Die Schönbuchbahn könnte endlich die Bremsen lösen

Die alten Dieselzüge rollen seit 1996 – bis heute. Dabei ist die Strecke seit 2019 elektrifiziert. Doch die Elektrozüge warten noch auf die Zulassung.
Michael Schwarz)Böblingen. Die Chancen des Osterhasen, in diesem Jahr die Eier mit der neuen, elektrischen Schönbuchbahn von Böblingen nach Holzgerlingen, Weil im Schönbuch (alle Kreis Böblingen) und Dettenhausen (Kreis Tübingen) zu bringen, scheinen zu steigen. Es verdichten sich die Zeichen, dass das Eisenbahnbundesamt in den nächsten Wochen den „Nexio-Zügen“ der spanischen Firma CAF, die eigens für den Fahrgastbetrieb auf der kurvenreichen Schönbuchbahn entwickelt wurden, die Zulassung erteilen könnte.
Zwei Mal wurde der Start kurzfristig abgesagt
Dann würde eine jahrelange Hängepartie enden, die zuletzt von immer mehr Frust geprägt war. „Keine Hiobsbotschaften mehr“, forderte der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos) im Mai 2024, nachdem die Inbetriebnahme das erste Mal verschoben worden war. Er sei „verbittert, wütend und stinksauer“, sagte er im Dezember 2024 in einer Sitzung des Zweckverbands Schönbuchbahn, nachdem schon alles für das große Fest bereitet war und erneut die Reißleine gezogen werden musste.
Dabei hatte alles so schön angefangen. Im Jahr 2017 bestellt, waren die zwölf schicken neuen Züge ab 2020 nach und nach aus dem spanischen Beasain gekommen. Bernhard war stolz, sein Geschäftsführer Walter Gerstner ebenso. Der Landrat verkündete gar: „Wir schreiben ein Stück weit Geschichte.“ Die Fahrzeuge seien hochmodern, preisgünstig, antriebsstark und umweltfreundlich.
Doch leider hat die Geschichte einen Haken. Das Problem sind die Bremsen beziehungsweise deren Einstellung. Die leichten Nexio-Züge hätten „nicht so richtig ins behördliche Raster“ gepasst, erläutert CAF-Geschäftsführer Ronald Lünser, „weil sie weder Stadtbahnen seien, die in der Lage sein müssen, jederzeit anzuhalten, etwa wenn jemand unerwartet über die Straße läuft, noch normale Eisenbahnzüge, für die längere Bremswege gelten“.
Folge: Sie wurden während des Zulassungsverfahrens teilweise wie eine Stadtbahn, teilweise wie eine Eisenbahn behandelt. Letztlich kam man im Eisenbahnbundesamt zum Schluss, die Kriterien für eine Stadtbahn zu verwenden. Darüber vergingen vier Jahre, während denen die Züge in Böblingen standen und immer wieder getestet wurden.
Gut 70 Millionen Euro kosten die zwölf Züge
Aktuell sind die Bremsen wie bei einer Eisenbahn programmiert – mit einem längeren Bremsweg. Deshalb dürfen die Züge zunächst nicht Höchstgeschwindigkeit fahren, also nicht 100, sondern nur 80 Stundenkilometer, solange die starken Bremsen noch nicht wieder zur Verfügung stehen. Folge: Verspätungen werden nicht einfach aufzuholen sein. Allerdings ist der Fahrplan auch mit 80 Stundenkilometer zu schaffen.
Gut 70 Millionen Euro kosten die zwölf Züge, 60 Millionen Euro entfallen davon auf den Zweckverband, den Rest steuerte das Land bei. Jedes Fahrzeug hat 94 Sitz- und 161 Stehplätze. Der wesentliche Unterschied gegenüber den bislang verkehrenden, dieselbetriebenen „Regioshuttles“: Die neuen Züge fahren mit Strom. Endlich würde sich die Elektrifizierung auszahlen, die von 2016 bis 2019 erfolgte. Übrigens auch damals nicht ohne Hindernisse. Erst mussten aufwendig Eidechsen umgesiedelt werden, dann wurden die falschen Masten geliefert.
2019 lieh der Zweckverband Elektrotriebwagen von der Deutschen Bahn, um im Verbund mit den Regioshuttles einen neuen, dichteren Fahrplan fahren zu können, teils im Viertelstundentakt. Allerdings endete die Leihe vor zwei Monaten. Nun fahren in der Hauptverkehrszeit Verstärkerbusse, die aber nur schlecht angenommen werden. Und auch die Begeisterung über die Züge ist gesunken. Galt die Schönbuchbahn nach der Elektrifizierung und ihrem Teil-Ausbau auf zwei Gleisen lange als ein Muster für Pünktlichkeit, hat diese zuletzt deutlich nachgelassen. Immer wieder fallen Fahrten aus. Parallel sind die Instandhaltungskosten für die in die Jahre gekommenen Dieselzüge gestiegen – seit 2022 um 30 Prozent.
Auch die Fahrgastzahlen haben sich nicht entwickelt wie 2019 prophezeit; zuletzt lagen sie 2023 bei 7650. Vor Corona ging man noch von nahezu doppelt so vielen, also werktäglich 14 000 Fahrgästen im Jahr 2025 aus – auch vor dem Hintergrund, dass man nach der Reaktivierung der Strecke 1996 rapide steigende Fahrgastzahlen verzeichnete. Seither galt sie als Erfolgsgeschichte, als Beispiel dafür, dass die Verkehrswende gelingen kann, wenn man nur entschlossen anpackt.
Höchste Zeit also für ein Osterwunder. Früher werde es nichts, meint Zweckverbands-Geschäftsführer Gerstner, der darauf verweist, dass ja auch noch die Lokführer eingelernt werden müssten. Doch auf eine Jahreszahl – 2025 – legt er sich schon fest. Allerdings lässt er in seiner Mail einen Smiley folgen, den man auch als Augenzwinkern deuten kann.
Weitere Informationen: Schönbuchbahn: Neue Fahrzeuge erhalten Zulassung | Staatsanzeiger BW
