CDU kritisiert Umgang der Grünen mit dem Thema Pädophilie
Stuttgart. Erneut hat die CDU-Landtagsfraktion den Umgang der Grünen mit dem Thema Pädophilie innerhalb des Grünen-Landesverbands in den 1980er-Jahren zum Thema einer aktuellen Landtagsdebatte gemacht. Während die CDU eine Entschuldigung der Partei bei den Verbänden von Missbrauchsopfern forderte, verwiesen die Grünen auf die Aufarbeitung durch ein unabhängiges Institut. Grüne und CDU warfen sich gegenseitig vor, mit ihrem Verhalten die Opfer von Kindesmissbrauch zu verhöhnen.
Die Vorwürfe des CDU-Abgeordneten Reinhard Löffler waren massiv: Er bezichtigte die Grünen, die Fehler der Vergangenheit nicht aufzuarbeiten, sich der Verantwortung zu entziehen und dadurch das Thema Pädophilie zu bagatellisieren. Die CDU habe das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem infolge der ersten Debatte – anlässlich der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an Daniel Cohn-Bendit – eine Fülle von neuen Informationen ans Licht gekommen seien, etwa ein fragwürdiger Beschluss des grünen Landesvorstands von 1985 zum Thema Pädophilie. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung – wie sie inzwischen vom Grünen-Bundesvorstand in Auftrag gegeben wurde und die klären soll, wer, wann und was bei den Grünen zum Thema Sexualität mit Kindern gesagt oder geschrieben hat – sei, so Löffler, kein Ersatz für eine Entschuldigung bei den Opferverbänden.
„Wir wollen nicht warten, bis wissenschaftliche Ergebnisse vorliegen, weil die Krebszellen pädophilen Denkens bei den Grünen immer noch nicht ausgemerzt sind, deshalb führen wir diese Debatte“, sagte Löffler unter heftigem Protest der Fraktionen von Grünen und SPD. Gleichzeitig begrüßte Löffler die Maßnahmen von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) im Kampf gegen Pädophilie im Internet und sagte Unterstützung zu. „An finanziellen Mitteln darf der Kampf gegen Kindesmissbrauch nicht scheitern“, so der CDU-Abgeordnete, der zudem die Gründung einer Enquete-Kommission anregte, um dem gesellschaftlichen Problem des Kindesmissbrauchs zu begegnen.
Mielich: "Das war eine Zeit, die Tabubrüche beinhaltet hat"
Für die Grünen wies Bärbel Mielich entschieden Vorwürfe zurück, das Thema zu verharmlosen. „Das war eine Zeit, die Tabubrüche beinhaltet hat“, sagte sie. „Was wir niemals negiert haben und auch in keiner Weise relativieren, ist, dass es diese Tabubrüche gegeben hat, die völlig inakzeptabel sind.“ In dem von Löffler kritisierten Vorstandsbeschluss von 1985 seien Passagen enthalten, „die widerwärtig und nicht zu akzeptieren sind.“ Daraus aber zu schließen, dass die Grünen Missbrauch verharmlosen würden, sei eine Unverschämtheit, so Mielich. Nicht die Grünen würden die Opfer durch ihr Verhalten verhöhnen – wie vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Peter Hauk im Vorfeld der Debatte geäußert. „Im Gegenteil: Dadurch, dass Sie die Debatte für Ihre Zielrichtung instrumentalisieren, verhöhnen Sie die Opfer“, sagte Mielich an die CDU-Fraktion.
Dass das Thema Kindesmissbrauch kein Anlass für kontroverse Parteipolitik sein dürfe, machte Anneke Graner (SPD) deutlich. Graner forderte alle Fraktionen dazu auf, im Interesse der traumatisierten Kinder zusammenzuarbeiten; und verwies auf die Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz des Kindes. „Das hilft“, sagte Graner, „auf überholte Entscheidungen von vor 30 Jahren zu verweisen, hilft nicht.“
Jochen Haußmann begrüßte dagegen für die FDP-Fraktion die Debatte. Auch die erste Debatte über Cohn-Bendit als Festredner im April habe in der Öffentlichkeit einen Impuls gegeben, sich mit dem Thema zu befassen. Haußmann begrüßte die Bereitschaft der Grünen, ihre Vergangenheit aufzuklären. Zudem regte er an, die Landesregierung möge den Vorschlag für einen Landesaktionsplan zum Thema „Sexueller Missbrauch“ aufgreifen.
Krebs: "Kinder und Jugendliche brauchen einen Rechtsanspruch auf Beratung"
Die von CDU- und FPD geforderten deutlichen Worte gab es abschließend seitens der Landesregierung – wenn auch nicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sondern von Staatsministerin Silke Krebs (Grüne). Die Grünen würden den früheren Einfluss von pädophilen Gruppen auf die Partei untersuchen und genau prüfen lassen, wer, wann, wo und in welchem Umfang für Straffreiheit für Sexualität mit Kindern eingetreten sei. „Diese Forderung ist völlig inakzeptabel“, sagte Krebs. Die Ergebnisse der Untersuchung würden öffentlich gemacht und diskutiert. Krebs rückte zudem in den Mittelpunkt, was in der Opferhilfe im Land noch zu tun sei. „Kinder und Jugendliche brauchen einen eigenen Rechtsanspruch auf Beratung“, so Krebs, die zudem ein flächendeckendes Beratungsnetz und Therapieangebote einforderte und auch an die nötigen Hilfen für die Opfer von institutionellem sexuellen Missbrauch erinnerte.
Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein