Verbal- und Realsparer streiten über Neuverschuldung
Stuttgart. Im Streit um die geplante Neuverschuldung des Landes haben sich Regierung und Opposition an diesem Mittwoch einen heftigen Schlagabtausch geliefert. In der von der FDP beantragten Aktuellen Debatte „Schulden über Schulden – die grün-roten Pläne zur Umsetzung der Schuldenbremse“ warf FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dem Finanzminister Nils Schmid (SPD) Wählertäuschung vor.
Der geplante Haushaltsentwurf widerspreche der Landeshaushaltsordnung, eine Neuverschuldung sei rechtswidrig, kritisierte Rülke. „Mit Nils Schmid als Finanzminister wird Baden-Württemberg in der Haushaltspolitik das, was Bremen in der Bildungspolitik schon ist“, sagte der Liberale. Bezugnehmend auf die Aussage von Schmid, es gebe Verbal- und Realsparer im Land, warf Rülke dem Minister vor, er gehöre wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in die Kategorie der Verbalsparer.
Schmid wies die Vorwürfe zurück. „Die, die handeln, sitzen in der Regierung und die, die große Töne spucken, in der Opposition“, konterte er. Grün-Rot baue das vorhandende Defizit im Landeshaushalt „solide und Schritt für Schritt“ ab. „Wir wollen auch die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern“, betonte Schmid und lud die Opposition ein, darüber zu sprechen. Denn CDU und FDP spielen nach Ansicht des Finanzministers bei diesem Thema „nur auf Zeit“. Die Opposition stehle sich aus der Verantwortung für das Land.
Schmid: Für Pensionskosten wurde nicht vorgesorgt
Schmid hielt Schwarz-Gelb vor, zu ihrer Regierungszeit die Qualitätsoffensive Bildung nicht solide durchfinanziert zu haben, so dass dafür 200 Millionen Euro fehlen. Außerdem sei für die 70 Milliarden Euro Pensionskosten nicht vorgesorgt worden. Das Land werde bis 2020 lediglich 6,4 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen, „weil wir schon strukturell sparen“, erklärte der Minister. Um die Nullverschuldung zu erreichen, müssten auch Lehrerstellen abgebaut werden.
Der Opposition warf Schmid „pure Heuchelei“ vor: "Große Klappe, nichts dahinter", rief er den CDU- und FDP-Abgeordneten entgegen. Um Steuereinnahmen zu erhöhen, kündigte Schmid an, dass sich das Land im Bundesrat für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes einsetzen werde. Zur Kritik an seiner Haushaltspolitik entgegnete der Minister, Grün-Rot habe erste mutige Schritte getan.
Hauk: Gewählt, um zu handeln und nicht zur Ratlosigkeit
Peter Hauk sah dies natürlich anders. Noch im Januar 2010 habe Kretschmann gefordert, das Land müsse „die Ausfahrt aus der Schuldenspirale nehmen“. Heute sage der Ministerpräsident, er wisse nicht, wie das gehen soll. Grün-Rot sei aber gewählt worden, um zu handeln und nicht zur Ratlosigkeit. „Sie wissen, wie es geht, aber Sie wollen es nicht“, polterte der CDU-Fraktionschef. Vorwürfe, die Opposition lasse Sparvorschläge vermissen, konterte Hauk mit dem Hinweis, für die Aufstellung des Landeshaushalts sei nach der Verfassung die Regierung zuständig.
Wenn der Minister über Zeitdruck klage, habe er diesen selbst zu verantworten und spielte damit an den mehrwöchigen Sommerurlaub Schmids in der Türkei an. Hauk warf der Landesregierung vor, die bestehende Schuldenbremse in der LHO außer Kraft setzen zu wollen. "Sie wollen sich neue Verschuldungsrechte sichern." Die Regierung spare nur bei "Wehrlosen und Armen".
Baden-Württemberg im Ländervergleich nicht mehr im Spitzenfeld
Für die Grünen erinnerte die Fraktionschefin Edith Sitzmann die Opposition an den „CDU-Schuldenberg von 43,3 Milliarden Euro, der allein 1,9 Milliarden Euro Zinsen zur Folge“ habe. Zudem sei nichts Ausreichendes für die Pensionskosten in Höhe von 70 Milliarden Euro getan worden. Außerdem stammten 2,5 Milliarden Euro strukturierte Deckungslücken aus der Zeit der Vorgängerregierung. Deshalb liege Baden-Württemberg im Ländervergleich längst nicht mehr im Spitzenfeld.
Klaus Maier (SPD) sah in den Beiträgen der Opposition „Polemik und Spott“, aber keine Ansätze zur Lösung der Finanzprobleme. Die Liquidität des Landes sei hervorragend, Grün-Rot würden sich von der Opposition nicht als Schuldenmacher abstempeln lassen. Maier räumte eine schwierige Ausgangslage ein, das Land brauche einen Abbaupfad. Auch die SPD wolle die Landesverfassung ändern, um in Sachen Verschuldung Rechtssicherheit zu erlangen.