Landtag beschließt historisches Gesetz zum Staatsvertrag
Stuttgart. Einstimmig hat der Landtag das Gesetz zu dem Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg e.V. verabschiedet. Damit ist die Anerkennung und Unterstützung der Sinti und Roma als nationale Minderheit im Land nach 18 Jahren Verhandlungsdauer erstmals in einen rechtlichen Rahmen gegossen. Vertreter aller Parteien lobten das Vertragswerk als historisches und überfälliges Bekenntnis zu den Sinti und Roma.
Anerkennung als geschützte Minderheit und Einrichtung eines gemeinsamen Rats
Bereits am 28. November hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Daniel Strauß vom Landesverband der Sinti und Roma den Staatsvertrag in einem feierlichen Akt in Stuttgarter Neuen Schloss unterzeichnet. Der Staatsvertrag erkennt an, dass Sinti und Roma seit mehr als 600 Jahren zur Kultur des Landes gehören und als geschützte Minderheit ein Recht auf die Förderung ihrer Kultur und ihrer Sprache Romanes haben.
Künftig werden Anliegen der Minderheit in einem gemeinsamen Rat von Landesregierung und Sinti und Roma besprochen. Zudem werden Gegenwart und Geschichte der ethnischen Gruppe über die Bildungspläne in den Schulen thematisiert. Ein Forschungsstelle soll sich zudem mit der Geschichte der Verfolgung auseinandersetzen.
Staatsministerin Krebs warnt, Antiziganismus schon für überwunden zu halten
Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) dankte im Namen der Landesregierung allen Fraktionen für die einhellige Unterstützung des Vertragswerkes. „Wir setzen damit ein starkes Zeichen für die Zukunft und die Anerkennung der Sinti und Roma in diesem Land“, sagte Krebs. Allerdings warnte Krebs auch davor, das Thema damit für erledigt zu halten. „Antiziganismus ist kein Thema nur der Vergangenheit. Auch weiter werden in Deutschland Vorurteile gegen Sinti und Roma geschürt und wird damit öffentlich Stimmung gemacht“, so die Ministerin.
Die Diskriminierung sei auch ein europäisches Thema. „Wir müssen fragen, warum in manchen EU-Ländern die Gelder zur Unterstützung von Sinti und Roma nicht abgerufen werden. Im Angesicht von Rassismus gilt es für alle, Mut zu zeigen und ihnen Respekt zu bezeugen“, so Krebs. Wer versuche, diese Minderheiten auszugrenzen, greife die demokratische Gesellschaft im Grundsatz an. „Dieser Staatsvertrag schützt nicht nur die Sinti und Roma, er schützt eine Grundfeste unserer Gesellschaft.“
CDU hält die Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte für wichtig
Für die CDU-Fraktion betonte Bernhard Lasotta, dass mit dem Vertrag das Anliegen von Sinti und Roma in die Öffentlichkeit transportiert werde. „Es ist uns eine Verpflichtung, uns zum Schutz dieser nationalen Minderheit zu bekennen“, so Lasotta. „Dieser Schutz muss offensiv nach außen dargestellt werden, weil es bis heute Diskriminierung gibt und sich viele Sinti und Roma nicht öffentlich zu ihrer ethnischen Zugehörigkeit bekennen wollen, weil sie Diskriminierung fürchten.“ Deshalb sei es wichtig, dass sich das Land zu Förderung und Erhalt der Kultur, aber auch zur Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte bekenne.
Daniel Lede Abal (Grüne) betonte, dass Baden-Württemberg erst das zweite Bundesland sei, das eine rechtliche Vereinbarung zum Schutz und der Anerkennung von Sinti und Roma als nationale Minderheit treffe. Allerdings habe diese zu lange auf sich warten lassen. „ Die Ausarbeitung hat 18 Jahre gedauert, viel zu lange“, sagte Lede Abal, der die den Verband dafür lobte, sich 18 Jahre lang nicht habe entmutigen zu lassen. „Dieser Vertrag ist eine klare Stellungnahme der Landesregierung gegen Antizigannismus“, so Lede Abal, „und heute kommt ein Siegel dran.“
Florian Wahl (SPD) sagte für seine Fraktion: „Wir bekennen: Die Sinti und Roma im Land sind Baden-Württemberg. Sie sind seit 600 Jahren im Land, und es bekümmert uns, dass ihre Anerkennung so lange gedauert hat.“ Dieser Vertrag, so Wahl, sei aber der Anfang, nicht der Abschluss dieses Projekts. Durch die Einrichtung und Unterstützung einer Forschungsstelle, durch das Aufnehmen der Sinti und Roma in die Gedenkstättenarbeit und ihrer Geschichte in die Bildungspläne werde dafür der Grundpfeiler gelegt. Auch Ulrich Goll lobte für die Liberalen die fraktionsübergreifende Zustimmung zudem Vertragswerk und seinen Inhalten. „Der Vertrag bietet die Möglichkeit, Geschichtsbewusstsein zu fördern und die Unterdrückung von Minderheiten zu bekämpfen.“ Es sei wichtig und richtig, so Goll, dass sich in der Sache der Sinti und Roma alle einig seien.