Wegen Bestandsdaten wird Polizeigesetz novelliert
Stuttgart. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 zur Erhebung von Telekommunikationsdaten müssen auch das Polizei- und das Landesverfassungsschutz-Gesetz von Baden-Württemberg novelliert werden. Innenminister Reinhold Gall (SPD) brachte in der letzten Sitzung dieses Jahres am Donnerstag den Gesetzentwurf in den Landtag ein. Dieser bringe die Datenschutzbefugnisse und den Datenschutz der Betroffenen sehr gut zum Ausdruck, sagte der Minister in der ersten Lesung.
Für die Polizeiarbeit seien solche Bestandsdaten notwendig, um beispielsweise bei Suizid-Ankündigungen oder Amokdrohungen die Betroffenen und ihre möglichen Aufenthaltsorte rasch ermitteln zu können, erklärte Gall. Beim Verfassungsschutz sei die Abfrage von Daten erforderlich, um Beteiligte von Kommunikationsvorgängen zu identifizieren und damit das Erkennungsbild von beispielsweise extremistischen Menschen zu vervollständigen. Für den gleichen Schutzzweck soll diese Erhebungsbefugnis auch die Daten nach dem Telemediengesetz umfassen. Dies betreffe auch Chats oder Videoportale.
„Abgesehen von der Unterbrechung vom 1. Juli dieses Jahres bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes erhalten Polizei und Verfassungsschutz nicht mehr, aber auch nicht weniger Befugnisse als dies bis zum 30. Juni der Fall war“, sagte Gall. Diese sollen anhand einer bekannten Internetprotokoll-Adresse auf die Gefahrenabwehr für hochrangige Rechtsgüter, also für die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben, für die Freiheit einer Person oder für den Bestand der Sicherheit eines Landes beschränkt bleiben. Dasselbe gelte auch für den Pin eines Mobiltelefons, wenn damit zum Beispiel das gefundene Handy eines Vermissten reaktiviert werden kann, um Hinweise zu dessen letzten Kontakten zu erhalten.
CDU sieht fraktionsübergreifenden Konsens beim Thema Sicherheit
Die CDU werde den Gesetzentwurf wahrscheinlich mittragen, kündigte Günther-Martin Pauly (CDU) an. Er sieht einen fraktionsübergreifenden Konsens beim Thema Sicherheit und Sicherheitsempfinden der Bürger. „Diese sind uns sehr wertvoll.“ Mit dem Gesetz werde auch die Arbeit des Verfassungsschutzes gestärkt. Deshalb dürften Aufgaben, „die bei uns im Land gut dezentral aufgehoben sind, nicht einfach nach Berlin oder sonst wohin verschoben werden“. Der Rechtsstatt müsse sich entsprechend aufstellen, um das Handwerkszeug in der Hand zu halten, um verfassungswidrigen Kräften Einhalt zu gebieten.
Es sei gut gewesen, sich mit dem Gesetzentwurf Zeit zu lassen, meinte Alexander Salomon (Grüne). Deshalb sei man nicht – wie der Bund – in eine hitzige Debatte gekommen. Das Gesetz gehe im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr weit, sei liberal und ein gutes Beispiel grün-roter Bürgerrechts- und Sicherheitspolitik.
SPD: Befugnisse „geradezu im Interesse der Anschlussinhaber“
Für Nikolaos Sakellariou (SPD) stellt die Novelle ein Gefahrenabwehrinstrumentarium dar, ohne zusätzliche Ermächtigungen. Die Befugnisse, die damit erteilt würden, seine „geradezu im Interesse der Anschlussinhaber“. Polizei- und Strafverfolgungsbehörden müssten bei schweren Delikten und erheblichen Gefahren die Möglichkeit haben, auf Daten der Telekommunikation zuzugreifen, sagte Ulrich Goll (FDP). Diese Zugriffsmöglichkeit habe schon früher bestanden, sei aber über die Vorratsspeicherung „kaputtgegangen“, und werde nun wieder hergestellt, damit die Behörden eine zuverlässige Grundlage haben, um an die Daten heranzukommen. Die Sache sei vernünftig und im Interesse der Sicherheit aller.
Quelle/Autor: Wolf Günthner