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Justizgeschichte

Uracherin Magdalena Möringer bot dem großen Herzog die Stirn

Die Uracherin Magdalena Möringer zog einst gegen den württembergischen Herzog Friedrich I. vor das Reichskammergericht. Die Kupplerin, die dem Herzog junge Dienstmädchen vermittelte, gewann den Prozess und schrieb damit Justizgeschichte - obwohl sie letztlich doch leer ausging.

Die Idylle trügt: Im Kerker der Landesfestung Hohenurach wurde die Kupplerin Magdalena Möringer ohne Urteil festgehalten.

Staatliche Schlösser)

Stuttgart/Urach. Weit über die Grenzen des einstigen Residenzstädtchens Urach hinaus, war die Vorliebe des württembergischen Herzogs Friedrich I. für die Reize junger Frauen ein offenes Geheimnis.

So ließ er sich nicht nur weite Reisen, Alchemie und Goldmacherei sowie Raritäten für die Kunst- und Raritätenkammer und nicht zuletzt die Gründung Freudenstadts viel kosten. Er belohnte auch die Dienste der Uracherin Magdalena Möringer großzügig mit Preziosen und Goldstücken.

Die verwitwete Mutter von drei Kindern, 1602 von Sachsen ins Württembergische übergesiedelt, beschäftigte in ihrem Haus junge Dienstmädchen. Ihr Nebenjob: dem Herzog während seiner zahlreichen Jagdaufenthalte in den Wäldern der Schwäbischen Alb wohlgefällig zu sein.

Hofprediger kritisiert in seiner Leichenpredigt die Ausschweifung

Diesem Treiben setzte erst der frühe Tod des 50-jährigen Regenten am 29. Januar 1608 ein Ende. Jetzt gab es offenbar kein Halten mehr. Selbst Hofprediger Erasmus Grüninger rügte in der Leichenpredigt das ausschweifende Leben des Verstorbenen. Dessen Sohn und neuer Herzog Johann Friedrich handelte rasch: es ging schließlich um die Ehre der Familie.

Nur wenige Stunden nach dem Todesfall wurde die Kupplerin Möringer verhaftet, auf das Uracher Rathaus verbracht und entgegen geltendem Recht ohne Urteil auf der Festung Hohenurach eingesperrt.

Damit sie kein geheimes Wissen ausplaudern konnte, musste sie wenigstens mundtot gemacht werden. Denn selbst die herzoglichen Räte hielten die Todesstrafe für unzulässig. Lediglich an den Pranger hätte man sie stellen können, auch die Ohren abschneiden oder sie auspeitschen.

Ein solches Spektakel hätte die Amouren des Verstorbenen allerdings erst recht zum Klatschthema in Stadt und Land gemacht.

Der Fall musste also diskret behandelt werden und über die Sache musste erst mal Gras wachsen.

Vom Tübinger Hofgericht wurde die Liebesdienerin 1610 wegen angeblicher finanzieller Machenschaften verurteilt. Der eigentliche Grund war mit Rücksicht auf das Ansehen des toten Herzogs ein Tabu.

Nachdem jedoch einige Details über das Treiben des Lebemannes durch die Kerkermauern nach draußen gesickert waren, wurde Magdalena Möringer in das Markgröniger Spital zur lebenslänglichen Verwahrung verbracht.

Rasch gelang ihr jedoch die Flucht nach Speyer. Am Sitz des Reichskammergerichts fühlte sie sich sicher. Diese Institution, vom Habsburgerkaiser Maximilian auf dem Reichstag zu Worms 1495 ins Leben gerufen, war das erste von der Person eines Fürsten unabhängige Gericht.

Eine Reform ermöglichte auch Frauen eine Untertanenklage

Eine Reform im Jahr 1555 brachte auch für Magdalena Möringer eine große Chance. Die neu eingeführte Untertanenklage gegen die Obrigkeit stand ausdrücklich auch Frauen ohne die Vormundschaft des Mannes zu. Die Gerichtsordnung bestimmte zudem, „auf dass niemand Armut halben rechtlos gelassen wird“ bei Mittellosigkeit Kostenbefreiung.

Historiker sehen darin den Grund, dass es in Deutschland, anders als in England und Frankreich, nach den Bauernaufständen im 16. Jahrhundert nicht mehr zu größeren Erhebungen kam.

Mit Hilfe ihres versierten Advokaten ging Möringer ab 1615 gegen das Tübinger Urteil vor. Sie verlangte die Rückzahlung des verlorenen Vermögens und eine Entschädigung für die Haft. Drei Jahre zog sich der Prozess vor den 16 Beisitzern des Reichsgerichts hin. Er endete mit dem Sieg der Magdalena Möringer gegen den württembergischen Herzog.

Vollstrecken konnte die einstige Kupplerin das Urteil allerdings nicht. Die herzogliche Administration fand nämlich Mittel und Wege, jegliche Zahlung zu verweigern.

Tübinger Vertrag von 1514

Das Prinzip der staatlichen Gewaltenteilung durch „Checks and Balances“, erstmals 1787 in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika verankert, bestimmte auch den Verfassungsstreit in Württemberg im 19. Jahrhundert. Der Dichter Ludwig Uhland setzte sich vor allem für das „gute alte Recht“ des Tübinger Vertrags von 1514 ein. Er enthielt – einmalig im deutschen Reich – das Recht zur Auswanderung und das Zugeständnis, Straftaten nur nach „rechtmäßigem Urteil“ zu verfolgen.

Kurz nach dem Tod von Herzog Friedrich I. wurde die Kupplerin Magdalena Möringer auf der Festung Hohenurach eingesperrt. Foto: Imago/Archiv/imagebroker
Kurz nach dem Tod von Herzog Friedrich I. wurde die Kupplerin Magdalena 
Möringer auf der Festung Hohenurach eingesperrt. Foto: Imago/Archiv/imagebroker

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