Land wirbt um Migranten als Polizeinachwuchs
Stuttgart. Bei einer von der SPD erneut beantragten aktuellen Debatte zu diesem Thema waren sich alle Landtagsparteien und auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) darüber einig, dass Baden-Württemberg dabei auf einem guten Weg ist – daran hat sich seit Januar 2013 nichts geändert, als das gleiche Thema schon einmal im Plenum debattiert wurde.
Nach aktuellen Zahlen vom März dieses Jahres ist die Zahl der Polizeidienst-Bewerber mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst weiter gestiegen, sie liegt derzeit bei rund 27 Prozent. Bei den tatsächlichen Einstellungen haben inzwischen knapp 20 Prozent der Anwärter einen Migrationshintergrund, wie Innenminister Gall berichtete. Der Gesamtanteil bei Polizei im Land beträgt derzeit rund acht Prozent, politisch angestrebt werden etwa 26 Prozent.
Mit Patentrezepten, um mehr Migranten für den Polizeidienst zu interessieren, warfen die Redner der Faktionen allerdings nicht um sich. Nikolaos Sakellariou (SPD) vermutete einen möglichen Hemmschuh in dem Gefühl vieler Migranten, nicht wirklich willkommen in den Reihen der Polizei zu sein. „Aber es geht um ein Gefühl, nicht um einen objektiv messbaren Wert“, sagte Sakellariou.
CDU: Keine Abstriche an der Qualifikation
Der polizeipolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke, nutzte die Gelegenheit für einen politischen Seitenhieb: Gerade in dem von der Landesregierung gestrichenen freiwilligen Polizeidienst habe man das Potenzial von Migranten besonders gut nutzen können. Blenke wiederholte seine Forderung, dass dennoch bei der Einstellung von Migranten keine Abstriche an der Qualifikation gemacht werden dürften, vor allem nicht bei der Sprache. „Aber ein Mitbürger mit ausländischer Abstammung, der sich den Schutz der deutschen Rechtsordnung zum Beruf macht, ist ein Signal für Integration, wie es besser nicht sein kann“, sagte Blenke.
Die Grünen-Abgeordneten Petra Häffner bemerkte, dass das Problem der doppelten Staatsbürgerschaft einen Hinderungsgrund für Migranten darstellen könnte. Zudem sei die Polizei eine traditionell männlich geprägte Organisation mit einem ganz geringen Frauenanteil in den hoch besoldeten Führungspositionen, was Migrantinnen eher von einer Bewerbung bei der Polizei abhalten könnte. „Migrationshintergrund und Frau – das ist eine doppelte Barriere“, sagte Häffner. „Integration funktioniert nur, wenn alle mitmachen.“
Mehrsprachigkeit als Plus bei Einstellung werten
Ulrich Goll (FDP) verwies die Regierungsfraktionen darauf, dass unter den neuen zwölf Polizeipräsidenten keine einzige Frau sei – „dann wäre das Problem nicht ganz so krass“. Er empfahl, das Beherrschen einer zweiten Sprache bei der Einstellung als dickes Plus zu werten. Auch Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) konnte sich den Seitenhieb auf die Besetzung der neuen Spitzen-Positionen bei der Polizei nicht verkneifen. „Ich war verblüfft, dass es erneut eine Debatte zu diesem Thema gibt, nachdem wir sie erst im Januar hatten“, sagte sie; „ich hatte gehofft, eine Polizei-Präsidentin in B-Besoldung 'vorgelegt' zu bekommen.“
Innenminister Gall stellte abschließend noch einzelne Maßnahmen der Polizei Baden-Württemberg vor, um auch künftig um Migranten zu werben: „Wir haben Polizeibeamten mit Migrationshintergrund ein Gesicht innerhalb der Polizei gegeben und stellen ihre Biografien immer wieder in den Mittelpunkt unserer Werbeaktionen“, sagte Gall. Neue Informationskanäle wie Internet würden genutzt, auch die Einstellungsberater würde gezielt von Beamten mit Migrationshintergrund unterstützt. „Deren Auftreten ist immer ein „voller Erfolg“, so Gall.
Eine interministerielle Arbeitsgruppe entwickle zudem neue Projekte, um gezielt Migranten in den Polizeidienst, aber auch in die Landesverwaltung zu bekommen. In Karlsruhe etwa gehe demnächst das Projekt „Karlsruhe – breit gefächert“ an den Start. Statt – wie noch vor zwei Jahren diskutiert – die sprachlichen Anforderungen für Migranten bei der Einstellung abzusenken, gebe es mittlerweile schon beim Bewerbungsgespräch gezielte Hilfsangebote, um eventuelle Defizite bis zum Einstellungstest noch abbauen zu können. „Die Polizei nimmt hierbei eine Vorreiterrolle innerhalb der gesamten öffentlichen Verwaltung ein“, sagte Gall.