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Sind zwei Verwaltungsebenen überflüssig?
Stuttgart. Winfried Kretschmann regierte sehr zurückhaltend auf die die Ideen auf der wöchentlichen Pressekonferenz. Sie seien vage und nicht präzisiert. Dann lässt er sich aber doch hinreißen und erinnert daran, dass Grüne und CDU im Koalitionsvertrag „tiefe Verwaltungsreformen“ ausgeschlossen haben. Und er hat dann doch einen Ratschlag für seinen möglichen Nachfolger: „So was muss man tief durchdenken.“
Eines ist klar: Der Vorstoß erregt Aufmerksamkeit. In einem Podiumsgespräch Woche hatte Hagel die Zustände im Land beklagt und eine „Föderalismuskommission nach unten“ ins Spiel gebracht, weil es zwischen den Bürgern und den Unternehmen in Baden-Württemberg bis hin zum Land mit den Ministerien und Landesoberbehörden fünf Verwaltungseinheiten gebe: Kommunen und Kommunalverbände, die Landkreise, Regionalverbände, Regierungspräsidien und Landesoberbehörden. Weshalb „im Durchschnitt jeder dritte Vorgang bei uns im Land mindestens zwei Mal artgleich bearbeitet wird“, mutmaßt Hagel. Er finde, „da können mindestens zwei weg“.
Der 36-Jährige hat noch nicht erklärt, ob er den grünen Spitzenkandidaten Cem Özdemir für die Landtagswahl im übernächsten Frühjahr herausfordern wird. Allgemein gilt aber als sicher, dass es spätestens im kommenden Frühjahr so weit sein wird. Deshalb haben seine Pläne besonderes Gewicht.
Hagel will „die Fesselung durch Rechtsnormen“ zurückdrängen und so die Funktionsfähigkeit des Staates verbessern. Gerade bei den kommunalen Spitzenverbänden rennt er prinzipiell offene Türen ein. Der Gemeindetag verlangt allerdings anzuerkennen, dass ein gemeinsames Bewusstsein von Politik und Gesellschaft in die begrenzte staatliche Leistungsfähigkeit notwendig für einen solchen Veränderungsprozess sei. Der Staat könne eben nicht alles leisten, unabhängig von Zuständigkeiten, Verwaltungsstrukturen und Größen, deshalb müssten „Verwaltungsvorgänge vereinfacht und verkürzt werden“.
Gemeindetag spricht sich für eine konsequente Deregulierung aus
Der Gemeindetag Baden-Württemberg erinnert auf Staatsanzeiger-Anfrage auch an ein zwei Jahre altes Positionspapier, in dem er unter anderem feststellt, es gehe um Grundlegendes und die Leistungsfähigkeit des Staates als einen elementaren Vertrauensfaktor. „Freilich wird eine Verwaltungsreform allein nicht die erwünschten Erfolge bringen, solange die öffentliche Hand die schiere Fülle an staatlichen Aufgaben nicht mehr bewältigt bekommt und sie in einem Normendickicht feststeckt“, gibt der Präsident des Landkreistags Joachim Walter (CDU) zu bedenken. Es bedürfe einer konsequenten Deregulierung. Wenn „der gordische Knoten“ bei Aufgaben- und Standardabbau durchschlagen werde, dann mache eine Reorganisation und schlankere Aufstellung der Verwaltung doppelt Sinn, sagt Walter weiter.
Winfried Kretschmann hält die Mittelbehörden für unverzichtbar
„Derart große Einschnitte kann man nur verkünden und nicht ankündigen“, meint Norbert Brugger, der langgediente Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg. Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) habe seine Verwaltungsreform im kleinsten Kreis ausgearbeitet und erst nach Fertigstellung publik gemacht, dass es das Vorhaben überhaupt gibt.
Hagels überraschende Aussage wird bereits breit diskutiert, zum Beispiel, dass und wie die vier Regierungspräsidien des Landes in den Ministerien aufgehen könnten. Kretschmann hält dies nicht für möglich. Die Mittelbehörden seien unverzichtbar. Sie abzuschaffen nennt er „vollkommen ausgeschlossen“, denn dann wären die Ministerien „im operativen Feingeschäft, und das ist keine gute Idee“.
Hagel hat jedenfalls eine Debatte angestoßen, die in die nächste Legislaturperiode hereinreichen wird. Der Blick zurück lehrt, dass das Land mehrere Umbauten erfolgreich bewältigt hat, unter anderem die von der Großen Koalition aus CDU und SPD zwischen den Jahren 1968 und 1972 beschlossene Kreisreform.
Schon in den 1970er-Jahren war zudem über die Abschaffung der Regierungspräsidien und die Verlagerung vieler Aufgaben an die Kommunen diskutiert worden. Die SPD hatte die Schaffung von Großkreisen gefordert. CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger wollte aber doch keine konkreten Vorschläge präsentieren. Dieser Plan verlief im Sande.