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Die Todesfahrt von Mannheim – was über sie bekannt ist

Beamte der Spurensicherung untersuchen den Tatort in der Innenstadt.
dpa/Boris Roessler)Mannheim. Einmal mehr rast ein Auto in einer deutschen Stadt in eine Menschenmenge. Einmal mehr gibt es Tote zu beklagen. Und einmal mehr steht Mannheim unter Schock – nachdem es dort im vergangenen Jahr bereits zu einem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten gekommen war. Entsetzen und Trauer dürften auch den Tag nach der Bluttat beherrschen. Die wichtigsten Erkenntnisse über die Todesfahrt durch die Fußgängerzone:
Der Tatort
Die Tat ereignete sich mitten im Herzen Mannheims, der mit rund 320.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs – auf den Planken, der Haupteinkaufsstraße. Die Straße war laut Polizei nicht mit Pollern oder Absperrungen gesichert, weil es dafür keinen Anlass gegeben habe. Dort fahre die Straßenbahn entlang, zudem habe der Lieferverkehr Zugang zur Straße, sagt Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer. „Es war ein ganz normaler Tag im Stadtleben von Mannheim.“
Der Ablauf
Am Rosenmontag sind viele Menschen auf den Planken unterwegs, die Sonne scheint, Passanten besuchen den Fasnachtsmarkt mit Dutzenden Imbissbuden und Fahrgeschäften. Um 12.15 Uhr rast ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone, Hunderte Meter weit. Auf Höhe des Paradeplatzes rammt das Auto mehrere Passanten. Der Fahrer steuert nach Überzeugung der Ermittler bewusst auf seine Opfer zu. Die Polizei nimmt ihn kurze Zeit später fest. Am Ende ist der Tatort übersät mit Trümmern. Auch der schwarze Kleinwagen des Fahrers bleibt völlig demoliert zurück.
Der Täter
Es handelt sich um einen 40-jährigen Deutschen aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). Der Mann war Landschaftsgärtner. Ob er zum Tatzeitpunkt eine Arbeit hatte, wisse man nicht, sagt Staatsanwalt Romeo Schüssler. Er sei ledig, habe nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Kinder und auch nicht in einer Partnerschaft gelebt. Man gehe davon aus, dass er alleinstehend war, so Schüssler.
Der Mann ist mehrfach vorbestraft. Der Staatsanwalt berichtet von einer Körperverletzung, für die er vor mehr als zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe, außerdem habe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr gegeben. Bei der letzten Tat handle es sich um ein Hassrede-Delikt aus dem Jahr 2018: Damals sei der Mann für einen Facebook-Kommentar zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Nun wird gegen ihn wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes ermittelt. Bei seiner Festnahme soll er sich mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben. Inzwischen ist der Deutsche in Polizeigewahrsam, er wird voraussichtlich noch heute zum Ermittlungsrichter geführt. Das Auto ist auf ihn zugelassen – nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist er der Halter des Fahrzeugs.
Das Motiv
Die Todesfahrt hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler keinen extremistischen oder religiösen Hintergrund. Die Motivation könne eher in der Person des Täters begründet sein, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Laut Polizei handelte es sich um eine gezielte Fahrt, bei der bewusst mehrere Personen erfasst wurden. Die Staatsanwaltschaft verwies auf Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters, weshalb sich die Ermittler auf diesen Aspekt konzentrieren.
Die Opfer
Bei der Todesfahrt starben eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann. Es gebe keine Erkenntnisse, dass Kinder betroffen sind, sagte der Präsident des Landeskriminalamts, Andreas Stenger. Elf Menschen wurden der Polizei zufolge verletzt, mehrere von ihnen schwer. Alle Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht.
Die Folgen
Nach der Todesfahrt steht Mannheim unter Schock. Drei große Kaufhäuser in der Innenstadt bleiben am Dienstag geschlossen. Die Sängerin Maite Kelly sagte aus Respekt vor den Opfern ein für Mittwoch geplantes Konzert in Mannheim ab. Außerdem wurden mehrere für Dienstag geplante Fasnachtsumzüge in Baden-Württemberg abgesagt – nicht nur direkt in Mannheim, sondern unter anderem auch in Heidelberg und in Schwetzingen im Rhein-Neckar-Kreis.
Um Augenzeugen und anderen Betroffenen zu helfen, hat die Notfallseelsorge in der Innenstadt eine Anlaufstelle aufgebaut. „Wir gehen davon aus, dass viele kommen werden, weil gestern viele schnell nach Hause gegangen sind“, sagte Isabel Gürel von der Notfallseelsorge Mannheim. Ein besonderes Augenmerk wollen die Helferinnen und Helfer auf Mitarbeitende der Geschäfte entlang der Fußgängerzone legen.
Gemeinsam mit der katholischen und evangelischen Kirche lädt die Stadt Mannheim am späten Nachmittag (17.30 Uhr) zu einer ökumenischen Andacht in die Citykirche Konkordien ein. „Dort soll gemeinsam getrauert, der Toten gedacht und für die Verletzten gebetet werden“, teilte die Stadt mit. Neben Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) nehmen auch die evangelische Landesbischöfin Heike Springhart und der Freiburger Erzbischof Stephan Burger teil. Die Andacht trage in Anlehnung an den biblischen Psalmtext den Titel „Unter dem Schatten deiner Flügel suchen wir Zuflucht“, teilte die Erzdiözese Freiburg mit.
Die Reaktionen
Zahlreiche Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz bekundeten ihre Anteilnahme. Strobl räumte bei einem Ortsbesuch ein, dass es vollkommene Sicherheit nie geben werde. „Wir können auch nicht unsere Innenstädte zu umzäunten Festungen machen“, sagte er.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rief am Tag danach dazu auf, sich von der Tat nicht einschüchtern zu lassen. „Wichtig ist nach solchen Ereignissen, dass wir, so gut es möglich ist, immer wieder in unseren normalen Alltag zurückkehren“, sagte er beim traditionellen Froschkuttelnessen der Narrenzunft Gole in Riedlingen.
„Natürlich macht das was mit uns, aber es darf uns nicht so verunsichern, dass wir nicht mehr wissen, was hinten und vorne ist“, sagte Kretschmann in einer kurzen Ansprache. Stattdessen müsse man so leben, wie man das wolle. „Sonst haben die Täter schon den ersten Sieg errungen.“ Die Narren gedachten zudem den Opfern mit einer Gedenkminute.
Ähnlich äußerte sich der Regierungschef von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer (SPD). „Wir dürfen uns das Zusammensein, das Geselligsein, die Pflege unseres Brauchtums nicht kaputt machen lassen“, sagte er beim Empfang der närrischen Kooperation in der Mainzer Staatskanzlei. Während Mannheim zu Baden-Württemberg gehört, liegt Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz – direkt gegenüber auf der anderen Rheinseite.
Auch aus dem Ausland kamen Solidaritätsbekundungen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versicherte den Beistand seines Landes. „An alle Menschen in Mannheim, insbesondere an die Angehörigen der Opfer dieser Gewalttat, an das deutsche Volk. Frankreich steht an Ihrer Seite“, schrieb er auf X. (dpa)