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Haushaltsdebatte

Wie kommt Baden-Württemberg aus der Krise?

Die Generaldebatte im Landtag und die Diskussion über den Etat des Innenministeriums zeigt: Alle sorgen sich um die Zukunft des Automobilstandorts und der Wirtschaft. Und die Sicherheit. Wie lässt sich das lösen?

Erste Beratung zum Haushaltsplan 2025/2026. Finanzminister Dr. Danyal Bayaz (Grüne) präsentiert im Landtag die Eckdaten.

IMAGO/Arnulf Hettrich)

Stuttgart. Es dauert ein wenig, bis die Generaldebatte über den Haushalt in Fahrt kommt. Zunächst werden sauber ausformulierte Reden vom Blatt gehalten. Doch dann regt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ziemlich über den Vorwurf der SPD auf, die Landesregierung bunkere Geld in der Rücklage, anstatt zu investieren. „Das nennt sich solide Haushaltsführung“, ruft Kretschmann den Abgeordneten zu, „ich bin froh, dass wir diese Rücklagen haben, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können. Das ist grün, und das ist schwarz.“ Damit ist man beim Kern der Etatberatungen. Die SPD mit ihrem Fraktionschef Andreas Stoch will hingegen öffentliche Investitionen. Etwa in eine „Transformationsmilliarde“, er will dazu die Rücklagen des Haushalts aufbrauchen. „Wir können es uns nicht leisten, eine Ära auslaufen zu lassen, tun Sie irgendwas“, ruft der Oppositionsführer dem 76-jährigen Regierungschef zu.

Eine Bilanz von 15 Jahren Kretschmann

Es wird Bilanz gezogen, obwohl der grüne Regent das eigentlich noch nicht will. Aber da es der letzte Etat der aktuellen grün-schwarzen Landesregierung ist, wird es grundsätzlich. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zählt sorgsam auf, dass die Zahl der Windradanlagen pro Jahr aktuell auf acht gesunken sei. „Sie schaffen noch die Null“, sagt der liberale Vormann. Die AfD mit ihrem Sprecher Anton Baron sieht gar eine „absteigende Kretschmann-Kurve“ im Südwesten, einen „Abstieg dieses Landes in den letzten 13 Jahren auf fast allen Politikfeldern“. Während die SPD eine sogenannte Zukunftsanleihe für privates Kapitel fordert und einen „Staatsfonds“ für Start-up-Unternehmen auflegen will, setzt Grün-Schwarz darauf, die Infrastruktur und das Bildungssystem zu ertüchtigen. „Das ist für mich vorausschauende, zielgerichtete Sozialpolitik“, sagt Kretschmann. Und Manuel Hagel, der starke Mann der CDU in Baden-Württemberg, listet akribisch alle Investitionen in KI-Projekte, Technologie-Leuchttürme, Polizeiinfrastruktur und Wissenschaftscluster auf: „Baden-Württemberg muss das Powerhouse sein.“

Die Automobilkrise prägt die Sorgen der Landespolitiker

Ein Thema dominiert: Die Krise der Automobilwirtschaft. Mit interessanten Zwischentönen. Während Rülke unter lautstarkem Beifall seiner FDP-Fraktion das Ende des Verbrennerverbots fordert, synthische Kraftstoffe und „Technologieoffenheit“ predigt, stößt Hagel bewusst nicht in dieses Horn, applaudiert auch bei dieser Passage nicht. Hagel setzt auf Zuversicht, verwendet den von ihm gerne und oft wiederholten Satz, dass die besten Zeiten für Baden-Württemberg nicht hinter, sondern noch vor uns lägen. Es sei ein „Haushalt der mutigen Entscheidungen“, ja, es sei an der Zeit, den Mut wieder neu zu entfachen. „Das ist das Mindset dieser Koalition, und das Mindset als CDU.“ Grün-Schwarz wähnt sich auf dem richtigen Weg, eine halbe Milliarde Euro werde in Sicherheit investiert, und man hat sich auf drei Pakete zum Bürokratieabbau verständigt.

Grün-Schwarz sieht das Land gut aufgestellt

Und Kretschmann verweist auf 170 Windkraftanlagen, die genehmigt seien, auf die verkürzten Genehmigungszeiten, während Hagel 150 Millionen Euro für Wasserstoff-Infrastruktur auflistet. Die Landesregierung kämpft um ihre Bilanz, will sich als handlungsfähig präsentieren. Die Opposition sieht wie zum Beispiel Rülke eine „Bilanz der Versäumnisse“ und verweist auf die seit neun Jahren immer schlechter werdende Position von Baden-Württemberg in Bildungsrankings. „Ich frage Sie, wenn im Land 60 000 Kita-Plätze fehlen, wie sollen dann die Bildungsbiografien weitergehen?“, sagt Stoch.

Die Strategiedialoge der grün-schwarzen Regierung wiederum seien nur Palaver ohne Ergebnis, sagt Rülke und sieht Haushaltstricks, wenn man Investitionen in die Infrastruktur als „implizite Verschuldung“ verbräme. Der grüne Fraktionschef Andreas Schwarz widerspricht: „Wir arbeiten hart daran, die Automobilbranche zukunftsfähig aufzustellen.“ Es wird deutlich, dass die kriselnde Wirtschaft und die Energieversorgung das Hauptthema sind, darum kreist derzeit die Sorge der Landespolitiker.

