten in Deutschland aber ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin positiv einzuschätzen, „was sicherlich auch damit zu tun hat, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel täglich zu spüren ist“.

Bestärkt wird die Wahrnehmung der Lage auch durch die zunehmende Aktivität von Talentscouts: Einem Drittel der Befragten wurde in den letzten zwölf Monaten ein Job durch eine Headhunterin oder einen Headhunter angeboten (im Vorjahr waren es 25 Prozent) – auch das sei ein neuer Rekordwert.

Unternehmen könnten dem Risiko eines Arbeitskräfteverlusts laut Gallup aber wirksam vorbeugen sowie kurz- und mittelfristige Planungssicherheit schaffen, indem sie Maßnahmen zur Stärkung der emotionalen Bindung ihrer Mitarbeitenden ergreifen.

71 Prozent der Befragten wollen dieses Jahr noch bleiben

Denn bei den emotional hoch Gebundenen wollen laut Gallup 71 Prozent auch in einem Jahr noch ohne Wenn und Aber bei ihrem Arbeitgeber sein; mittelfristig will über die Hälfte (54 Prozent) bleiben.

70 Prozent der emotional hoch Gebundenen sind aktuell nicht offen für Neues – während 63 Prozent der inneren Kündiger aktiv suchen oder sich umschauen (40 Prozent).

Immer mehr mangelt es der Studie zufolge auch an Zutrauen in die finanzielle Zukunft des aktuellen Arbeitgebers. Diese Einschätzung dient als Indikator für die wirtschaftliche Stimmung im Land, da Mitarbeitende unmittelbar wahrnehmen, ob ihr Unternehmen beispielsweise Aufträge gewinnt, investiert oder Stellen ausschreibt. Und dieses Zutrauen ist mit 34 Prozent (Vorjahr: 40 Prozent) so niedrig wie seit der Banken- und Finanzkrise und der daraus resultierenden weltweiten Rezession 2008 (34 Prozent) nicht mehr.

Seit 2010 wird das aktive Recruiting im Gallup Engagement Index nahezu jährlich erfasst.

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