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Klamme Kassen machen den Städtetag erfinderisch
Stuttgart. Schlechte Konjunktur, schwindende Steuereinnahmen und die wachsende Aufgabenlast machen es den Städten schwer, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Dies ist das Fazit einer Umfrage des Städtetags unter den 202 Mitgliedskommunen. Knapp 90 Prozent der Rückläufer belegen Schwierigkeiten mit dem ausgeglichenen Haushalt. Städtetagspräsident Frank Mentrup sprach bei einer Pressekonferenz von „Finanzen am Abgrund: Das ist keine Polemik, das beschreibt die Realität“.
Mehr von der Mehrwertsteuer für Kommunen
Der Karlsruher SPD-Oberbürgermeister forderte strukturelle Änderungen bei der Finanzierung der Kommunalaufgaben. Ein höherer Anteil am Umsatzsteueraufkommen für Kommunen würde den Städten helfen. Mehr Flexibilität bei rentierlichen Schulden, also für Investitionen, für die Kommunen Gebühren einnehmen können, war eine weitere Forderung. Die Pflicht, Abschreibungen zu erwirtschaften, drücke die Haushalte. Diese hat das Land den Kommunen mit der Einführung der Doppik auferlegt – anders als für sich selbst, wo noch die Kameralistik gilt. Hier kann sich der OB Ausnahmen von der Pflicht vorstellen.
Schärfere Arbeitskontrolle, die es aber nicht für lau gibt
Beispiele für Belastungen der Städte hatte Mentrup zuhauf parat: „Wir sehen aggressiv steigende Kosten beim ÖPNV, den Kliniken und beim Bundesteilhabegesetz.“ Neben diesen Klassikern der Verbandsforderungen nannte Mentrup die Fünf-Prozent-Quote, die kommunale Arbeitsschutz-Kontrolleure bis 2026 bei der Überwachung der Unternehmen erreichen sollen. Der Bund habe diese Anforderung finanziell nicht unterfüttert. Obwohl das Wirtschaftsministerium mit den Kommunalverbänden einen zusätzlichen Bedarf von 285 Stellen ermittelt hat, fehlt im Landeshaushalt die Finanzierung.
Zunehmende Unfähigkeit, den Status quo zu erhalten
Bei der Schulsozialarbeit bleibe das Land hinter seinem Anspruch zurück, ein Drittel der Personalkosten zu tragen. Seit 2012 gebe es 16 700 Euro pro Stelle, die Differenz zu den heutigen Kosten von rund 8800 Euro tragen die Kommunen. Ebenso wenig gebe es eine Finanzierungszusage für den Betrieb der Ganztagesbetreuung von Grundschülern, die 2026 beginne. Immerhin habe das Land den lange geforderten Zuschuss für Investitionen eingeplant. Mentrup nannte auch die Punkte, bei denen das Land mit dem neuen Doppelhaushalt Abhilfe schaffe: Forderungen nach dem ungeminderten Bundeszuschuss für Flüchtlinge oder das Sofortprogramm für Kliniken habe das Land zwar aufgenommen, doch die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wachse trotzdem. Für Mentrup besonders ärgerlich: Die Rangeleien zur Bundestagswahl überdecken die zunehmende Unfähigkeit, den Status Quo zu erhalten. Darüber sucht er nun das Gespräch mit der Landesregierung.
Wie lässt sich Geld für die Energiewende mobilisieren?
Doch bei bloßer Klage will der Städtetag nicht stehen bleiben: Er hat ein Diskussionspapier zu einer kommunalen Schlüsselaufgabe entwickelt, der Finanzierung der Energiewende. Geschäftsführer Ralf Broß erinnerte an den Finanzbedarf in Baden-Württemberg, der sich laut Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf 98 Milliarden Euro belaufe – allerdings mit Gebäudesektor. Wie die Stadtwerke ihren Anteil stemmen, erläuterte seine Vize, Susanne Nusser. Die klassische Eigenkapitalerhöhung durch die Städte reiche nicht mehr, die Haushalte geben das nicht mehr her. Sie forderte eine bessere Finanzausstattung der Kommunen exakt zu diesem Zweck. Neben der Umsatzsteuer könne auch ein Stück vom Einnahmekuchen durch die CO 2 -Bepreisung helfen. Das würde komplexe Förderprogramm überflüssig machen.
Privates Kapital soll die Finanzierungslücke schließen
Ein Schlüssel sei privates Kapital. Mit den Sparkassen und der Landesbank erarbeite der Verband standardisierte Instrumente für institutionelle Anleger, die auf lange Frist bei stabilen, aber niedrigen Renditen investieren. Breit gestreut sollen Anteile an der Infrastruktur durch stimmrechtslose Genussscheine werden, eine Alternative zu den verbreiteten Genossenschaften. Public-Private-Partnerships will Broß nicht ausschließen. Um weitere Einkünfte zu erzielen, schlägt der Städtetag auch Nahverkehrsabgaben oder Mobilitätspässe vor, welche die Umstellung auf den Personennahverkehr finanzierten.
Klagen über Defizite
Die kommunalen Dachverbände beklagen aus verschiedenen Gründen regelmäßig die mangelnde finanzielle Unterfütterung ihrer Aufgaben durch Land und Bund. Der Landkreistag hat Ende August 2024 erstmals einen Kreisfinanzbericht herausgebracht, nach dem 80 Prozent der Kreise keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Den Negativtrend bei den Finanzen beklagten die Verbände auch nach der Steuerschätzung Ende Oktober. Damals sagte das Statistische Landesamt ein Jahresdefizit von 1,6 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte voraus.