Eines fällt auf: Bis auf die AfD-Fraktion, die ihre Invektiven von „grünen Raubrittern“ abspult, die aber von kaum jemanden im Parlament noch registriert werden, bleibt der Tonfall trotz aller Schärfe in der Sache wohltuend respektvoll.

Das gilt auch für die Debatte um den Etat von Innenminister Thomas Strobl. Doch auch da testet die AfD die Grenzen des Sagbaren aus. Ihr innenpolitischer Sprecher Daniel Lindenschmid wirft der Landesregierung vor, sie hätte den Tod von Rouven Laur verhindern können, wenn sie die Polizei mit Tasern ausgestattet hätte. Der Polizeibeamte, der am 2. Juni von einem mutmaßlichen Islamisten in Mannheim erstochen wurde, könne noch leben. „Eine Familie könnte noch ihren Vater, Ehemann und Sohn in ihren Reihen wissen.“ Strobl reagiert scharf: Lindenschmid missbrauche Laur für seine Zwecke und kenne sich nicht einmal in dessen Familienverhältnissen aus. „Das ist einfach schäbig.“

Für seinen letzten Etat wird Strobl sogar von der Opposition gelobt

Kritik ganz anderer Art bekommt der Innenminister zu hören, als es um die Digitalisierung geht, die ebenfalls zu seinen Aufgaben gehört. In dieser Hinsicht befinde sich das Land noch in den Neunzigerjahren, so Jonas Hoffmann (SPD) – mit Faxgerät, Papierantrag und Kupferkabel.

Baden-Württemberg liege beim Glasfaserausbau auf dem letzten Platz der Flächenländer, ergänzt Daniel Karrais (FDP). Strobl beschränke sich auf die Verteilung von Förderbescheiden. Wenn er dem Digitalisierungsminister ein Zeugnis schreiben müsse, würde dort stehen: „Herr Strobl war stets redlich bemüht.“

Der so Gescholtene ignoriert die Kritik in Sachen Glasfaser und nimmt sich stattdessen die FDP im Bund zur Brust. 1,1 Milliarden Euro habe das Land im aktuellen Doppelhaushalt vorgesehen, so Strobl. Dies sei der gleiche Betrag, den der Bund unter dem damaligen Bundesfinanzminister für die ganze Republik vorgesehen habe. „Digitalisierung first“, habe die FDP „mal getutet“. Doch herausgekommen sei wenig.

Im Übrigen betont Strobl, wie hart er für sein Budget gekämpft habe und dass jetzt 160 Millionen Euro in die Digitalisierung der Polizei und eine halbe Milliarde Euro in ihre Ausstattung flössen. Peter Seimer (Grüne) sekundiert, dass inzwischen keine Streife mehr ohne Smartphone rausgehe. Karrais genügt dies nicht. Die Polizei verfüge landesweit nur über 200 Tablets. „Haben Sie einmal versucht, Verkehrsunfalldaten oder Zeugenaussagen mit dem Smartphone aufzunehmen?“, fragt der Liberale in Richtung Seimer und ergänzt: „Kann man alles machen – keine Frage –, aber praktikabel ist es nicht.“

Strobl: Baden-Württemberg ist sicher

Souveräner präsentiert sich Strobl auf seinem angestammten Terrain, der Innenpolitik. „Nirgendwo lebt es sich so sicher wie in Bayern und in Baden-Württemberg“, sagt er und fährt fort: „Wir werden alles dafür tun, dass das genau so bleibt.“

Dafür muss aber auch die Bezahlung stimmen. Das findet Sascha Binder (SPD). Doch weder die Zulage für den lageorientierten Dienst noch die allgemeine Polizeizulage würden erhöht. Dabei wäre dies doch wichtig gewesen, um den Polizisten zu zeigen, dass sie nicht nur in Sonntagsreden etwas zählten. Auch angesichts der Führungskrise um den ehemaligen Inspekteur der Polizei. Doch auch dieses Thema bewegt die Gemüter längst nicht mehr so wie noch vor ein paar Jahren. Die Zeiten, da Strobl deswegen zum Rücktritt aufgefordert wurde, scheinen vorbei zu sein.

Stattdessen bekommt er Lob von ungewohnter Seite zu hören. Julia Goll (FDP) räumt ein, „dieses Mal haben Sie ein paar mehr Chancen wahrgenommen“ als noch im letzten Doppelhaushalt. Und Binder lobt die Polizei dafür, dass sie ein mögliches Attentat auf den Mannheimer Weihnachtsmarkt vereitelt hatte. Was zwar kein ausdrückliches Lob für Strobl enthält, aber auch keinen Tadel. Die Opposition scheint altersmilde geworden zu sein. Lob gibt es auch für die finanziellen Anstrengungen, die das Land unternimmt, um den Katastrophenschutz zu stärken.

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