Gemeinschaftsschule: Grün-Rot wirft CDU doppeltes Spiel vor
Stuttgart. Nach Ansicht von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) gehen der Opposition bei den wiederkehrenden bildungspolitischen Landtagsdebatten um die Gemeinschaftsschulen die Argumente aus. „Und ewig grüßt das Murmeltier“, sagte Stoch auf die Vorhaltungen des CDU-Abgeordneten Ulrich Müller, der für seine Fraktion Anspruch und Wirklichkeit der Schülerzahlen an den Gemeinschaftsschulen unter die Lupe nahm und die Schülerzahlen zum Maßstab für die Akzeptanz der Schulart in der Bevölkerung machte.
„Ich habe nicht gemurmelt. Ich habe Zahlen gebracht, zu denen Ihnen nichts eingefallen ist“, gab Müller zurück. Seine Bilanz: Die Gemeinschaftsschule werde von den Menschen nicht angenommen. Müller rechnete der Regierung vor, wie viele der genehmigten Gemeinschaftsschulen tatsächlich unter der vom Kultusministerium vorgegebenen Mindestgröße lägen – 14 von 45 im Jahr 2012; 45 von 87 im Jahr 2013. Zudem sei bei etlichen anderen Schulen prognostiziert, dass deren Ist-Größe unter der Mindestgröße liegen werde. „Warum wurden die dann genehmigt?“, fragte Müller, der schlussfolgerte: „Eine Gemeinschaftsschule wird dann genehmigt, wenn die Prognosen falsch sind.“ Die Gemeinschaftsschule werde vor Ort nach wie vor von vielen Eltern abgelehnt, so Müller. „Die Zahlen beweisen: Die Resonanz ist weit unter dem, was Sie wollen und was der Anspruch dieser Schulart ist“, so Müller. Die Gründung einer Gemeinschaftsschule sei keine Lösung, sondern eine Verschärfung des Standortproblems. „Das werden Sie im Rahmen der regionalen Schulentwicklung noch merken“, so Müller.
Grüne: CDU redet Gemeinschaftsschule schlecht
Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser warf dagegen der CDU zum wiederholten Mal vor, die Eltern vor Ort durch das Schlechtreden der Gemeinschaftsschule in den Landtagsdebatten zu verunsichern. „Ich verlange Ehrlichkeit von Ihnen“, sagte sie und forderte die CDU-Abgeordneten dazu auf, den Eltern draußen in den Wahlkreisen zu sagen, dass sie gegen die Gemeinschaftsschulen seien und die CDU diese Schule nicht wolle. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Eltern dort, wo die Gemeinschaftsschule etabliert ist, begeistert darüber sind, dass ihre Kinder diese Chance haben und auch im Ländlichen Raum alle Bildungsabschlüsse erreichbar sind.“
Auch der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei vermutete, dass es Müller doch nur oberflächlich um Fragen der Prognosen gehe. „Sie können es nicht lassen, die Gemeinschaftsschulen gegen andere Schularten auszuspielen“, sagte Fulst-Blei, der die CDU bezichtigte, mit zwei Gesichtern aufzutreten – und dann unter großem Applaus der grün-roten Fraktionen genüsslich mehrere CDU-Abgeordnete zitierte, die sich auf ihren Homepages überaus positiv über Gemeinschaftsschulen in ihren Wahlkreisen geäußert hatten. „Diese bildungspolitische Spalterei ist eine Belastung für unser Bildungssystem und für alle Schulen“, sagt er. „Hören Sie damit auf, und applaudieren Sie nicht hier im Landtag bei rufschädigenden Debattenbeiträgen gegen die Gemeinschaftsschulen.“
FDP fordert faire Bewährungsbedingungen
Für Timm Kern (FDP) schafft die Gemeinschaftsschule dagegen mehr neue Gerechtigkeitsprobleme, als sie löst. „Die Frage der Mindestgröße könnte man als erstes rot-grünes Schulschließungs-Beschleunigungsprogramm bezeichnen, die regionale Schulentwicklung als zweites, und die Privilegierung der Gemeinschaftsschulen gegenüber anderen Schularten als ergänzendes heimliches Schulschließungsprogramm“, sagte Kern. Grün-Rot würde auf diese Schulart sämtliche Wünsche und Hoffnungen projizieren – „wenn sich die erfüllen sollen, brauchen wir aber eine ganz andere Schulgröße.“ Dann aber wären nach Ansicht von Kern die Kommunen nicht bereit gewesen, einige Kröten zu schlucken, um ihren Schulstandort zu erhalten. Kern forderte faire Bewährungsbedingungen für die Gemeinschaftsschule und eine Gleichbehandlung mit anderen Schularten – „damit sie Vertrauen gewinnen kann“.
Der Kultusminister schließlich bezeichnete die Redebeiträge und die fehlenden eigenen Konzepte der Opposition als „immer wieder erschreckend, weil sie zeigen, dass Sie sich offensichtlich nicht mit der Realität auseinandersetzen.“ Mit diesem Kreuzfeldzug gegen die Gemeinschaftsschulen würden CDU und FDP der Wirklichkeit im Land und vor allem den Kindern nicht gerecht. „Erschreckend ist auch: Sie haben weder strukturell noch pädagogisch irgendeine Antwort auf die Schulentwicklung.“ Die neue Schulart habe sich in der Praxis bewährt und sei die Schulart, die sich am besten auf die Heterogenität der Schüler einstellen könne. „Die Schülerzahlen steigen, die Schulen gewinnen Vertrauen, und die Attraktivität der Schulart macht sich über Parteigrenzen hinweg bemerkbar“, sagte Stoch.
Auf kommunaler Ebene seien die Gemeinschaftsschulen eben gerade kein parteipolitisches Konfliktthema – viele Standorte lägen in Gemeinden mit CDU-Bürgermeistern. „Sie verstricken sich haltlos in Widersprüche“, sagte Stoch in Richtung der CDU-Abgeordneten. Im Übrigen kritisierte auch Stoch die zwiespältige Haltung mancher Landtagskollegen aus der Opposition, die im Gespräch mit ihm darum gebeten hätten, bei der Genehmigung einer Gemeinschaftsschule in ihrem Wahlkreis eine Ausnahme bei der Mindestgröße zu machen. „Jeder von uns muss die Interessen seines Wahlkreises wahrnehmen“, sagte Stoch. „Aber wer ein transparentes Verfahren fordert, darf für seinen Wahlkreis nicht darum bitten, ein Auge zuzudrücken.“