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Wie man Jugendbeteiligung auf Landkreisebene erreichen kann
LUDWIGSBURG. Die Jugendbeteiligung ist ein Thema, welches nicht nur die Jugend zu beschäftigen hat. Um Jugendbeteiligung voranzubringen, benötigt es sehr viele Personen und Institutionen, aber auch Verständnis und die rechtlichen Grundlagen. In den letzten Jahren hat sich die politische Jugendbeteiligung weiterentwickelt. Durch § 41 a GemO wurde in Baden-Württemberg ein wichtiger Grundstein für die Beteiligung Jugendlicher in Kommunen gelegt. Plötzlich war es möglich, Beteiligung einzufordern und es gab eine rechtliche Absicherung. Die Verpflichtung seitens der Verwaltung ist ein wichtiges Instrument, um die Ideen Jugendlicher von Anfang an ernst zu nehmen.
Leider ist das Thema der Jugendbeteiligung noch nicht in den Landkreisen Baden-Württembergs angekommen. Woran liegt das? Gibt es keine geeigneten Maßnahmen, beziehungsweise fehlt die rechtliche Verankerung in der Landkreisordnung für Baden-Württemberg? Oder gibt es keine Möglichkeiten Jugendliche in einem Landkreis zu beteiligen?
Es gibt einige Handreichungen, die Landkreise als Kommunalverwaltungen als Unterstützung für die einzelnen Kommunen anbieten. Diese Unterstützung ist als Aufgabe eines Landkreises zu sehen. Kann der Landkreis als Kommunalverwaltung überhaupt Jugendbeteiligung anbieten? Denn aus dem Subsidiaritätsprinzip gem. § 2 Abs. 1 LKrO ergibt sich, dass der Landkreis nicht eingreifen sollte, solange die Kommunen ihre Aufgaben selbstständig bewältigen können. Jedoch ist der Landkreis gleichzeitig eine selbstständige Verwaltung und hat eigene Aufgaben und Organe. Diese Doppelnatur ist eine Besonderheit eines Landkreises.
Qualitätskriterien zur Umsetzung der Jugendbeteiligung auf Landkreisebene
Nach der Analyse verschiedener Beteiligungsformen, der rechtlichen Möglichkeiten, dem Landkreis Calw und was die Jugendlichen im Landkreis Calw wollen, kann nun eine Empfehlung und Handlungsmöglichkeiten an das Landratsamt Calw ausgesprochen werden.
Am Ende sollte die Ergebnisqualität der Jugendbeteiligung hoch sein. Dies ist erreicht, wenn Jugendliche ihre Rechte auf Selbstbestimmung und Teilhaben an den sie betreffenden Entscheidungen wahrnehmen, sie ihre Verantwortung tragen und sich dieser bewusst sind. Doch wie kann der Landkreis Calw dies erreichen?
Leider ist die finanzielle Situation der Kommunen gerade durch die Corona-Pandemie sehr angespannt. Die Gewerbesteuer wird schmaler bei den Kommunen und somit wirkt sich das auch auf die Kreisumlage und auf die finanziellen Situationen der Landkreise aus. Doch ohne ausreichendes Budget ist es kaum möglich Jugendbeteiligung vorzubereiten, daran zu arbeiten und sich als Landkreis weiterzuentwickeln. Je nachdem welche Form gewählt wird, muss in der Vorbereitungsphase genug Know-how aufgebaut werden.
Anerkennung der Erwachsenen für Jugendliche sehr wichtig
Mitarbeitende müssen eingestellt und/oder geschult werden, um den Jugendlichen als Informationsquelle zu dienen und ihnen in ihrer Findungsphase als engagierte Personen zur Seite zu stehen. Zur Durchführung müssen dann genug Räumlichkeiten und Technik sowie Dokumentationsmöglichkeiten vorhanden sein. Zur Umsetzung von Ideen oder Projekten wird ebenso Geld benötigt. Von Anfang an muss mit genügend Geld für alle drei Schritte kalkuliert werden. Wenn Beteiligungsformen allerdings schon einige Zeit laufen, werden diese wirtschaftlicher.
