Gall sieht Handwerk auf seiner Seite – FDP und Verband widersprechen
Stuttgart. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat einer aktuellen Debatte am Mittwoch die geplante Änderung der Gemeindeordnung und des Gemeindewirtschaftsrechts verteidigt. Seiner Ansicht nach steht das Handwerk zu den geplanten Änderungen. Dagegen ist der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke der Ansicht, dass sich das Vorhaben gegen Handwerk und Mittelstand richtet. Auch der Handwerkstag äußerte sich kritisch.
Im Kern geht es bei der geplanten Gesetzesänderung darum, dass der Vorrang der Wirtschaft gegenüber öffentlichen Unternehmen, der auf Betreiben der FDP 2005 rechtlich festgeschrieben wurde, wieder abgeschafft wird. Dagegen wehren sich die Liberalen, die die aktuelle Debatte beantragt hatten. Rülke wies darauf hin, dass das Handwerk die Änderung von 2005 begrüßt habe. Die Pläne Galls dagegen hätten die Branche "sehr beunruhigt". Man fürchte, der öffentlichen Konkurrenz in Zukunft unterlegen zu sein.
Rülke warf Gall vor, ein "ideologisches Problem mit der privaten Wirtschaft" zu haben: "Die finden Sie irgendwie anrüchig." Für Gall sei Wirtschaft nur gut, "wenn dies vom Staat organisiert wird". 2005 habe die FDP für Waffengleichheit zwischen Kommunen und Privatwirtschaft gesorgt. "Was Sie jetzt vorhaben, ist genau das Gegenteil."
Etwas moderater kritisierte Karl Klein, kommunalpolitischer Sprecher der CDU, das Vorhaben der Landesregierung. Er warnte davor, dass eine Änderung von Paragraf 102 der Gemeindeordnung, wie Gall sie plant, die Gefahr beinhalte, dass Private sich an kommunalen Unternehmen beteiligten – etwa bei der Wasserversorgung. Auch für den Ausbau der Breitbandversorgung brauche man kein neues Gesetz. "Seien Sie vorsichtig mit einer Änderung", sagte der Christdemokrat. Handwerk und Mittelstand dürften nicht geschwächt werden.
In der Debatte versuchten Redner der Regierungskoalition die CDU auf ihre Seite zu ziehen. Andrea Lindlohr (Grüne) verwies darauf, dass Klein sich in einer Debatte zum selben Thema im November einer Gesetzesänderung sowohl der Gemeindeordnung als auch Gemeindewirtschaftsrechts aufgeschlossen gezeigt habe. "Gehen Sie den Weg mit der FDP oder gehen Sie den Weg mit uns?", fragte Lindlohr in Richtung CDU. Ihrer Ansicht nach sind die gesetzliche Änderungen zur Schaffung von Rechtssicherheit notwendig. Nur so könnten Kommunen die Entwicklung in den Bereichen Energieversorgung, Wasserversorgung, Wohnungsbau und Breitbandversorgung abgesichert vorantreiben. Eine Klagemöglichkeit für Handwerk und Mittelstand werde das neue Gesetz enthalten.
"Wir dürfen in Baden-Württemberg nicht stehen bleiben"
Hans-Peter Storz (SPD) ergänzte, dass die Rechtssprechung des EuGH eine Überarbeitung der Gesetzeslage notwendig mache. In Sachen Daseinsvorsorge sei so viel in Bewegung, "da dürfen wir in Baden-Württemberg nicht stehen bleiben". Für das Schreckgespenst, das die FDP aufbaue, fehlten die Belege.
Nach Ansicht des Innenminister genießt Grün-Rot die Unterstützung von Handwerk und Mittelstand. Der Eindruck, den die FDP vermittele, sei falsch. Gall verwies darauf, dass er selbst kürzlich als Gastredner zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung von IHK und Handwerk in Heilbronn eingeladen war. "Dann kann so viel nicht falsch sein."
Gall ergänzte, dass Grün-Rot eine Menge für Klein- und Mittelbetriebe tue. So habe man das Amt eines Mittelstandsbeauftragten eingerichtet und wieder einen Mittelstandsbeirat eingesetzt. Außerdem habe man 60 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt – anders als die Vorgängerregierung, die dafür zuletzt kein Geld mehr ausgegeben habe. Auch das Tariftreue- und Mindestlohngesetz sei in enger Abstimmung mit dem Handwerk erarbeitet worden. Außerdem wolle man sich im Dezember gemeinsam in Brüssel für die Beibehaltung des Meistertitels einsetzen. Auch dadurch werde deutlich, "dass wir auf der Seite des Handwerks stehen".
"Grün-Rot ist und bleibt ein verlässlicher Partner des Handwerks"
Beim geplanten Gesetz geht es aus Sicht von Gall um die Sicherung der Daseinsvorsorge. Dies sei ein verfassungsrechtlicher Auftrag. Insbesondere bei der Stromversorgung sieht er Handlungsbedarf. Gleichzeitig blieben die Klein- und Mittelbetriebe im Fokus – "und zwar im positiven Sinne". "Die grün-rote Landesregierung ist und bleibt ein verlässlicher Partner des Handwerks in Baden-Württemberg." Was die FDP wolle, sei dem Handwerk "gar nicht recht". Er gebe die Hoffnung nicht auf, dass die CDU zusammen mit Grün-Rot für die Novelle stimmen werde.
Dieser Sicht der Dinge widersprach nicht nur Rülke, sondern auch der Handwerkstag in einer Pressemitteilung. Darin heißt es: Erstaunt reagierte Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle auf die Ausführungen von Innenminister Gall, das Handwerk sehe die von der grün-roten Landesregierung geplante Neufassung des Gemeindewirtschaftsrechts nicht als Bedrohung, sondern als Chance: „Da unterliegt der Minister einem gewaltigen Irrtum.“