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Basel gibt „Twelve Points“ für den Song-Contest
In Basel kann die ESC-Party steigen. Der Volksentscheid erlaubt dem Schweizer Kanton, eine internationale Popmusiksause für knapp 38 Millionen Schweizer Franken zu schmeißen. Das Begehren, das Geld zu sparen, angestoßen durch die Kleinstpartei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU), ist vergangenen Sonntag gescheitert.
Erleichterung und Zuversicht
Die Erleichterung darüber war dem Regierungspräsident Conradin Cramer anzumerken. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen sagte der Chef der Kantonalverwaltung: „Dass zwei Drittel der Baslerinnen und Basler hinter dem ESC stehen, ist eine Genugtuung.“ Und auch auf deutscher Seite dürfte in den Rathäusern jetzt Zuversicht herrschen.
Bereits mit Bekanntwerden, dass nach dem Schweizer Sieg von Nemo Basel 2025 Austragungsstätte des größten Musikspektakels der Welt wird, hat die Verwaltung in Weil am Rhein eine Arbeitsgruppe gebildet, die alle Fragen zum ESC für die Stadt klärt. Und der Lörracher OB Jörg Lutz (parteilos) trat sogar im Werbevideo für einen ESC in Basel als Stimme der Region auf.
Ausgewachsenes Musikfestival
Beim Liedwettbewerb geht es nicht bloß um ein TV-Spektakel, das zuletzt mehr als 160 Millionen Menschen rund um den Globus erreicht hat. Um zwei Halbfinals und die Endausscheidung herum, die am 17. Mai stattfindet, gibt es traditionell viele Festivitäten, Fan-Treffen, öffentliche Proben, Konzerte und Public Viewings. Der ESC ist ein Musikfestival, das Tausende Anhänger aus aller Welt anzieht.
Auch hierauf bereiten sich die deutschen Nachbarstädte vor. Für den Einzelhandel und das Gastgewerbe dürften im Mai hoffnungsfrohe Zeiten anbrechen, sind sich die beiden Grenzstädte Weil und Lörrach sicher. Doch es geht auch um ideelle Werte. Das Motto lautet nämlich „Crossing borders“ − Grenzen überwinden. Das kommt im Dreiländereck selbstverständlich gut an, und so sieht man in Weil die Region als idealen Austragungsort, um Kunstschaffende aus vielen Ländern zusammenzubringen und musikalische Vielfalt zu erleben.
Gesellschaftliche Diversität
Doch beim ESC steht nicht nur die musikalische, sondern auch die gesellschaftliche Vielfalt im Mittelpunkt. Die schwule Community feiert des ESC als eines ihrer Hochfeste im Jahreslauf. Queere Künstler haben immer wieder den Wettbewerb geprägt, seit die israelische Transfrau Dana International 1998 den ESC gewann. Beim Finale heuer in Malmö holte sich Nemo als nicht binäre Person mit dem Lied „The Code“ den Pokal – der erste Mensch gewann den ESC, der sich öffentlich weder vorrangig als Mann noch als Frau definiert.
Bei derlei geschlechtlichem Vielerlei verstehen einige aber keinen Spaß. So prangerte die christlich-nationalistische EDU die Ausgaben der Stadt für das Spektakel per Referendum an. Nicht genug, dass man eine Zurschaustellung von Lebensentwürfen abseits der bürgerlichen Norm erdulden solle. Beim ESC werde gar öffentlich Satanismus zelebriert. Stein des Anstoßes war Bambie Thug, ebenfalls eine nichtbinäre Person, die mit viel Weiß im Gesicht und Stroboskop-Geflimmer 2024 auf der ESC-Bühne zum Titel „Dommsday Blue“ nicht gerade lebensbejahend auftrat – was im Herkunftsland, dem stockkatholischen Irland, trotzdem zu einem einmütigen „Go“ im Vorentscheid führte.
Abgelehnter Exorzismus
Doch das Wahlvolk durchschaute den Auftritt als Schmink- und Beleuchtungsexzess und lehnte am Sonntag die EDU-Forderung nach Exorzismus für den ESC ab. Allerdings gab es mehr Nein-Sager beim Referendum als beim Votum im Stadtparlament, das dem Volksentscheid vorausging. 33,4 Prozent der Wahlteilnehmer lehnten Geld für die ESC-Party ab, knapp fünf Prozent der Stadtparlamentarier verweigerten sich dem ESC − im Parlament herrschte eine größere Partylaune als im Volk.
Davon unbenommen freuen sich die deutschen Städte am Rheinknie auf die Mega-Show, die bis nach Australien übertragen wird. „Die Ausrichtung des ESC wird Basel, aber auch dem gesamten Dreiländereck internationale Aufmerksamkeit und Bekanntheit bringen“, heißt es aus dem Lörracher Rathaus-Hochhaus. Und der Sprecher der Weiler Verwaltung ergänzt: „Der Werbeeffekt für unsere trinationale Grenzregion ohne Grenzen im Herzen Europas ist riesig.“