Wie bereits oben erwähnt, ist die Anerkennung der Erwachsenen für Jugendliche sehr wichtig. Dies kann auch durch Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden. Die Bevölkerung sollte über Medien von den Entscheidungen und Projekten der Jugendlichen informiert werden und so erkennen, dass Jugendliche auch Verantwortung übernehmen können. Zwar in kleinerem Umfang und ohne sie zu überfordern, aber mit Begleitung und Zuspruch kann das allemal funktionieren.
Vor einem großen Problem stehen viele Landkreise und Kommunen, wenn es um die Attraktivität der politischen Beteiligung geht. Durch die oben analysierte „Politikverdrossenheit“ müssen Verhältnisse geschaffen werden, die Jugendlichen gefallen. Von Anfang an muss eine klare Kommunikation zum Beispiel über E-Mail oder WhatsApp und eine Ergebnisoffenheit seitens des Landratsamtes herrschen.
Projekte transparent gestalten und Jugend wertschätzen
Projekte sollten von Beginn an transparent gestaltet werden. Damit kann es auch möglich sein, die Jugendlichen mitentscheiden zu lassen, welcher Grad der Beteiligung angestrebt wird. Außerdem sollen die Jugendlichen Spaß bei der Sache haben. Sie müssen sich als Person wertgeschätzt, wichtig und sicher fühlen. Der Jugendhilfeausschuss sollte hinter den Jugendlichen stehen und diese bei Fragen ebenso unterstützen wie die Mitarbeitenden des Landratsamtes. Gute Zusammenarbeit und ein Wir-Gefühl sollte sich bei den Jugendlichen einstellen dürfen, um Freundschaften zu schließen. Das Landratsamt kann die Beteiligung Jugendlicher als Qualitätsmerkmal ausweisen und den Jugendlichen auch eine Belohnung für ihr Engagement geben. Dies kann zum Beispiel in Form eines Zertifikats für Bewerbungen sein oder ein Gutscheinheft für Veranstaltungen oder ähnliches.
Demokratische Prozesse sollen erlernt werden. Allerdings darf von Seiten des Landratsamtes nicht mit Taktik geprahlt werden. Die Ziele der Jugendlichen sollten zu Beginn festgelegt und dann erreicht werden. Über Kompromisse muss diskutiert und demokratisch darüber entschieden werden. Treffen sollten nicht wie in der Schule abgehalten werden, sondern mit Aktionen untermalt werden und nicht zu lange dauern. Ausgewählte Projekte dürfen nicht zu langwierig sein und für die Jugendlichen machbar sein.
Die zuständigen Mitarbeitenden sollen die Jugendbeteiligung von Anfang an dokumentieren und evaluieren, um später von den Erfahrungen und Fehlern zu profitieren.
Fazit: Rechtgrundlage fehlt
Das Ziel der Arbeit war es herauszufinden, ob Jugendbeteiligung in einem Landkreis rechtlich und politisch möglich ist. Die Beteiligungsformen, aber auch die Rechtsgrundlagen wurden analysiert. Im Ergebnis ist Jugendbeteiligung in einem Landkreis grundsätzlich möglich. Leider fehlt tatsächlich eine konkrete Rechtsgrundlage wie sie in der Gemeindeordnung zu finden ist. Die Landkreise haben zwar so mehr Macht und Entscheidungsmöglichkeiten, allerdings gibt es keine konkreten Rechtsgrundlagen. Die Aufgaben des Landkreises eignen sich dafür Jugendliche miteinzubeziehen und sie zu beteiligen. Eine perfekte Beteiligungsform gibt es, gleich wie bei Kommunen, auch für einen Landkreis nicht. Die verschiedenen Faktoren, die in eine solche Wahl miteinbezogen werden, müssen auf den konkreten Landkreis und die Jugendlichen abgestimmt sein.
