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Vier-Tage-Woche: Arbeitszeitsouveränität für Beschäftigte wäre besser
Offenburg. Was kann außer der Vergütung noch die Attraktivität für Beschäftigte steigern? Wo der Begriff der „Work-Live-Balance“ fällt, folgt recht schnell der Wunsch vieler Beschäftigter nach der Vier-Tage-Woche. Möglichst Freitag oder Montag nicht arbeiten klingt attraktiv.
Für die Brückenteilzeit gibt es bereits eine Rechtsgrundlage
Gleichzeitig ist das nicht neu: Durch eine Reduzierung der Arbeitszeit lässt sich das einfach realisieren. Für eine befristete Reduzierung existiert mit der sogenannten Brückenteilzeit in Paragraf 9a des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine Rechtsgrundlage. Doch hier trifft die zunächst interessante Vorstellung auf die Wirklichkeit: Eine Verringerung der Arbeitszeit bedeutet auch geringeres Entgelt und Folgen im Sozialversicherungsrecht und beim Rentenanspruch.
Christian Wäldeke, Fachanwalt für Arbeitsrecht WSW-Kanzlei Offenburg
Vier Tage Arbeiten ohne Reduzierung der Arbeitszeit und bei Vollzeitentgelt klingt verlockend. Aber geht das rechtlich überhaupt? Natürlich gibt es rechtlich hier Grenzen. Bei Arbeitnehmern ist zuvorderst das Arbeitszeitgesetz zu beachten. Nach dessen Paragrafen 3 beträgt die werktägliche Arbeitszeit maximal acht Stunden (im Durchschnitt) und höchstens zehn Stunden (am Tag). Die durchschnittliche achtstündige Arbeitszeit spielt bei vorliegender Betrachtung kaum eine Rolle. Der Ausgleich der über acht Stunden hinausgehenden Arbeitszeit kann an allen Werktagen, also inklusive Samstagen, ohne Arbeitsleistung erfolgen. Problematisch ist die tägliche absolute Höchstgrenze von zehn Stunden.
Bei einer tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten im Umfang von 39 Stunden und einer zehnstündigen Höchstgrenze stößt man rechnerisch schnell an Grenzen. Im Falle einer Verteilung auf vier Tage bleibt im Ergebnis eine einzige Stunde als „Flexibilitätsmasse“ übrig. Eigentlich bleibt nur die Möglichkeit an drei Tagen ziemlich genau zehn Stunden und am vierten Tag neun Stunden zu arbeiten, um auf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 39 Stunden zu kommen. Da ist kaum Luft für zusätzliche Arbeitszeit, wenn viel Arbeit anfällt. Gleichzeitig kann auch nicht flexibel reagiert werden, wenn wenig auf dem Schreibtisch liegt. Zwar spricht zunächst nichts gegen eine geringere Wochenarbeitszeit. Diese „Minusstunden“ müssen aber zu anderen Zeiten nachgeholt werden. Das kann dann quasi nur am fünften Tag erfolgen, der eigentlich frei sein sollte.
Damit würden die Gleitzeitsysteme praktisch ausgehöhlt. Sind diese Modelle in der Regel darauf ausgerichtet, dass die dienstlichen Bedürfnisse und die privaten Belange berücksichtigt werden können, besteht bei der Viertagewoche kein Raum mehr für diese Überlegungen. In dem Kontext gilt es zusätzlich die Ruhezeit zu beachten: Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist grundsätzlich eine elfstündige Ruhezeit einzuhalten, in welcher Beschäftigte nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werden dürfen. Problematischer ist die Situation dann noch bei Beamten. Bei Zugrundelegung entsprechender arbeitszeitlicher Grenzen und der wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden scheitert die Idee bereits rechnerisch im Ansatz.
Das Rathaus bleibt geschlossen, gearbeitet wird trotzdem
Sinnvoller als eine generelle und verpflichtende Vier-Tage-Woche erscheint eine eigenverantwortliche Gestaltung mit der Möglichkeit, einen ganzen Tag – vielleicht den Freitag – frei zu nehmen. Beschäftigte können sich also entscheiden, freitags an den Arbeitsplatz zu gehen, um unter Umständen in Ruhe arbeiten zu können, oder frei zu haben. Dann lastet der Druck nicht zu sehr, die 39 Stunden in den vier Tagen „unterzubringen“. Der Arbeitgeber sorgt durch eine organisatorische Gestaltung, dass das auch möglich ist: Das Rathaus bleibt freitags geschlossen. Es besteht jedoch für die Beschäftigte die Arbeitsmöglichkeit.
Quelle/Autor: Christian Wäldele