Kretschmann erläutert Fiskalpakt im Landtag
Stuttgart. Die von der Bund-Länder-Kommission vor der Ratifizierung des europäischen Fiskalpaktes ausgehandelten Regelungen sind nach Meinung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gut für die innerstaatliche Zusammenarbeit in Deutschland. Er rechne damit, dass nahezu alle Länder am Freitag dem Fiskalpakt im Bundesrat zustimmen werden, sagte der Regierungschef an diesem Donnerstag im Landtag.
„Wir können es uns nicht leisten, ausgerechnet in Deutschland den Fiskalpakt scheitern zu lassen“, betonte Kretschmann. Europa brauche ein starkes Signal aus Deutschland an die verunsicherten Finanzmärkte und an die Euro-Partner. „Das europäische Haus hat noch nie so gebebt wie jetzt – und es steht außer Frage, dass wir es stabilisieren müssen“, erläuterte der Ministerpräsident.
Zuvor hatte Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) ausdrücklich die Information des Landtags durch den Regierungschef über die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Bundesregierung begrüßt, weil diese „das Land stark betreffen“. Wolf sagte, es dürfe keine Regelungen geben, die die Länderhaushalte zusätzlich belasten. Der Landtag ist das einzige Parlament, dass von einer Landesregierung vor der Abstimmung im Bundestag und Bundesrat über die Vereinbarungen von Bund und Ländern informiert wird.
Kretschmann wirbt für Übertragung staatlicher Kompetenzen an die EU
In seiner Rede warb Kretschmann auch für die Übertragung weiterer staatlicher Kompetenzen an die Europäische Union. Man müsse die EU stärken und ihr Hoheitsrechte abgeben, damit Europa weiter in der globalisierten Welt gehört werde. Eine dafür notwendige Grundgesetzänderung muss nach Ansicht des Ministerpräsidenten durch eine Volksabstimmung abgesichert werden.
Baden-Württemberg sei von allen Bundesländern am stärksten auf Europa ausgerichtet. „Die beiden großen Entwicklungsachsen Rhein und Donau verschränken sich hier bei uns.“ Offene Märkte, gemeinsame Währung, Rechtssicherheit und geringe Transaktionskosten würden der Exportwirtschaft des Landes jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag sparen. „Wir haben also neben einer politischen Verpflichtung auch ein wohlverstandenes wirtschaftliches Eigeninteresse, das wackelnde europäische Haus zu stabilisieren“, sagte Kretschmann.
Haushaltsautonomie der Länder soll erhalten bleiben
Der Regierungschef erläuterte im Parlament den gefundenen Kompromiss. So werde die Haushaltsautonomie der Länder erhalten. Zudem komme der Bund den Ländern bei der Eingliederungshilfe entgegen. Auch für den Ausbau der Kindertagesstätten sollen die Ländern einmalig 580 Millionen Euro für Investitionen zusätzlich und jährlich 75 Millionen Euro Betriebskosten erhalten.„Wir haben unsere Zustimmung nur erteilt, weil die Haushaltsautonomie des Landtags und die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen abgesichert sind“, erklärte Kretschmann.
CDU-Fraktionschef Peter Hauk begrüßte zwar die Einigung beim Fiskalpakt und dankte Kretschmann für die Einbindung des Landtags, forderte aber gleichzeitig Grün-Rot im Südwesten auf, die Schuldenbremse nicht erst im Jahr 2020 zu realisieren. „Wir müssen einhalten, was wir anderen abverlangen“, sagte Hauk. Er bot der Regierung an, gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die Nullverschuldung im Südwesten schon 2013 oder 2014 erreicht werden könne. „Schulden sind am Ende unsozial, ausgeglichene Haushalte sichern Selbstständigkeit“, betonte der CDU-Fraktionschef.
Hauk: Nicht an „Fußkranken und Lahmen“ orientieren
„Baden-Württemberg ist nicht Bremen, nicht das Saarland und nicht Schleswig-Holstein“, sagte der Oppositionsführer. Das Land dürfe sich nicht an „Fußkranken und Lahmen“ orientieren, sondern an Ländern wie Bayern und Sachsen. Hauk forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, neben einer nachhaltigen Umwelt- auch eine nachhaltige Finanzpolitik zu machen. Er regte einen „Fiskalrat“ für Baden-Württemberg an, der die Sparschritte überprüfen soll.
Die Einsicht zur Nachhaltigkeit komme spät bei der CDU, erwiderte Edith Sitzmann. Baden-Württemberg brauche eine stabile Haushaltspolitik, sagte die Grünen-Fraktionschefin. Auch Wolfgang Drexler (SPD) lobte Kretschmann und das Verhandlungsergebnis: „Baden-Württemberg hat keinen Basar eröffnet, sondern sich für das Haushaltsrecht des Landes eingesetzt. Der Appell fürs Sparen muss nach Ansicht von Drexler auch mit Wachstum verbunden werden. Den CDU-Vorwurf der Schuldenmacherei an die Regierung wies er zurück: «Die 43 Milliarden Euro Schulden im Land sind CDU-Schulden.“
Auch Hans-Ulrich Rülke (FDP) unterstützte die Landesregierung bei der Zustimmung zum Fiskalpakt. Die Festlegung der Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit bei 0,5 Prozent des BIP sei erfreulich und im Interesse des Landes. Rülke begrüßte das "Nein" zu Eurobonds: „Wer das europäische Haus einreißen will, für den sind Eurobonds die geeignete Abrissbirne.“