Gleichstellung an Hochschulen: Noch viel Luft nach oben
Stuttgart. Wie sieht es um die Gleichstellung von Frauen und Männern an den Hochschulen in Baden-Württemberg aus? Dies war das Thema einer großen Anfrage der SPD-Fraktion an das Wissenschaftsministerium. Fazit: Es hat sich einiges getan für die Stärkung von Frauen in der Wissenschaft – und es muss sich noch sehr viel mehr tun.
Einigkeit bei allen Fraktionen herrschte in der Debatte über die ausführliche Zusammenstellung des Ministeriums darüber, dass der Frauenanteil in der Lehre noch deutlich gesteigert werden muss. Über die Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen gingen die Meinungen allerdings auseinander.
Die SPD-Abgeordnete Gabi Rolland wies zunächst darauf hin, dass Freistellung und Mittelausstattung der Gleichstellungsbeauftragten an den Universitäten ganz unterschiedlich gehandhabt würden. Während die Aufgaben für die Beauftragten deutlich zugenommen hätten, müsse vielerorts noch ein Kampf um Mittel und Stunden geführt werden. Nicht zuletzt deshalb sei die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Ulm samt Stellvertretern im November 2012 zurückgetreten – was den Anlass für diese Anfrage darstellte. „Die angemessene Ausstattung muss in der anstehenden Novelle des Landeshochschulgesetzes berücksichtigt werden“, forderte Rolland, „denn karrierefördernd ist das Amt bisher nicht.“ Die Universitäten forderte Rolland auf, aktive „Frauenentwicklung“ zu betreiben, um die Zahl der Bewerberinnen auf Professuren zu erhöhen. Zudem seien viele Strukturen frauenfeindlich. Zeitverträge in der Wissenschaft etwa würden Frauen in ihrer Karriereplanung zu wenig Sicherheit in einer entscheidenden Lebensphase bieten. „Wir glauben, dass noch viel zu tun ist“, sagte Rolland. „Und wenn alles nichts nützt, dann bleibt nur noch eine Quote.“ Oft nütze aber auch schon die Androhung einer Quote.
„Nur mit Kinderbetreuung an den Hochschulen ist es nicht getan“
Auch Viktoria Schmid (CDU) schloss sich der Forderung nach mehr Frauen in der Wissenschaft an. An der Landesregierung kritisierte sie, zwar die Situation dargestellt, aber keine Hinweise darauf gegben zu haben, wie sie verbessert werden solle. „Nur mit Kinderbetreuung an den Hochschulen ist es nicht getan“, sage Schmid. Der Frauenanteil von 22 Prozent an den Professorenstellen im Land sei eindeutig zu wenig angesichts der Tatsache, dass der Frauenanteil an den Promotionen inzwischen bei 44 Prozent liege. „Die Zusammensetzung der Berufungskommissionen muss sich ändern, aber wir müssen auch Frauen ermutigen, den Weg in die Wissenschaft zu gehen“, so Schmid.
„Über Gleichstellungspolitik reden heißt, über Arbeitsbedingungen reden“
Kai Schmidt-Eisenlohr (Grüne) wies darauf hin, dass die entscheidende Barriere für Frauen nach der Promotion liege. Überdurchschnittlich viele Frauen würden danach den wissenschaftlichen Berufsweg verlassen. Als mögliche Grüne nannte Schmidt-Eisenlohr Diskriminierung bei der Besetzung von Professuren oder familienfeindliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse. „Über Gleichstellungspolitik reden heißt, über Arbeitsbedingungen reden“, sagte er.
Vor einer Quote bei der Berufung von Frauen in die Lehre warnte dagegen der FDP-Abgeordnete Timm Kern. Wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, löst sich das Problem von allein“, sagte er. „Von einer Quote sollten wir aber die Finger lassen.“ Im Übrigen verwies Kern darauf, dass ein Frauenanteil von 40 Prozent in den Hochschulgremien – wie sie Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) in die Hochschulgesetzesnovelle festschreiben lassen will – keine grün-rote Erfindung sei.
Die Ministerin selbst nannte ein Bündel von möglichen strukturellen Veränderungen, um den Frauenanteil in der Wissenschaft weiter zu erhöhen. Im Rahmen der Novellierung des Landeshochschulgesetzes befänden sich derzeit mehrere mögliche Schritte in der Prüfphase. „Mit guten fördernden Maßnahmen, Anreizprogrammen und der Bereitschaft von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen werden wir sicher schnell Fortschritte erreichen“, sagte Bauer.