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Tiere

Auf leisen Pfoten: Wölfe bleiben seltene Stammgäste

Baden-Württemberg ist weiter alles andere als ein Wolfsland. Die Zahl der sesshaften Wölfe ist gesunken, die der Übergriffe auch. Dennoch sorgen Zwischenfälle auf Weiden immer wieder für Aufsehen.

Ein Wolf streift durch einen Wald in Baden-Württemberg.

imago images/imagebroker)

Stuttgart . Sie streunen zwar nicht mehr so oft als Stammgäste durch die baden-württembergischen Wälder. Für politische Debatten und Unruhe unter den Schäfern und Viehhaltern sorgen Wölfe aber auch weiterhin. Dabei haben die vergleichsweise wenigen Tiere in Baden-Württemberg im Verlauf der vergangenen Monate seltener zugeschlagen und weniger Schafe und Ziegen gerissen als im Jahr zuvor, wie Zahlen aus dem Umweltministerium zeigen.

Wie viele Tiere haben Wölfe im Laufe des Jahres gerissen?

Seit Jahresbeginn wurde ein Dutzend Zwischenfälle bei Weidetieren gezählt (Stand 2.12.), bei denen Wölfe als Verursacher offiziell bestätigt wurden. Insgesamt 28 Schafe und Ziegen wurden gerissen, 11 weitere verletzt, 4 Tiere gelten als verschwunden. Im vergangenen Jahr wurden hingegen 15 Fälle mit 42 gerissenen Tieren nachgewiesen, ein Jahr zuvor waren es 29 Fälle mit 19 verendeten Nutztieren.

Welche Regionen waren besonders betroffen?

Risse gab es vor allem im Kreis Rastatt mit 5 Übergriffen. Dort streunt der Wolf mit der wissenschaftlichen Kennzeichnung GW852m als Stammgast umher, er reißt gelegentlich und vor allem rund um Forbach ein Schaf oder eine Ziege und macht den Haltern Sorgen. Das reicht bislang aber nicht, um einen Abschuss zu rechtfertigen. Zwar gilt das Tier im Murgtal als Wiederholungstäter. Aber für eine sogenannte Entnahme muss er zweimal in engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang einen ausreichenden Herdenschutz überwinden – und das war bislang nicht der Fall. Dennoch ist das Tier nach einem weiteren Fall im Forbacher Ortsteil Gausbach angezählt. 

Im Kreis Lörrach gab es zudem laut Umweltministerium drei, im Rems-Murr-Kreis zwei und im Schwarzwald-Baar-Kreis sowie im Ortenaukreis je einen Fall.

Was gibt das Land für den Schutz der Herden aus? 

Damit die Halter ihre Herden vor allem mit speziellen Zäunen vor dem Wolf schützen können, wurden laut Umweltministerium 2024 insgesamt rund 4,1 Millionen Euro ausgegeben, im vergangenen Jahr waren es weitere 4,5 Millionen Euro. Das seien Investitionen, die wichtig seien, sagt Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und wirbt für Elektrozäune und Herdenschutzhunde: Ein Schutz sei „das wichtigste Instrument, um ein konfliktarmes Zusammenleben von Wolf, Mensch und Weidetieren zu ermöglichen“, sagt sie. Deshalb würden Nutztierhalter in den Fördergebieten zur Wolfsprävention unterstützt.

Wie viele Wölfe gibt es denn im Südwesten?

Baden-Württemberg bleibt auch am Ende dieses Jahres alles andere als ein Wolfsland. Nur drei Tiere sind derzeit länger im Südwesten und gelten deshalb als sesshaft – das heißt, ihre Spuren lassen sich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten im selben Territorium verfolgen. Derzeit leben in Baden-Württemberg neben dem Rüden GW852m (Territorium „Enz“) noch die Tiere GW1129m („Schluchsee“) und GW2672m („Hornisgrinde“). Die Zahl der bestätigten Sichtungen – der sogenannten C1-Nachweise – ist binnen Jahresfrist aber gestiegen von 154 auf 171 (bis 1.12.).

Es gibt neben den drei Stamm-Regionen viele Flächen, die als geeigneter Lebensraum für Wölfe gelten. „Nach wie vor finden die Wölfe in Deutschland und den angrenzenden Ländern noch freie und – aus Sicht des Wolfes – geeignete Habitate“, sagt Wildtierexperte Michael Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg

Ein Rudel gibt es allerdings nicht mehr, weil der einzig lebend Welpe Ende des vergangenen Jahres in der Nähe des Schluchsees und das Muttertier Mitte April bei Lenzkirch überfahren wurden. Das weibliche Tier war trächtig mit mehreren Welpen. Weibchen für möglichen Nachwuchs gibt es also derzeit nicht im Südwesten.

Haben sich die Prognosen der Experten zur Zahl der Wölfe bestätigt?

Nein, nach Einschätzung des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) verlangsamt sich das Wachstum der Wolfspopulation. „Das oft behauptete exponentielle, oder gar unkontrollierte Wachstum der Wolfspopulation in Deutschland gibt es nicht“, sagt Nabu-Wolfsexpertin Marie Neuwald. Da viele weitere Regionen Deutschlands passend seien für Wölfe, aber bisher nicht besiedelt, könne es nach und nach eine weitere Ausbreitung geben.

Auch Rösler betont, das Wachstum der Wolfsrudel und der Territorien habe zuletzt zum fünften Mal in Folge unter den oft behaupteten jährlichen 30 Prozent Zuwachs gelegen.

Wo gibt es die meisten Wölfe?

Bundesweit ist die Zahl der in Deutschland nachgewiesenen Wolfsrudel im Monitoring-Jahr 2023/24 (bis 30. April) auf 209 gestiegen. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz (BfN/Bonn) hatte Brandenburg mit 58 die meisten Wolfsfamilien, gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37). Außer den 209 Wolfsfamilien wurden weitere 46 Wolfspaare sowie 19 sesshafte Einzelwölfe bestätigt.

Nach Röslers Einschätzung haben sich die Wölfe der sogenannten polnisch-norddeutschen Flachlandpopulation rasch in der norddeutschen Tiefe von Sachsen bis zur Nordsee ausgebreitet. „Erstaunlich langsam nimmt ihre Zahl hingegen derzeit im Bereich der Mittelgebirge Deutschlands und damit auch in Baden-Württemberg zu.“

Wann könnte sich das im Südwesten ändern?

Da Wölfe weiter zuwandern können, wäre eine weitere Wolfs-Familiengruppe in Baden-Württemberg aus Sicht von Experten im kommenden Jahr keine Überraschung. „Es kommen immer wieder Wölfe nach Baden-Württemberg und einige davon werden sich auch hier niederlassen, sich verpaaren und Rudel bilden“, sagt FVA-Wildtierexperte Herdtfelder. (dpa/lsw)

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