Debatten im Landtag vom 11. Juli 2012

Alle Landtagsfraktionen wollen das Gesetz im Bundesrat stoppen

Stuttgart. Gemeinsam wollen die Fraktionen im Landtag, dass das das vom Bundestag Ende Juni verabschiedete Meldegesetz im Bundesrat gestoppt und ein erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens darin aufgenommener Passus wieder verändert wird.  Dieser erlaubt es Meldeämtern,  Namen und Adressen auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen beispielsweise an Firmen zu Werbezwecken weiterzugeben. Die schon einige Tage […]

Stuttgart. Gemeinsam wollen die Fraktionen im Landtag, dass das das vom Bundestag Ende Juni verabschiedete Meldegesetz im Bundesrat gestoppt und ein erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens darin aufgenommener Passus wieder verändert wird.  Dieser erlaubt es Meldeämtern,  Namen und Adressen auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen beispielsweise an Firmen zu Werbezwecken weiterzugeben. Die schon einige Tage alte Ankündigung von Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD), in der Länderkammer gegen das Gesetz zu stimmen, stieß am Mittwoch bei allen Fraktionen auf Unterstützung.
Alexander Salomon (Grüne) begründete den Antrag der Grünen zu einer aktuellen Debatte über das Meldegesetz damit, offensichtlich sei es „eine Illusion, dass wir alle für Datenschutz sind“. Das Meldegesetz in der vorliegenden Form öffne Adresshändlern „Tür und Tor und rolle ihnen den roten Teppich aus“. Er zitierte kritische Stellungnahmen von Daten- und Verbraucherschützern auf Bundesebene und verwies auf die Einschätzung  des Landesdatenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil, dass es sich bei dem beanstandeten Passus  um eine „eine völlig inakzeptable Änderung“ handle.  Salomon kritisierte besonders die Rolle der FDP, die sich als Bürgerrechtspartei geriere. Tatsächlich aber habe sich beim Meldegesetz einmal mehr gezeigt, dass die Freidemokraten „der verlängerte Armt von Lobby-Interessen sind“. Eine unglückliche Rolle habe im Übrigen insbesondere auch Hans-Peter Uhl von der CSU gespielt. Da die Formulierungshilfe für den umstrittenen Passus aus dem Innenministerium stamme, sei dieser auch „kein Unfall „gewesen. Die Meldeämter als zentraler Dienstleister für die Bereitstellung von Daten, das sei mit den Grünen nicht zu machen. Problematisch sei auch, dass das ihnen zugestandene Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe ihrer Daten etwa für Ältere und Migranten nur schwer verständlich sei. „Der Staat als verlängerter Arm der Adresshändler – das wird nicht funktionieren mit uns.“ Doch nun komme über den Bundesrat Abhilfe: „Wir merzen jetzt den Fehler aus, den sie gemacht haben.“  Und er versprach mit Blick auf die Bundestagswahlen 2013: „Nächstes Jahr machen wir es einfach selber besser.“
Günther-Martin Pauli (CDU) fand, der baden-württembergische Landtag sei der falsche Ort für eine Debatte über ein Gesetz, an dessen Zustandekommen keiner in Landtag oder Regierung beteiligt gewesen sei. Alle Fraktionen seien dafür, den Datenschutz zu stärken. Und die CDU begrüße es, dass die Bundesregierung die korrigieren will. „Das ist auch gut so“. Im Üübrigen hätten aber auch die Grünen im Bundestag nur einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf vorgebracht – der nun strittige Punkt sei nicht darunter gewesen/bemerkt worden. Dieser sei vielmehr  vom Innenausschuss des Bundestags erst in das Gesetz „eingebaut“ worden. Etwas Gutes habe die Debatte, so Pauli: „Die Sensibilität, was Datenschutz anbelangt, wird dadurch wieder ins Bewusstsein gerückt“.  Große Gefahren gebe es durch „Datenkraken“ Onlinegewinnspiele, Facebook und ähnliches mehr. Dort gebe es Datenmissbrauch, der nicht nur ein Ärgernis ist, sondern gefährliche Dimensionen annimmt“. 
