Rechnungshof-Präsident redet Regierung und Abgeordneten ins Gewissen
Stuttgart. Premiere im Landtag: Nach der Novellierung der Geschäftsordnung hatte der Präsident des Landesrechnungshof am Donnerstag erstmals Rederecht im Parlament. Max Munding nutzte zu Beginn der Debatte über die Denkschrift 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes seinen Auftritt, um die Arbeit der Regierung und der Abgeordneten zu bewerten.
Dabei sparte Munding weder mit Vorschlägen, noch mit Kritik. Kernpunkt seiner Rede waren die Ausführungen zur Nullverschuldung, deren Verankerung in der Landesverfassung "der Rechnungshof seit Jahren fordert". Er schlug Grün-Rot vor, die Schuldenbremse nicht erst 2020, "auf den letzten Drücker sozusagen, sondern auf halben Weg zu verankern".
Mit der Änderung der Landeshaushaltsordnung habe die Regierungskoalition sich einen breiten Verschuldungskorridor bis 2020 eröffnet. "Bei einer stabilen Wirtschaftslage und trotz der kleinen Korrektur bei der Steuerschätzung haben wir nach wie vor wachsende Steuereinnahmen in Rekordhöhe", erläuterte Munding. Bei dieser Ausgangslage müsse mehr drin sein. "Das Land darf nicht zu kurz springen", urteilte der Rechnungshof-Chef.
Munding fordert Konzept für "weiter erforderlichen Stellenabbau"
Konkret schlug Munding vor, angesichts eines Kostenanteils von 42,5 Prozent weiter Personal in der Landesverwaltung abzubauen. Es sei erfreulich, dass aufgrund der demografischen Entwicklung mit rückläufigen Schülerzahlen die Regierung bis zu 11 600 kw-Stellen im Bildungsbereich streichen wolle. Doch trotz aller Bemühungen nehme das Personal in der Landesverwaltung "noch nennenswert zu". Deshalb empfahl er Grün-Rot wiederum ein Konzept zum "weiter erforderlichen Stellenabbau". Munding sagte, in diesem Jahrzehnt erreiche jeder vierte Beamte die Altersgrenze. Er warnte deshalb den Landtag: "Werden alle diese Stellen wieder neu besetzt, dann beschneiden Sie auf Jahrzehnte Ihren Gestaltungsspielrau." Man müsse nicht nur am Personal sparen, sondern Personal sparen.
Auch der Rechnungshof setzt jetzt große Hoffnungen in den Finanzplan 2020, der das zentrale Element zur Einhaltung der Schuldenbremse werden soll. Er erwarte, dass der Finanzplan über eine Ziel- und Wegbeschreibung "deutlich hinaus kommt und dass er notwendige Einsparungen konkret benennt". Der Finanzplan müsse auch durch konkrete strukturelle Maßnahmen unterlegt werden sowie absehbare Risiken und neue Aufgaben in das Konzept einbeziehen. Munding nannte dazu die neuen Zensuszahlen mit Auswirkungen von 100 Millionen Euro auf den Landerfinanzausgleich, die Fluthilfe, die Ausfinanzierung der Polizeireform oder neue Aufgabe wie den Nationalpark Nordschwarzwald. Es dürfe auch nicht nur über neue Aufgaben geredet werden, sondern auch darüber, "auf welche Aufgaben wir verzichten können oder bei welchen wir wenigstens kürzer treten." Die Zeit zum Handeln sei deutlich kürzer als die Jahreszahl 2020 suggeriere, warnte Munding. Er empfahl dem Landtag, wieder eine Legislaturperioden übergreifende Enquetekommission einzusetzen.
Abgeordnete alle Fraktionen dankten und würdigten die Arbeit des Rechnungshof. "Lassen Sie in Ihrer Kritik nicht nach, bleiben Sie unangenehm", forderte Reinhard Löffler (CDU). Die Denkschrift sei für die Politik wie das Röntgenbild für einen Arzt, verglich Muhterem Aras (Grüne); sie gebe Einblick in das Innere des Verwaltungsorganismus und zeige Symptome und Fehlentwicklungen auf. Aus Sicht von Klaus Maier (SPD) ist der Rechnungshof Ratgeber und Sparringspartner. "Die Verdienste des Rechnungshofs um eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung sind unstrittig", würdigte Hans-Ulrich Rülke (FDP). Die Denkschrift sei auch für die Regierung ein wichtiger Beitrag, attestierte Finanz-Staatssekretär Ingo Rust.
Denkschrift betrifft CDU/FDP-Regierungszeit
Die Kritik der Opposition an der Regierung fiel moderat aus, da die Denkschrift 2012 das Jahr 2010 betrifft, also die CDU/FDP-Regierungszeit. Löffler und Rülke hielt Grün-Rot vor, nicht genug zu sparen, Maier und Aras gaben den Ball mit Vermerk auf die schwarz-gelbe Erblast zurück. Besonderheit: Der CDU-Abgeordnete entschuldigte sich für die im Zuge des verfassungswidrigen EnBW-Aktiendeals von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nicht in der Haushaltsrechnung dargestellte Ausgabenermächtigung.
Quelle/Autor: Wolf Günthner