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Stimmung an Hochschulen ist so schlecht wie nie
Stuttgart/Berlin. „ Trotz anhaltender politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen blicke ich zuversichtlich und positiv ins neue Jahr“, sagte Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Freiburg in ihrer Botschaft zum Jahreswechsel. Damit ist die Rektorin der Universität Freiburg aber in der Minderheit.
Im langjährigen Vergleich hat sich die Stimmung unter den Hochschulleit ungen nämlich laut dem aktuellen Hochschulbarometer des Stifterverbands und der Heinz-Nixdorf-Stiftung weiter eingetrübt: Der Wert von 18,9 auf dem Zufriedenheitsindex liegt auf der Skala zwar im positiven Bereich; aber im Vorjahr lag er noch bei 22 und damit schon so niedrig wie nie zuvor seit der ersten Umfrage dazu im Jahr 2011 (siehe Kasten). Schlimmer geht offenbar immer noch. Vor allem die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandorts Deutschland erreicht den geringsten Wert seit Beginn der Erhebung. Und der Ausblick auf 2025 ist verhalten: Fast die Hälfte rechnet mit einer negativen Entwicklung.
Weitere Ergebnisse: Für Wissenschaftler in frühen Karrierephasen gebe es zu wenige Stellen. Gleichzeitig fehlen Personalstrukturkonzepte.
Die IT-Sicherheit in den Hochschulen ist unzureichend
Zudem sehen die Hochschulen die digitale Sicherheit ihrer Einrichtungen stark in Gefahr. Investitionen, aber auch mehr Zusammenarbeit sind nötig, um sich gegen Cyberangriffe zu schützen.
Hochschulen stehen mehr und mehr im Fokus von Cyberangriffen. Hatten die Angreifer in der Vergangenheit eher finanzielle Interessen, stehen mittlerweile auch politische Motive im Vordergrund. Klar ist: Angesichts der zunehmenden Bedrohungen müssen Hochschulen mit ihren offenen Strukturen ihre digitalen Sicherheitskonzepte dringend stärken.
Laut Befragung besteht eine gefährliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der allgemeinen Bedrohungslage und der Bedrohung der eigenen Institution. Denn nahezu alle Hochschulleitungen (97,3 Prozent) erkennen die allgemeine Bedrohung und schätzen die Sicherheitsvorkehrungen der Hochschulen in Deutschland allgemein als unzureichend ein. Lediglich 13,6 Prozent bewerten diese als eher gut.
Doch auf der anderen Seite meinen rund 62 Prozent der Hochschulen, also fast zwei Drittel, dass sie selbst im Bereich digitale Sicherheit gut oder eher gut aufgestellt sind. Das passt kaum zusammen – zumal bloß 53 Prozent, also gut die Hälfte der Hochschulen angibt, über Notfallpläne für Cyberangriffe zu verfügen. Ein weiteres Drittel plant immerhin, solche einzuführen.
Die Wissenschaftsfreiheit sehen die Hochschulen nicht in Gefahr
Eine weitere Sicherheitslücke ist die massive Nutzung privater Geräte; denn vielen Hochschulen mangelt es an notwendigen Schutzmaßnahmen in diesem Fall.
Viel zu selten werden etwa Sicherheitsschulungen für das Hochschulpersonal in Wissenschaft und Verwaltung, noch seltener solche für Studierende angeboten. Immerhin legen drei von vier Hochschulen institutionsübergreifende Back-ups wichtiger Daten an.
In einem Punkt, der in der breiten Öffentlichkeit durchaus zu Diskussionen, ja Zweifeln Anlass führt, sind die Rektorinnen und Präsidenten selbst dagegen überwiegend optimistisch: „Drei Viertel der Hochschulleitungen in Deutschland bewerten die Wissenschaftsfreiheit positiv“, heißt es beim Stifterverband. Freilich berichten sie gleichzeitig, dass Wissenschaftler nur eingeschränkt über ihre Forschungsergebnisse sprechen möchten. Warum das? Wegen der Gefahr von Angriffen und Diffamierung auf sozialen Medien, so meinen fast zwei Drittel der Befragten, und aus Sorge vor verzerrter Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse durch Medien oder öffentliche Debatten.
„Politische und gesellschaftliche Themen haben uns in diesem Jahr sehr stark beschäftigt, und sie beeinflussen auch den Alltag an unserer Universität“, sagte Rektorin Krieglstein zum Jahreswechsel. Ziel sei und bleibe es, diese „als Ort demokratischer Werte, der Mitmenschlichkeit und der Wissenschaftsfreiheit zu bewahren und zu stärken.“ Vor zehn oder zwanzig Jahren wäre das kaum eigens betont worden.
Jährlich erhoben seit 2011
Eine Art Geschäftsklima-Index der Wissenschaft: Das soll das Hochschulbarometer sein. Ein Stimmungsbild der Wissenschaft, für Verantwortliche in Politik und Wirtschaft zur Orientierung. Der Stifterverband hat dazu erstmals 2011 die Rektoren und Präsidenten von Universitäten und Hochschulen befragt. Der Verband ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein mit rund 3000 Mitgliedern; zu den Hauptförderern gehören große Konzerne. Seit 2021 hat er 44,5 Millionen Euro in Förderprogramme investiert, viel davon in Stiftungsprofessuren.