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Fachkräftemangel in Kitas: Städtetag fordert Zukunftsparagrafen für mehr kreative Lösungen
STUTTGART. Städte suchen nach Wegen, wie sie mit dem Erziehermangel in den Kitas umgehen. Der Städtetag fordert für sie nun mehr Beinfreiheit. Die Herausforderung ist gewaltig: Bis 2030 fehlen im Südwesten bis zu 41 000 Fachkräfte, so die Bertelsmann-Stiftung. Das Beispiel Offenburg zeigt, wie Lösungen aussehen könnten: Dort fehlen rund 40 Erzieher, die Kitas mussten ihr Angebot einschränken, wie das längst auch in anderen Kommunen der Fall ist.
„Das Land sollte solche Modellversuche begleiten“
Die Stadt im Ortenaukreis hat deshalb in relativ kurzer Zeit und in einem breiten Beteiligungsprozess ein Konzept erarbeitet, um die Versorgungslücken zu schließen: Ab Mai soll es losgehen, an drei von 24 Standorten. Wenn die Kitas offiziell um 14.30 Uhr schließen, bietet ein Träger für zwei Stunden eine „Spiel und Betreuungszeit“ an. Hier springen dann Personen, die keine pädagogische Ausbildung haben, ein.
Für Martina Köllner, Fachbereichsleiterin Familien Schulen und Soziales bei der Stadt Offenburg, bringt das für alle Beteiligten Vorteile: Der Personalschlüssel wurde erhöht, die Kinder erhalten ein besseres Bildungsangebot, denn die Pädagogen haben mehr Zeit für sie. Und die Eltern erhalten ein verlässliches Angebot. Die Stadt wird demnächst auf ihrer Internetseite über das Projekt informieren.
Doch oft scheitern derartige Projekte am Geld. „Das Land sollte Modellversuche begleiten und finanziell unterstützen“, so Köllner. Zudem erschweren Vorgaben die Arbeit vor Ort: So muss das Angebot der Malteser in der Woche unter zehn Stunden bleiben, weil sonst die Betriebserlaubnispflicht greift.
Für Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, ist klar, dass es künftig auf kreative Lösungen aus den Kommunen selbst ankommen wird. Nur so könne man dem Fachkräftemangel begegnen. Er schlägt deshalb einen „Zukunftsparagrafen“, eine Öffnungsklausel im Kindertagesbetreuungsgesetz vor. „Dieser Zukunftsparagraf soll begrenzende Regelungen außer Kraft setzen, denn landesrechtlich werden viele Möglichkeiten eingeschränkt“, so Broß.
Alle Beteiligten vor Ort – Eltern, Personal, Kommune – setzen sich an einen Tisch und finden ihre individuelle Lösung, die für alle funktioniert, skizziert Benjamin Lachat, Dezernent für Soziales, die Grundidee. Das könnten neue Öffnungszeiten sein, andere Betreuungsangebote oder andere Gruppenstrukturen. Er betont, dass dabei „das Wohl, der Schutz und die Sicherheit der Kinder weiterhin ganz oben“ stehen müssten.
Gemeindetag unterstützt den Vorstoß, Verdi ist alarmiert
Zudem setzt sich der Städtetag für einen Mix aus Fachkräften und Zusatzkräften ein. Beispiel dafür seien multiprofessionelle Teams, zu denen beispielsweise auch Hauswirtschaftskräfte gehören. Sie könnten die pädagogischen Fachkräfte entlasten. Aber: Die Zahl der Nicht-Pädagogen habe keinen Einfluss auf den Mindestpersonalschlüssel, der vorgibt, wie viele Fachkräfte mindestens vorgehalten werden müssen. Im Moment liege es also an den Trägern – und auch an deren finanziellen Möglichkeiten – ob weitere Beschäftigte die Pädagogen unterstützen, kritisiert der Städtetag. Im Kultusministerium könne man sich eine „Experimentierklausel“ im Gesetz grundsätzlich vorstellen, heißt es in einem Bericht des SWR.
Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) sagte jedoch, dass es bei den Erzieherinnen und Erziehern nicht so ankommen dürfe, dass flächendeckend Standards reduziert und der Mindestpersonalschlüssel gesenkt werde. Auf diesen Punkt hatte auch die Gewerkschaft Verdi in der Vergangenheit mehrfach hingewiesen.
Die Kritik von Verdi am Vorschlag der Städte fiel entsprechend deutlich aus. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass der Städtetag „sich offensichtlich nur noch für eine Garantie für sichere Versorgung und Betreuung in seinem Vorschlag ausspricht“. Von Bildung sei keine Rede mehr.
Verdi befürchtet, dass das Land Baden-Württemberg es damit zulässt, dass frühkindliche Bildung nur noch in privilegierten Einrichtungen stattfinden könne und der Orientierungsplan dann nur noch auf dem Papier gelten würde.
Zwölf Städte setzen innovative Projekte um
Mit dem Projekt die Kita der Zukunft begleiten der Städtetag zwölf Mitgliedskommunen, die im Rahmen der „Trägerspezifischen innovativen Projekte“ (TiP) eigene Vorhaben umsetzen: Esslingen, Heilbronn, Herbolzheim, Karlsruhe, Konstanz, Lahr, Ludwigsburg, Ravensburg, Stuttgart Tübingen, Waiblingen und Weinheim waren dabei. Deren Erkenntnisse fließen in das Projekt ein. TiP wurde vom Kultusministerium ausgeschrieben und wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt begleitet. Die Mittel sind Teil der Bundesförderung im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes.