Debatten im Landtag vom 27. und 28. November 2013

Grün-Rot verabschiedet neues Personalvertretungsgesetz

Stuttgart. Ungeachtet der massiven Kritik von Kommunen, Sparkassen und Hochschulen haben die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD am Mittwoch im Landtag das neue Landespersonalvertretungsgesetz beschlossen. Ein von der CDU eingebrachter Änderungsantrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 68 zu 65 Stimmen abgelehnt.  «Uns geht es um eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Belegschaft. Das Gesetz  […]

Stuttgart. Ungeachtet der massiven Kritik von Kommunen, Sparkassen und Hochschulen haben die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD am Mittwoch im Landtag das neue Landespersonalvertretungsgesetz beschlossen. Ein von der CDU eingebrachter Änderungsantrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 68 zu 65 Stimmen abgelehnt.
 «Uns geht es um eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Belegschaft. Das Gesetz  dient dem Wohle der Dienststellen und der Belegschaft», lobte Innenminister Reinhold Gall (SPD) die von seinem Ministerium eingebrachte Novelle. Mit einem Seitenhieb auf die Opposition sagte Gall: «Wir holen die Personalvertretung dort ab, wo sie CDU und FDP vor 20 Jahren verlassen hat.»
Bisher mussten Behörden erst von 601 Mitarbeitern an einen vollständig freigestellten Personalrat einrichten – künftig gilt das schon bei 301 Mitarbeitern. Die Vertreter der Beschäftigten sollen stärker einbezogen werden – etwa bei Personalauswahlgesprächen und beim Gesundheitsmanagement in Behörden. Auch bei Personalentscheidungen haben die Personalräte eingeschränktes Mitbestimmungsrecht. Die Amtszeit von Personalräten wird von vier auf fünf Jahre verlängert.
Nach Aussage des Ministers werde die Arbeit der Verwaltung «erleichtert» und das Landespersonalvertretungsgesetz in zentralen Punkten fortentwickelt. Als Eckpunkte sieht er den zeitgemäßen Beschäftigtenbegriff, die interessengerechte Gestaltung des Wahlrechts, angemessene Personalratsgrößen, die Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit und die sachgerechte Amtszeitverlängerung. Außerdem würden die Geschäftsführung effektiver gestaltet, Arbeitsgemeinschaften ermöglicht, Freistellungen angemesen ausgestaltet, Informationsrechte ausgebaut, neue Beteiligungsrechte eingeräumt, mehr Dienstvereinbarungen ermöglicht sowie Personalversammlungen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit gestärkt.

Blenke: "Landesregierung hat Bedenken des Rechnungshofs nicht berücksichtigt"

Zu Beginn der zweiten Lesung hatte Thomas Blenke (CDU) vor den «kritischen, uferlosen Folgen» für die öffentliche Haushalte und damit vor «Nachteilen für Bedienstete» gewarnt. Er warf der Landesregierung vor, Bedenken von vielen Stellen, auch die des Rechnungshofs, nicht berücksichtigt zu haben. Blenke kritisierte die grün-rote «Basta-Politik»; das Gesetz sei «durchgepeitscht» worden. Aus «Notwehr» habe die CDU deshalb vor zwei Tagen eine eigene Anhörung vorgenommen. Dort entzündete sich die Kritik an den erwarteten hohen Kosten durch mehr Ersatzpersonal oder die Freistellungen der Personalräte.
Blenke berichtete, die kommunalen Arbeitgeber würden eine Normenkontrollklage gegen das Gesetz erwägen. Die Kosten würden auf 16 Millionen Euro im Jahr – oder 300 Stellen – geschätzt. Die Landeshauptstadt Stuttgart rechne mit einer Million Euro, die badische Residenz Karlsruhe mit 800 000 Euro Mehraufwand. Der Bund der Steuerzahler spreche von einer "Verschleuderung von Steuergeldern". Die Dienststellen der Landesverwaltung sollen den möglichen Mehraufwand laut Gesetz mit den vorhandenen Mitteln abdecken. Dem Vernehmen nach hatte es innerhalb der Regierung Kritik an den Gesetzentwürfen gegeben. 
Manfred Hollenbach (CDU) sagte, Betriebsfrieden könne zwar nicht in Geld aufgewogen werden – «die Kosten werden aber stark vernebelt». Das Gesetz sei kostenträchtig und teuer, auch bisher hätten die Personalräte schon gute Arbeit geleistet. Ulrich Goll (FDP) sprach von einer «tiefen und teuren Verbeugung» des Landes vor den Gewerkschaften, die zu Lasten der Bediensteten gehe. «Das Gesetz ist so überflüssig wie sauteuer.» Die Regierung habe die notwendige Balance zwischen den Interessen der Belegschaft und des Dienstherrn verlassen. Er kritisierte die regierenden Fraktionen dafür, dass sie das bei den Beamten gesparte Geld nun für Freistellungen «vervespere» und die schmerzhaften Besoldungseinschnitte nun in mehr Freistellungen stecke.

Lucha: "Konsequenz ist ein Aufbruch im öffentlichen Dienst"

Grüne und SPD lobten dagegen das Gesetz. Es bringe mehr Mitbestimmung und Mitarbeiterrechte, erklärte Manfred Lucha (Grüne). Die Einwände der Opposition kanzelte er als «unterirdisch» ab. Er frage nicht «was koschd's, sondern was bringt's?». Auch die Feminisierung der Belegschaft bei der öffentlichen Hand brauche neue Modelle. Die Kommunen sollen halt Bauplätze verkaufen, dann «ist das Geld drin». Aus seiner Sicht ist die «goldene Mitte» geschafft und die Konsequenz sei ein Aufbruch im öffentlichen Dienst.
Aus Sicht von Nikolaos Sakellariou (SPD) ist heute eine Kostenrechnung «noch garnicht möglich». Man müsse manchmal den Sack zumachen, auch wenn er noch nicht voll sei, zitierte er August Bebel. Mehr Mitbestimmung, mehr Rechte und mehr Demokratie seien nicht wirtschaftsfeindlich. Er halte es mit dem Unternehmen Götz Werner, der offen für einen Dialog auf Augenhöhe mit dem Personal plädiere. Das Gegenmodell sei Schlecker, sagte der SPD-Abgeordnete und posaunte in Richtung Opposition: «Sie sind Schlecker.» Die Landesregierung aber stehe für mehr Mitbestimmung.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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27. und 28. November 2013