Letztendlich ist aber für den Landkreis Calw eine offene Beteiligungsform von Vorteil. Die oben genannten Qualitätsmerkmale können dabei sehr gut umgesetzt werden. Da in der LKrO nichts Konkretes geregelt ist und die Jugendlichen nicht beteiligt werden müssen, sondern die rechtliche Grundlage der Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention ist, muss es keine repräsentative Form sein. Die Meinung der Jugendlichen sollte wichtig sein und anerkannt werden. Außerdem sollen die Chancen genutzt werden, was den Zielen der UN-Kinderrechtskonvention entspricht. Durch offene Beteiligungsmöglichkeiten, aus welchen dann Projekte entstehen können, die auch digital umgesetzt werden könnten, kann oben Genanntes auf jeden Fall erreicht werden.
Behörden könnten damit ein Pilotprojekt starten, dieses dokumentieren, daraus Schlüsse ziehen und die Erfahrungen weitergeben.
Schülersprecher miteinbeziehen
Im Voraus könnte überlegt werden, wie man die Aufgaben und Zuständigkeiten eines Landkreises den Jugendlichen vorstellen könnte. Eine Informationsveranstaltung, die Jugendliche direkt anspricht und interessiert. Dieser Einblick könnte die Hemmschwelle bei den Jugendlichen senken und sie könnten bei weiteren Beteiligungsangeboten des Landkreises angesprochen fühlen.
Eine Kooperation mit den Schulen ist ebenso ein wichtiger Schritt. Durch Veranstaltungen während der Schulzeit würden sich zwar alle Schüler beteiligen, jedoch ist das eine Alibiteilnahme und nicht unbedingt die beste Form der Beteiligung.
Durch konkrete Projekte, eventuell zum Thema Mobilität oder Umwelt, könnten sich viele Jugendliche angesprochen fühlen. Ein Gespräch mit dem Verantwortlichen die Mobilität im Landkreis Calw, eintüten in verschiedenen Supermärkten in Jutebeutel oder Werbung machen für wiederverwendbare Becher wären einzelne Beispiele, die umsetzbar wären. Die Jugendlichen könnten dadurch mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und dabei ihre Anliegen vorbringen.
Um regelmäßigen Austausch zwischen den Jugendlichen und dem Landratsamt zu haben wäre eine Möglichkeit, dass die Schülersprecher aller Schulen im Landkreis einmal im Jahr ein Gespräch, beziehungsweise eine Konferenz mit dem Landrat und dem ersten Landesbeamten führen. Die Themen können von beiden Seiten gesammelt und dann vorgestellt werden. Um eventuelle Arbeitsaufträge zu konkretisieren sollte dabei ein Protokoll geschrieben werden und dies am Anfang der nächsten Veranstaltung wiederholt werden. Somit müssen beide Seiten gleichermaßen ernstgenommen werden und erledigte Arbeitsaufträge tragen zur Zufriedenheit aller dar.
Dies ist nur eine Kurzzusammenfassung der Bachelorarbeit. Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf die Angabe von Quellen und Fußnoten verzichtet.
Anna Dürr hat bis Februar 2021 an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg Public Management studiert. „Das Thema meiner Bachelorarbeit habe ich gewählt, weil mich die Anliegen Jugendlicher interessieren und ich es sehr wichtig finde, dass auch die Jugendlichen ihre Meinung sagen dürfen und sie ernst genommen werden“, sagt sie. Es sei wichtig, dass Jugendliche sich integrieren und sich auch für politische Sachverhalte einsetzen dürfen. „Mit meiner Bachelorarbeit wollte ich herausfinden, wie diese Beteiligung – vor allem in einem Landkreis anhand der Rechtgrundlage der Landkreisordnung – möglich ist.“
Kontakt bei Rückfragen: annad98(at)hotmail.de.
Foto: Ringfoto Nagold