Parlamentarier streiten über Kita-Ausbau und Betreuungsgeld
Stuttgart. Im Landtag ist an diesem Donnerstag erneut ein Streit über den Kita-Ausbau und das von der Bundesregierung beschlossene Betreuungsgeld entbrannt. Die SPD hatte eine aktuelle Debatte dazu beantragt. Während Grüne und SPD das Betreuungsgeld kritisierten, verteidigte die CDU das Modell. Die Fraktion erinnerte daran, dass die SPD das Vorhaben in der Großen Koalition auf Bundesebene befürwortet hatte.
„Ich habe in 25 Jahren noch nie erlebt, dass ein Gesetz gegen einen so hohen politischen Widerstand durchgesetzt wird“, sagte Stefan Fulst-Blei (SPD). Verbände bewerteten es als „Rückschritt von Jahrhunderten“ und als „kontraproduktiv“, die Gewerkschaften gingen davon aus, dass es den Fachkräftemangel verschärfe. „Es ist eine Investition in ein überkommenes Gesellschaftsbild.“ Fulst-Blei betonte zugleich, dass er vor Müttern und Vätern Respekt habe, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen wollen. Seiner Einschätzung nach sei das Gesetz bloß durchgesetzt worden, um die Regierungskoalition in Berlin zu retten. „1,2 Milliarden Euro werden mit dem Betreuungsgeld verschwendet. Für Baden-Württemberg sind es rund 150 Millionen Euro“, so Fulst-Blei. Mit diesem Betrag könnte man im Land 26 000 Krippenplätze schaffen oder 3000 Erzieher einstellen. Beim Thema Kita-Ausbau verwies er auf den von Grün-Rot im Südwesten geschlossenen Pakt mit den Kommunen. Erst dieser habe dazu geführt, dass der Kita-Ausbau vorangetrieben werden konnte.
„Die CDU will, dass Mütter und Väter das Betreuungssystem wählen können, das sie wollen“, sagte Tobias Wald (CDU). Er kritisierte die Haltung der SPD, da sie im Jahr 2008 in der Großen Koalition das Kinderförderungsgesetz verabschiedet und damit verbunden das Betreuungsgeld befürwortet habe. Wald wehrte sich gegen den Begriff Herdprämie. Dieser diskriminiere Eltern, die ihr Kleinkind zu Hause erziehen wollten. Er griff zudem die Landesregierung an, da seit dem 24. Oktober keine neuen Kita-Plätze entstanden seien. Sein Fraktions-Kollege Thaddäus Kunzmann betonte, dass die CDU-Regierung den Anspruch auf einen Krippenplatz festgelegt habe.
„Staatliche Aufgabe ist nicht, Menschen zu subventionieren, sodass sie keine staatlichen Angebote in Anspruch nehmen“, sagte Thomas Poreski (Grüne). Mit dem Anreiz aus dem Berufsleben fern zu bleiben, raube man den Menschen ihre Zukunftschancen. „Das ist die größte Ressourcenverschwendung, die man sich vorstellen kann“, so der Abgeordnete weiter.
Timm Kern (FDP) bewertet die Einführung des Betreuungsgelds als „Quantensprung, der jungen Eltern Entscheidungsfreiheit gibt“. Er verwies jedoch darauf, dass das Betreuungsgeld kein „liberales Grundanliegen“ sei. Ähnlich wie Wald kritisierte Kern die Haltung der SPD: „Bei der SPD hängt der Standpunkt stark vom Sitzplatz ab“. Er betonte, dass noch viele Anstrengungen unternommen werden müssten, um die Betreuungsquote von 34 Prozent zu erreichen. Seiner Einschätzung nach kommt es bei der Kinderbetreuung von zu Hause aus oder in einer Einrichtung auf die „richtige Mischung“ an.
„Die Betreuungsquote von 34 Prozent ist eine fiktive Zahl“, sagte Frank Mentrup (SPD), Staatssekretär im Kultusministerium. Der konkrete Bedarf müsse jeweils vor Ort berechnet werden. Er kritisierte das Betreuungsgeld und verwies darauf, dass das Betreuungsgeld in Thüringen vor allem von alleinerziehenden Müttern und finanzschwache Familien in Anspruch genommen werde. Sie hätten aufgrund ihrer Situation keine „echte Wahlfreiheit“. Seiner Einschätzung nach dürfe man Wahlfreiheit nicht dem Verzicht auf außer-familiäre Erziehung verknüpfen, wie beim Betreuungsgeld geschehen.