Landtag spricht sich gegen Burka-Verbotsantrag der AfD aus
Stuttgart. Der von der AfD-Fraktion am Donnerstag in den Landtag eingebrachte „Gesetzentwurf über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum Baden-Württemberg“ hat keine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit. Grüne, CDU, SPD und FDP sowie die Landesregierung sprachen sich am Donnerstag in erster Lesung gegen die Initiative der größten Oppositionsfraktion aus. Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) räumte in der Aussprache zwar ein, dass die Burka „natürlich etwas mit Ausgrenzung zu tun hat“, äußerte aber ebenso überzeugt, dass „uns ein Totalverbot hier nicht weiter hilft“. Wer der Burka mit einem Totalverbot winke, werde diese Menschen erst recht nicht erreichen und sie in die Isolation und den Rückzug drängen.
Gleichwohl lehne die grün-schwarze Landesregierung die Vollverschleierung gesellschafts- und integrationspolitisch ab, weil sie „im Gegensatz zur Verfasstheit unserer offenen Gesellschaft“ stehe. „Wir lehnen sie auch ab, weil sie unserem Verständnis der Menschenrechte und der Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft zuwiderläuft“, erklärte Lucha. Verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien aber keine generellen, sondern nur anlassbezogene Verbote einer Vollverschleierung. Auf dem Passbild und am Steuer eines Autos sei die Burka ohnehin schon verboten. Das Land werde differenziert klären, wo die Verschleierung noch verboten werden könne – „aber nicht mit einem pauschalen und undifferenzierten Rundumschlag.“
Aus Luchas Sicht hätte man sich die Debatte eigentlich sparen können, denn „etwa 50 oder 60 Frauen“ tragen im Südwesten eine Burka; die Hälfte davon deutsche Staatsbürgerinnen, die zum Islam konvertiert sind. Und mit der Inneren Sicherheit habe die Burka nach Einschätzung von Experten „so gut wie nichts“ zu tun. Sie sei eine Herausforderung und eine Provokation für unsere freiheitliche Gesellschaft. „Aber das müssen, können und werden wir aushalten“, urteilte der Minister.
Bei der Einbringung des Gesetzes hatte Christina Baum (AfD), „bewusst“ im Dirndl aufgetreten, um „Tradition und Heimatliebe“ zu demonstrieren, die Burka als „ideologisches Symbol“ bezeichnet, das die vollständige Unterdrückung der Frau im islamischen Kulturkreis bewusst mache. Die „unsichtbare Frau“, die vom Mann verachtet und als sein Eigentum behandelt werde, sei einer der zentralen Unterschiede im Bewusstsein von Menschen aus Europa und denen islamischer Prägung. Unter der Burka gebe es keine Würde, sondern nur Erniedrigung und Demütigung. Die AfD wünsche sich „mehr als ein CDU-Burkaverbot light“, wie es Justizminister Guido Wolf (CDU) kürzlich bei Gericht und an Schulen gefordert hatte. Baum bat vor allem „die weiblichen Abgeordneten“, sich ihre Entscheidung sehr gut zu überlegen.
Wer Männer und Frauen als gleichwertig und gleichberechtigt betrachte, könne nicht gutheißen, wenn Frauen gezwungen werden, sich bis zur Unkenntlichkeit zu verschleiern, sagte Alexander Maier (Grüne). Frauen per Gesetz zu einer vermeintlich emanzipierteren Kleidung zu zwingen, widerspreche dem Grundsatz der Selbstbestimmung genauso. Hinter dem Gesetzentwurf verberge sich eine Verschlechterung der Situation für Betroffene und eine Verbesserung für Niemanden, „mehr Diskriminierung, mehr Unterdruckung von Frauen und eine tiefe Spaltung der Gesellschaft“.
Nach Baum und Maier forderte Bernhard Lasotta (CDU) eine „sehr ernsthafte Diskussion“ zu diesem Thema. Aus integrationspolitischer Sicht sei klar, dass man nur jemand in diese Gesellschaft integrieren könne, „dem ich auch ins Gesicht schauen kann“. Da die CDU Frauen in die Gesellschaft hineinholen wolle, könne die Partei eine Vollverschleierung nicht akzeptieren. Die eigentlich Schuldigen seien die Männer, die ihre Frauen zwingen, Vollverschleierung zu tragen. Lasotta berichtete, der Koalitionsvertrag mit den Grünen gebe ein Vollverschleierungsverbot „nicht her“. Deshalb setzt er auf eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene im Rahmen eines Integrationsgesetzes.
Auch Sascha Binder (SPD) lehnte die Vollverschleierung ab, sagte aber auch: „Man kann nicht alles, was man ablehnt, verbieten.“ Seine Fraktion werde diesen „völlig ungeeigneten Gesetzentwurf“ ablehnen. Als „katastrophale Kleidungsstücke“ apostrophierte Nico Weinmann (FDP) Burka und Niqab. Sie werden der gewünschten erfolgreichen Integration entgegenstehen und gegen sämtliche Konventionen unseres Zusammenlebens verstoßen. Dennoch lehne auch die FDP ein vollständiges Verbot ab. Ein Burka-Verbot sei aber sehr wohl geboten, rechtlich zulässig und auch unerlässlich, wenn eine Identifikation erforderlich sei. Deshalb werde die FDP-Fraktion in den nächsten Wochen einen eigenen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.