Landesregierung will Moratorium zum Fracking
Stuttgart. Angesichts möglicher Gefahren für das Grund- und Trinkwasser sowie ungeklärter Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung fordert die grün-rote Landesregierung vom Bund weiter ein Moratorium zur umstrittenen Gasförderung aus dem Tiefengestein. Danach soll es in Deutschland keine Bohrungen nach Erdgas unter Einsatz wassergefährdender Stoffe geben, der sogenannten Fracking-Methode, sagte Umweltminister Franz Untersteller am Mittwoch im Landtag.
In der von der SPD-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Kein Fracking in Baden-Württemberg – Grundwasser und Bodensee schützen” erklärte Untersteller, es sei überhaupt nicht absehbar, ob Fracking überhaupt in Baden-Württemberg zum Einsatz komme. „Eine mögliche Gewinnung von unkonventionellem Erdgas per Fracking ist mehr als ungewiss.” Die Regierung werde den weiteren Entscheidungsprozess auf jeden Fall im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten kritisch begleiten.
Anfang Juni war der Gesetzentwurf der Bundesregierung gestoppt worden, nachdem die CDU/CSU-Fraktion aufgrund des Widerstandes auch in den eigenen Reihen entschieden hatte, den schwarz-gelben Gesetzentwurf zur Regelung der umstrittenen Förderung nicht mehr in dieser Wahlperiode in den Bundestag einzubringen. Auch für Baden-Württemberg war der Entwurf laut Untersteller „inakzeptabel”, weil dieser kein Fracking-Verbot am Bodensee vorsah, sondern dadurch die Förderung lediglich in Trinkwasserschutzgebieten ausgeschlossen sein sollte.
Wasser wird mit Chemikalien unter hohem Druck in Gestein gepresst
Der Landtag hatte am 28. Juni 2012 einstimmig beschlossen, ein Moratorium zum Einsatz von wassergefährdenden Stoffen beim Fracking zu verlangen, bis abschließende Erkenntnisse dazu vorliegen. Beim Fracking wird Wasser mit Chemikalien unter hohem Druck in das Gestein gepresst, so dass die Gas-Ausbeute deutlich höher wird. Kritiker befürchten, dass der Einsatz gefährlicher Stoffe zu nicht beherrschbaren Risiken für die Umwelt führt.
Die SPD-Abgeordnete Rosa Grünstein bekräftigte in der Debatte: „SPD und Grüne werden in Bund und Land alles dafür tun, um Fracking mittels wassergefährdender Substanzen zu unterbinden.” Sie verwies auf den Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, der im Mai wegen der nicht überschaubaren Risiken sich deutlich gegen das Fracking in Deutschland ausgesprochen habe. Sie mutmaßte, dass die Bundesregierung bei diesem Thema gegen die europäische Umweltverträglichkeitprüfungs-Richtlinie (UVP) verstoße. Gleichzeitig forderte Grünstein die Änderung des völlig veralteten, „aus Kaiserzeiten bestehende” Bergrechts.
Müller: Totalverbot ist „relativ unsinnig”
Nach Aussage von Ulrich Müller (CDU) will sich seine Partei im Programm für den Bundestagswahlkampf zum Thema Fracking klar positionieren; Gefahren für die Menschen und das Trinkwasser müssten dabei ausgeschlossen werden, die Sicherheit habe für die Union absoluten Vorrang. „Das heißt auf Deutsch: Kein Fracking mit Chemie, und zwar überall und nicht nur im Umfeld des Bodensees oder anderen Trinkwasserspeichern, also generell nicht.” Der frühere Umweltminister sieht „keine Gefahr im Verzug”, da gar keine Anträge von Unternehmen auf Fracking vorlägen. Für Müller ist klar: Ohne Risiken und Nachteile sei Fracking nutzbar. Deshalb bezeichnete er ein Totalverbot als „relativ unsinnig”.
Dagegen ist für Alexander Schoch (Grüne) ein Verbot der Methode „der richtige Weg”. In Baden-Württemberg könnten große Flächen in Konstanz, Bad Saulgau, Wangen und Biberach als Konzessionsfelder in Frage kommen und deshalb seien Konzessionsinhaber interessiert, diese Flächen zu verwerten. Er verwies auf die USA, wo seit zehn Jahren Fracking betrieben wird: „Mit dem Ergebnis, dass das Trinkwasser verseucht wird und Menschen krank werden.” Obwohl krebserregende Stoffe in die Umwelt gerieten, gebe es keine gesetzliche Regelung, Fracking zu verbieten. In anderen Ländern werde kritischer damit umgegangen: Großbritannien, die Niederlande und die Schweiz hätten Moratorien erlassen, Bulgarien und Frankreich Fracking verboten.
Glück: „Verbot wäre auch Todesstoß für Tiefengeothermie”
Nach Aussage von Andreas Glück (FDP) kritisierte dessen Landeschefin Birgit Homburger, dass „Bedenkenträger und Mutlosigkeit bei der Union” mehr Wasser- und Umweltschutz beim Fracking verhinderten. Er räumte ein, man brauche ein „Mehr an Sicherheit”. Das von der Bundes-FDP gewollte Gesetz hätte Fracking am Bodensee nicht zugelassen; so aber sei theoretisch Fracking dort möglich. Glück sagte, ein generelles Fracking-Verbot wäre auch der Todesstoß für die Tiefengeothermie. Deshalb dürfe die Türe nicht zugeschlagen werden.
Umweltminister Untersteller berichtete, in Baden-Württemberg seien bisher – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – keine konreten Tätigkeiten im Gelände wie geophysikalische Messungen oder Erkundungsbohrungen weder beantragt noch genehmigt worden. Es gebe aber drei Konzessionsfelder, in denen Konzessionsinhaber auch die Erkundung unkonventioneller Gaslagerstätten beantragt haben.