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Künstliche Intelligenz als Kuratorin
Weil am Rhein. Künstler und Kunstwerke geraten fast in den Hintergrund bei der neuen Ausstellung in der Galerie Stapflehus in Weil am Rhein. Bis zum 19. Januar ist dort im Rahmen der Regionale, der trinationalen Kunstausstellung im Dreiländereck Schweiz, Deutschland, Frankreich, die Ausstellung „Grenzen“ zu sehen. Das Besondere: Die Auswahl von Künstlern und Kunstwerken erfolgte über Künstliche Intelligenz.
„Die KI als Kuratorin ist eine Art Experiment, aus dem wir Erkenntnisse gewinnen wollen“, sagt Patrick Luetzelschwab, Leiter der städtischen Galerie Stapflehus. Das Setting: das KI-Programm CHatGPT in einer erweiterten Version liest die Künstlerbewerbungen und wählt Künstler aus.
Viele Standpunkte und Genres sind in der Schau dabei
„Fragt man nach der Begründung der Auswahl, erklärt die KI etwa, dass sie den Begriff Frontière/Grenze oder die Herkunft des Künstlers als Auswahlkriterium einbezogen hat“, sagt Luetzelschwab. Präsentiert wird eine breite Palette von Standpunkten und Genres. 18 Künstlern aus der Region sind so zusammengekommen, davon zwölf, die selbst Grenzen überschritten haben: Elzara Oiseau etwa stammt aus der Ukraine und setzt sich künstlerisch mit dem Verlust ihrer Heimat auf der Halbinsel Krim auseinander. Pavel Aguilar ist in Honduras geboren und präsentiert eine Videoinstallation: ein Hahn kämpft gegen sein Spiegelbild, sein Kampf um Dominanz wird zum Spiegel von Ansprüchen auf Macht und Raum. Der aus Russland stammende Künstler Aleksey Shchigalev ist mit einem Künstlerbuch vertreten, Annett Andersch aus Deutschland arbeitet mit Papier und Stoff. „In der Endauswahl war es so, dass von den 18 von der KI ausgewählten Künstlern zwei sind, die ich selbst nach Sichtung der Bewerbungen ausgewählt hätte“, sagt Luetzelschwab. „Doch auch bei einem menschlichen Kurator stecken immer eigene Ideen, der eigenen Geschmack drin.“
Insgesamt gab es 900 Einreichungen. „Hier kann KI als Werkzeug dienen“, so Luetzelschwab: „Sie macht die Datenanalyse, wenn eine Grundlage, das heißt gut aufbereitete Daten, da ist. Aber: Über die Qualität des Kunstwerks kann die KI kein Urteil fällen.“ Und um die Künstler mit ins Boot zu holen, braucht es Dialog. „Um Künstler mit der Ausstellung zu identifizieren, ist die Begegnung von Mensch zu Mensch wichtig. Erst so entsteht ein Gefühl dafür“, sagt Luetzelschwab.
KI bringt Freiraum für den eigentlichen Kurator
Mit KI ließen sich Daten analysieren, was den Freiraum schaffe, „die Zeit zu haben, den Menschen hinter dem Kunstwerk kennenzulernen“. Gleichzeitig werden im Experiment Grenzen der KI deutlich – und Ängste, die Menschen im Umgang damit haben. Teil der Ausstellung sind deshalb eine Reihe von Vorträgen und Diskussionsforen. Schlussendlich sei KI „Partner im kuratorischen Prozess, der neue Perspektiven eröffnet und zur Vielfalt der Ausstellung beiträgt,, ohne die unersetzbare menschliche Intuition und emotionale Tiefe zu verdrängen“, sagt Luetzelschwab. Einen Nerv getroffen hat das Ausstellungskonzept jedenfalls. Allein bei der Eröffnung waren 200 Menschen.