Landtag streitet über Kosten für Stuttgart 21
Stuttgart. Das Bahnprojekt Stuttgart 21 und die Aufteilung seiner Milliarden-Mehrkosten spalten weiter die Fraktionen im Stuttgarter Landtag. In einer fast dreistündigen Aktuellen Debatte wiederholte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), die Haltung der Landesregierung, sich nicht an den Mehrkosten in Höhe von 2 Milliarden Euro für S21 zu beteiligen.
Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrates vom Dienstag in Berlin, das nun 6,5 Milliarden Euro teure, umstrittene Großprojekt weiter zu bauen, sagte der Regierungschef: «Die Mehrkosten, in welcher Höhe auch immer, sind mit der Entscheidung vom Dienstag Angelegenheit der Bahn.“ Gleichzeitig wies er Vorwürfe von CDU und FDP zurück, das Land und seine Behörden seien für Stillstand und Verzögerung des Projekts S21 verantwortlich.
Kretschmann bekräftigte, das Land habe "vitales Interesse" am Bahnknotenpunkt Stuttgart. Deshalb trage Grün-Rot dazu bei, das Bestmögliche aus S21 zu machen. Allerdings werde die Bahn das Projekt zu Ende bauen müssen, «auf Kosten von Bahn und Bund, egal, wie hoch die Kosten am Ende sein werden», sagte er. «Aus dieser Verantwortung werden wir die Bahn nicht entlassen.» Laut Grundgesetz sei die Bahn die Aufgabe des Bundes und nicht des Landes. Er forderte von den Oppositionsparteien, sich dieser klaren Haltung anzuschließen. CDU und FDP müssten die Frage beantworten, ob sie "auf Seiten des Landes, seiner Steuerzahler und Bürger stehen, oder auf Seiten derer, die die Kosten auf uns abwälzen wollen".
Kretschmann bezeichnet "Ramsauer-Zuschlag" als dreist und abenteuerlich
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) müsse sich endlich zu seiner Verantwortung bekennen, sagte Kretschmann. Er sei zuständig. Die Aussage Ramsauers, die Bahnpreise könnten steigen, wenn sich das Land Baden-Württemberg nicht an den Mehrkosten von S21 beteilige, bezeichnete der Regierungschef ("ein Ramsauer-Zuschlag") als dreist und abenteuerlich. Auch für FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sind die Äußerungen des CSU-Politikers „inakzeptabel“ und dem Projekt S21 nicht dienlich. Kretschmann bekräftigte, das Land beteilige sich aufgrund des vom Landtag zu Regierungszeiten von Schwarz-Gelb beschlossenen Vertrags mit 1,9 Milliarden Euro – 930 Millionen Euro für Stuttgart 21 und 950 Millionen Euro für die Neubaustrecke nach Ulm – an den Kosten. "Mehr geht nicht, da wir den Haushalt sanieren müssen", sagte Kretschmann. Deshalb sehe einer angedrohten Klage der Bahn „außerordentlich gelassen“ entgegen.
Die Opposition hatte zuvor Grün-Rot scharf angegriffen. Nicole Razavi (CDU) forderte die Regierung auf, das Projekt aktiv mitzugestalten. Der Ministerpräsident müsse "trotz der Zerrissenheit" in seiner Regierung zwischen Vernunft und Ideologie S21 zügig umsetzen, "egal, ob es den Gegnern gefällt oder nicht". Sie schlug eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus allen Fraktionen zur Begleitung des Projekts vor. Jochen Haußmann (FDP) verlangte, dass sich die Regierung nach der Bahn-Aufsichtsratsentscheidung "klar zum Weiterbau" von S21 bekenne. «Streifen Sie den grünen Widerstand gegen Stuttgart 21 ab», sagte er an die Adresse von Kretschmann.
Nach mehrfacher Aufforderung aus den Regierungsparteien erklärte auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk (CDU), auch er lehne die Mehrkosten aus dem Zwei-Milliarden-Paket ab. Über Mehrkosten, die durch die Schlichtung und den veränderten Filderbahnhof entstehen könnten, müsse aber mit der Bahn gesprochen und auch "in die Mitfinanzierung" gegangen werden. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke (FDP) griff vor allem Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an, in dem er diesem "Guerilla-Taktik" vorwarf. Auch die Liberalen stünden zu dem Kostendeckel, aber wer zusätzliche Leistungen verlange, müsse auch dazu stehen. Deshalb müsse über Schlichtung und Filderdialog verhandelt werden.
Schmiedel wirft Strobl vor, trotz Kostendeckel finanzielle Beteiligung anzubieten
Aus Sicht von Claus Schmiedel (SPD) hat S21 durch die jüngste Entscheidung eine breitere Basis. Der SPD-Fraktionsvorsitzende verlangte nun die schnelle Besetzung der Projektgesellschaft, ein engeres Miteinander der Genehmigungsbehörden, ein Baustellen-Management und die Anbindung von S21 an den Flughafen. "Wenn sich alle von diesem Geist leiten lassen, ist mir nicht bange", sagte Schmiedel. Vom CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl forderte er Klarheit, ob ihm das Wohl des Landes am Herzen liege; der Heilbronner Bundestagsabgeordnete hatte – trotz des vertraglich vereinbarten Kostendeckels – eine weitere finanzielle Beteiligung des Landes gefordert.
Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann bekräftigte, mit den 930 Millionen, die das Land freiwillig zum Projekt geben, sei Schluss: "Mehr Geld gibt es nicht." Bauherr des Projektes sei die Bahn. Diese Verantwortlichkeiten dürfe man nicht vermischen. Im Gegensatz zur Auffassung der CDU betonte Sitzmann, auch der Filderdialog sei unter der Voraussetzung initiiert worden, dass Ergebnisse innerhalb der Kostenbeteiligung des Landes liegen müssten. "Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass auch Bund und Bahn dies akzeptieren", sagte die Grünen-Politikerin.
Aus dem Bürgerdialog war als Ergebnis eine verbesserte Variante für den Filderbahnhof am Stuttgarter Flughafen hervorgegangen. Sie ist aber teurer. Während die SPD hier für einen Extratopf plädiert, sind die Grünen dagegen.