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Armes Dorf, aber reich an Büchern
Reutlingen. Es war Württembergs Herzogin Franziska von Hohenheim (1748-1811), die der Kirchengemeinde in dem armen Bauerndorf 1786 einen Grundstock für die Bildung zur Verfügung stellte – wovon in erster Linie der Ortspfarrer profitieren sollte.
Die fromme Regentin suchte sich finanzschwache Gemeinden aus
Die fromme Regentin und zweite Ehefrau von Herzog Karl Eugen von Württemberg hatte sich laut einem Schreiben des Herzoglichen Kirchenrats von 1786 finanzschwache Gemeinden für den Büchersegen ausgesucht – Gemeinden, die „so wenig abwerffen, daß ein jeweiliger Pfarrer kaum davon leben“ kann.
Neben Ohnastetten kamen Pfarreien in Marschalkenzimmern bei Rottweil und in Täbingen (Zollernalbkreis) in den Genuss einer Franziska-Bibliothek. Die Bibliothek in Ohnastetten fing klein an mit zehn von Franziska gestifteten Büchern und wuchs dann um rund drei Bücher pro Jahr. Die letzten Bände wurden 1922 angeschafft. Hauptbestandteile sind Bibelwissenschaft, Kirchengeschichte, Ethik und Pädagogik.
Aber auch weltliche Literatur sollte bei Predigten und Seelsorge im Dorf helfen, etwa ein großes Lexikon, eine Geschichte der Philosophie, ein Werk über das Pflanzenleben der Schwäbischen Alb oder Dantes „Göttliche Komödie“.
Bis heute sind die mehr als 200 Evangelischen im Dorf stolz auf diesen Bücherbesitz. Dieser hat mehr symbolischen Charakter, weiß der für Ohnastetten zuständige Pfarrer Sebastian Schmauder. Denn genutzt wird die Bibliothek im Alltag nicht mehr. Auch seien die Bände zwar von historischer Bedeutung, aber keine Raritäten, da es sie auch in anderen Bibliotheken und Archiven gebe.
Vorübergehend war die Sammlung im Bestand des Dekanats Reutlingen untergebracht. Im Jahr 2000 wurde sie dort wiederentdeckt und eine Übereinkunft getroffen, sie der Albgemeinde zurückzugeben. Auflage: Ein abschließbarer Schrank mit eingebautem Lichtschutz musste her, um die Bände zu schonen.
Um dieses Mobiliar zu finanzieren, startete die Kirchengemeinde das jährlich stattfindende Franziska-Fest. Dieses Gemeindefest, an dem sich der ganze Ort beteiligt, hat sich bis heute gehalten – auch nachdem der Bücherschrank bereits finanziert war.
„Minder gute und brauchbare Bücher“ sollten verkauft werden
Bei der Gründung der Bibliothek 1786 hatte man schon im Blick, dass für die wachsende Zahl der Bücher irgendwann der Platz ausgehen könnte. Auch dafür wurde ein Verfahren festgelegt. „Minder gute und brauchbare Bücher“ sollten verkauft werden „und der Erlöß davon der ärmsten und würdigsten Familie jeden Orts gegeben werden“. (epd)