Sascha Binder (SPD) entgegnete, hätte der Bundestag sein Geschäft genau gemacht, müsste  sich der Landtag heute nicht mit dem Meldegesetz beschäftigen. Mittlerweile aber sei die Angelegenheit sehr wohl Ländersache. Es sei ein Unding, dass noch drei Wochen nach der Verabschiedung Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gesagt habe: „Keiner wusste, dass es das Gesetz überhaupt gab.“ Der gesamte Vorgang sei nicht geeignet, das Vertrauen in die Politik zu stärken. Schuld der Legislative sei das aber, anders als Pauli meine, nicht gewesen: Die ausschlaggebende „Formulierungshilfe“ für den nun alle störenden Passus sei von der Exekutive gekommen. Die Vorgänge um das Meldegesetz bewiesen, dass beim Gesetzgebungsprozess generell wieder mehr auf Sorgfalt geachtet werden müsse. Nun aber würden die Länderregierungen das Gesetz im Bundesrat stoppen, „dann bekommen wird einen guten Datenschutz in Deutschland.“
Ulrich Goll (FDP) beklagte „viel Scheinheiligkeit in der Debatte“, die das eigentlich allen gemeinsame Anliegen überdecke und auch davon ablenke, dass der gegenwärtige Rechtszustand, an dem in der ein oder andere alle Parteien mitgearbeitet hätten, schlechter sei als der durch das neue Gesetz geschaffene  – den umstrittenen Passus einmal ausgenommen. Dieser sei verfehlt und widerspräche im Übrigen den Grundsätzen seiner Partei: Die FDP zähle zu den „Freunden der Einwilligungslösung.“ Man müsse aber auch den Genese des Gesetzes nicht außer Acht lassen: Dieses sei ein Anliegen der Meldebehörden gewesen, also derjenigen, die mit dem Gesetz täglich arbeiten müssten. Die Werbeindustrie hingegen sei an dem Erwerb von Adressen auf diesem Weg, anders als jetzt suggeriert werde, gar nicht besonders interessiert: Dies sei ihnen viel zu teuer. Im Übrigen müsse aber gelten: „Dass Schuldnerihre Schulden bezahlen, das solle das Anliegen aller sein“.
Innenminister Reinhold Gall (SPD) wies ebenfalls auf das kommunale Interesse an dem Gesetz hin und das gemeinsame Anliegen aller Parteien,  die derzeit bestehenden faktischen Rechtsunterschiede in den Bundesländern durch eine einheitliche Regelung abzulösen:   „Diese Absicht des Gesetzes ist im Kern unumstritten“, sagte Gall. Dabei sei eine datenschutzfreundliche Regelung angestrebt worden. Keine Einwilligung – keine Auskünfte“, das war Tenor der ursprünglichen Fassung.
Wichtig war ihm noch ein anderer Punkt: „Berechtigtes Interessen an Auskünften musste bisher nicht nachgewiesen werden“. Die „Einschränkung der Nutzung von Meldedaten für gewerbliche Zwecke war das Ziel“. Aus Sicht der SPD problematisch sei gewesen, dass „die Redlichkeit der Verwendungsabsicht unterstellt wurde“ und bloß eine Erklärung in diese Richtung gefordert worden sei. Deshalb habe die SPD sich – leider vergebens – für ein Bußgeld eingesetzt, falls jemand gegen diese Erklärung verstößt.
Eine schnelle Änderung des Meldegesetzes „in großer Einmütigkeit“ sei nun geboten, dafür bitte er um die Unterstützung aller Fraktionen. Denn die öffentliche Hand sei „dringend angewiesen auf diese Daten“, die ihr mit dem neuen Meldegesetz  bereit gestellt würden.

Quelle/Autor: Christoph Müller

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

11. Juli 2012