Für eine transparente Europapolitik
Stuttgart. Mehrheitlich haben sich die Abgeordneten aller Fraktionen am Mittwoch im Landtag für eine offenere Europapolitik ausgesprochen. Viele Bürger seien durch die Beratungen zum Freihandelsabkommen mit den USA verunsichert, auch deshalb, weil sie zu wenig informiert würden. Umso wichtiger sei es, Inhalte klar zu vermitteln und Europa nicht auf die Wirtschaft zu reduzieren.
Europa habe bei den Europäern stark an Ansehen verloren, sagte Gerhard Stratthaus (CDU) zum Bericht der Landesregierung über aktuelle europapolitische Themen. Dies hänge vor allem mit der Wirtschaftskrise zusammen. In den südlichen Ländern machten viele den Eintritt in die Eurozone als Ursprung der Krise aus, demgegenüber fühlten sich die nördlichen Länder in eine Haftungsunion gedrängt. „Die Wirtschaft und der Euro allein machen Europa nicht aus“, betonte der ehemalige Finanzminister. „Europa ist eine Wertegemeinschaft.“ Demokratie und Rechtstaatlichkeit seien aus der europäischen Idee hervorgegangen.
An den wirtschaftlichen Problemen sei nicht der Euro Schuld, so Stratthaus, wohl aber habe er zu den Ursachen beigetragen. Die maßlose Verschuldung von Unternehmen sei erst durch die Einführung des Euros möglich geworden. Dies konnten auch die Maastricht-Kriterien nicht abwenden, die bereits 2003 überschritten wurden. Ein Auseinanderfallen Europas, betonte der CDU-Politiker mit Verweis auf die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD), wäre die größte wirtschaftliche Katastrophe. Entscheidend sei also, die Zahlungsfähigkeit schwächerer Mitgliedsländer aufrecht zu erhalten. Dabei sprach sich Stratthaus klar gegen Euro-Bonds aus. Gleichzeitig müssten die Mitgliedsländer wettbewerbsfähig werden. „Aber das können sie nur selbst“, sagte Stratthaus, indem sie privatisierten und eine funktionierende staatliche Verwaltung schafften.
„Deutschland allein wird zu klein, um eine Rolle zu spielen“
„Deutschland allein wird in 20 bis 30 Jahren zu klein sein, um eine Rolle zu spielen“, machte Stratthaus deutlich. Umso wichtiger sei, eine gemeinsame europäische Umwelt- und Energiepolitik. Menschenrechte und Demokratie müssten gestärkt werden, ohne „Gleichmacherei“ zu betreiben. Die kulturelle Vielfalt bleibe ein wesentlicher Bestandteil. „Wir müssen in vielen Bereichen enger zusammenrücken: Europa ist unsere Zukunft“, betonte der Finanzexperte abschließend.
Josef Frey (Grüne) warnte am Beispiel des Erfolgs der Rechtspopulisten in der Schweiz davor, den Bürgern Europa nicht begreifbar zu machen. Durch über 120 bilaterale Verträge seien die Schweiz und Europa verbunden, offenbar sei dies nicht im Bewusstsein eines Großteils der Bevölkerung.
Frey warb für die Zustimmung zu einem Entschließungsantrag von SPD und Grünen. „Wir möchten damit die Skepsis der Landesregierung gegenüber dem Freihandelsabkommen mit den USA zum Ausdruck bringen“, betonte der Grünen-Politiker. Die Landesregierung nehme damit das Recht war, „Nein zu sagen“ zu dieser Art von Verhandlungen, bei der „hinter verschlossener Tür“ beraten werde. „Die Demokratie mauert sich ein“, so Frey. Es müsse ein neues Verhandlungsmandat geben.
Wie groß die Angst der Menschen vor dem „bürokratischen Monster Europa“ sei, betonte auch Rita Haller-Haid (SPD). Diese sei durch die Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA (TTIP) nur verstärkt worden. Die größten Sorgen bezögen sich darauf, dass europäische Standards abgesenkt werden könnten. Doch man werde nicht zulassen, dass Errungenschaften wie beispielsweise bei den Arbeitnehmerrechten angetastet würden, so Haller-Haid. „Wir müssen Chancen und Risiken abwägen“, forderte die SPD-Politikerin. „Das geht nur, wenn man alles offenlegt.“ Deshalb fordere sie eine umfassende Information über die Beratungen.
„Europa braucht mehr freie Marktwirtschaft“
Als Abgeordneter der FDP-Fraktion sprach sich Leopold Grimm für eine Stabilisierung aus. Solide Finanzen in Europa seien für die weitere Entwicklung entscheidend, es müsse mehr in die Wettbewerbsfähigkeit investiert werden. „Europa braucht mehr freie Marktwirtschaft“, sagte Grimm.
Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) hob die Bedeutung der politischen Debatten über Europa hervor. Dies gelte auch für die Diskussion über das Freihandelsabkommen. Das bestehende Verhandlungsmandat gehe zu weit, so Friedrich. Auch er kritisierte die fehlende Transparenz der Verhandlungen, die „Theorien Tür und Tor“ öffneten. Grundsätzlich sei die SPD aber für das Abkommen. „Wir müssen nicht nur die Unterminierung der Standards befürchten“, betonte Friedrich. In vielen Bereichen könne die EU höhere Standards von den USA adaptieren.