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Richter kommen 2024 etwas schneller zu ihren Urteilen

Sind Streitigkeiten um Windkraftanlagen entscheidungsreif, gibt es beim erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof Mannheim keine Wartezeit.
IMAGO/Westend61)Mannheim. Die Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg arbeiten schneller. Durchschnittlich 9,8 Monate war 2024 ein Hauptsacheverfahren bei den vier Gerichten in Freiburg , Karlsruhe , Stuttgart und Sigmaringen anhängig, bis es zur Entscheidung kam. 2023 waren es 11,9 Monate. Von einem sehr erfolgreichen Jahr für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sprach daher Malte Graßhof, Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, bei der Jahrespressekonferenz diese Woche in Mannheim .
Auch bei Verfahren rund ums Asyl brauchten die Richter im Land 7,9 Monate bis zur Entscheidung, 2023 dauerte das Verfahren noch elf Monate. Insgesamt liege Baden-Württemberg bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit nur hinter Rheinland-Pfalz, so VGH-Präsident Graßhof.
Allerdings werden diese guten Zahlen wohl im laufenden Jahr nicht zu halten sein, wie ein Blick auf die Daten bei den vier Verwaltungsgerichten zeigt. Dort kamen 2024 mehr Verfahren auf den Richtertisch, getrieben von den Asyl-Prozessen. 27 564 Verfahren fanden sich 2024 im Posteingang, knapp 6000 mehr als im Vorjahr. Davon befassten sich 17 253 mit Asylrecht, ein Plus von fast 30 Prozent zum Vorjahreswert.
Zwar gehe die Zahl der Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zurück. Allerdings ermögliche das der Behörde, Altfälle aufzuarbeiten, die dann in die gerichtliche Beurteilung gehen, so Graßhof. Er rechnet mit einen erhöhten Fallaufkommen in der zweiten Instanz und so mit längeren Verfahren.
VGH braucht für seine Verfahren 2024 etwas länger
Diese hatten sich beim VGH zeitlich ohnehin leicht ausgedehnt. Die Mannheimer Richter benötigten für die Zulassung zur Berufung 9,1 Monate (2023: 7,7 Monate), für ein Berufungsurteil 17,5 Monate (15,3) und für erstinstanzliche Normkontrollverfahren und Prozesse um Großanlagen 17,4 Monate (15,8).
Erstinstanzlich ist der VGH für die Streitigkeiten um die Genehmigungen für die Windkraftanlagen zuständig. Dort habe man angesichts der Verfahrensabläufe die geringstmögliche Dauer von 9,1 Monaten erreicht. Sofern die Angelegenheiten entscheidungsreif seien, gebe es keine Wartezeit, so der Gerichtspräsident. Aufgrund der Expertise in den Senaten, aber auch bei den Anwälten und den oft klagenden Verbänden konnten Richterin Lena Ketterer und Graßhof keine Rechtsschutzlücke feststellen.
Für längere Verfahrenszeiten könnte obendrein die neue Landesbauordnung einen Beitrag sorgen. Mit der jüngsten Novelle hat der Landtag das Widerspruchsverfahren gegen Baugenehmigungen beseitigt. Gerade bei Eilverfahren rechnet der Gerichtspräsident mit einem Anstieg der Verfahrenszahlen.
Nicht der Entwicklung hinterherplanen
Graßhof wünschte sich, dass die Politik nicht der Entwicklung hinterherplane, sondern einen ausreichend hohen Stand an Richterstellenermöglicht. Zwar hat das Land einen leichten Anstieg der Richter von 143,1 auf 147,3 Vollzeitstellen ermöglicht. Trotzdem haben die Gerichte angesichts der Fallzahlen eine statistische Richter-Deckung von 76 Prozent. Anders gesagt: Rund 46 Richterstellen fehlen.
Das ist angesichts des gewünschten Bürokratieabbaus wichtig: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit löse rechtliche Blockaden und gebe den Bürgern rechtliche Sicherheit, so Graßhof: „Wer Bürokratieabbau möchte, benötigt daher eine starke Verwaltungsgerichtsbarkeit.“
Während die Eingangs- und Erledigungszahlen bei den allgemein Verwaltungsrechtsprozessen sowie bei den Asylverfahren seit zwei, drei Jahren in der ersten Instanz wieder steigen, macht sich beim Mannheimer Obergericht noch die rückläufige Prozess-Tendenz Anfangs der 2020er Jahre bemerkbar. Bei den Verwaltungsgerichten lagen zum Jahresende 17 846 unerledigte Fälle. Das ist ein Plus von knapp einem Viertel. Beim VGH waren 952 Fälle Ende 2024 erledigt, 3,3 Prozent weniger als 2023.
Stuttgart 21, der Schleier und die Table-Dance-Bar
Darunter sind Fälle rund um Stuttgart 21, wo die Finanzierungsklage und der Streit um die Gäubahn auf eine Berufungszulassung warten. Corona-Hilfen und die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Zwischenlager Philippsburg sind ebenfalls Themen. Wie eine Table-Dance-Bar im Stuttgarter Leonhardsviertel zu beurteilen ist und ob das Fahren mit einem Niqab, einer Verschleierung, wie sie islamische Frauen tragen, erlaubt werden muss, wird den VGH 2025 beschäftigen.