Höhere Wertgrenzen

Strobl will kommunalen Beschaffern mehr Freiheit verschaffen

Das Innenministerium will kommunale Vergaben erleichtern. Wie Innenminister Thomas Strobl ankündigte, soll es eine deutliche Erhöhung der Wertgrenzen geben, ab denen Beschaffer in baden-württembergischen Städten und Gemeinden förmliche Vergabeverfahren durchführen müssen. Die Städte sehen damit ihre Forderungen erfüllt.

Aufträge mit geringerem Volumen wie die Beschaffung von Büromaterial können ohne Vergabeverfahren leichter direkt vergeben werden.

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Stuttgart . Zum 1. Oktober hatte die Landesregierung die „VwV Beschaffung“ reformiert und dabei die Wertgrenzen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen des Landes im Unterschwellenbereich deutlich erhöht. Dies zielte allerdings nur auf die Landesbehörden. Seitdem hatten die Kommunalverbände Druck gemacht, um ähnliche Erleichterungen bei der Vergabe zu erhalten. Mit Erfolg. Aktuell überarbeitet das Innenministerium die Verwaltungsvorschrift über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (VergabeVwV).

Direktvergaben sind künftig bis 100 000 Euro möglich

„Wir wollen unnötige Bürokratie abbauen, Regelungen auf das Nötigste begrenzen und den Kommunen möglichst viel Freiheit geben, um ihre Aufgaben zu erledigen“, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Man arbeite daran, dass die Kommunen im Land Bauleistungen sowie Liefer- und Dienstleistungen künftig bis zu einem Betrag von 100 000 Euro direkt beauftragen können – also, ohne ein Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Bisher war dies lediglich bis zu einem Auftragswert von 10 000 Euro möglich. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Anfang des kommenden Jahres eine Entscheidung bekannt geben können“, sagte Strobl. Je nach geschätztem Auftragswert ist für Aufträge mit geringerem Volumen unterhalb der EU-Schwellenwerte ein bestimmtes Verfahren einzuhalten, etwa Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb. Hier fordert der Auftraggeber eine beschränkte Anzahl, mindestens drei Unternehmen zur Abgabe eines Angebots auf (bei einer öffentlichen Ausschreibung wird dagegen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert). Auch für dieses Verfahren sollen nach den Plänen des Innenministeriums die Wertgrenzen erhöht werden: Im Baubereich auf eine Million Euro. Bei Liefer- und Dienstleistungen auf 221 000 Euro. Auch für die Freihändige Vergabe von Bauleistungen, sowie für die Verhandlungsvergabe bei Liefer- und Dienstleistungen werden die Wertgrenzen erhöht.

Innenministerium pocht auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

Das Innenministerium pocht allerdings auf die Einhaltung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zudem verlangt es von Beschaffern, bei Auftragsvergaben zwischen den beauftragten Unternehmen zu wechseln. Ob gerade kleinere Gemeinden und Beschaffungsstellen die Grundsätze der Vergabe konsequent beachten, ist unter Vergabeexperten umstritten.

Innenminister Strobl gewährt hier einen Vertrauensvorschuss: „Wir setzen darauf, dass Landrätinnen und Landräte, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sehr verantwortungsbewusst handeln und ein Eigeninteresse haben, sparsam und wirtschaftlich zu sein.“

Das Innenministerium hat die Erleichterungen bis Oktober 2027 befristet, und will prüfen, ob damit vor Ort verantwortungsvoll umgegangen wird. Den Vertrauensvorschuss des Innenministers hält Sebastian Ritter, Dezernent für Bau- und Ordnungsrecht beim Städtetag Baden-Württemberg für gerechtfertigt. Schon seit Längerem drängen die Städte auf höhere Wertgrenzen. „Die Beschaffer haben so mehr Flexibilität und können Prozessabläufe und Kosten optimieren“, erklärt Ritter. Es sei allerdings auch nicht so, dass jeder künftig tun und lassen könne, was er wolle, schränkt er ein. „Beschaffer sind zwar freier, die Spielregeln zu gestalten, sie müssen aber immer die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einhalten.“

Der Jurist rät Städten, ihre internen Vergaberegelungen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. „Wenn der Verordnungsgeber einen Direktauftrag bis einhunderttausend Euro zulässt, dann heißt das nicht automatisch, dass jede Stadt oder Gemeinde das auch so umsetzen muss“, sagt er. Der Spielraum, den das Land eröffne, müsse nicht voll ausgeschöpft werden. Ritter gibt zu bedenken, dass die Fehleranfälligkeit steigt, wenn jemand ein Vergabeverfahren durchführt, der das relativ selten macht. „Die Städte könnten etwa für Fachämter, die selten mit Vergabeverfahren zu tun haben, intern niedrigere Wertgrenzen festlegen. Für zentrale Vergabestellen, die mehr Beschaffungsfälle bearbeiten und mehr Wissen und Praxis besitzen, könnten sie dagegen höher sein.“

Einen Punkt gilt es laut Städtetag allerdings noch zu klären, nämlich wenn staatliche Fördergelder mit im Spiel sind. „In manchen Zuwendungsbescheiden findet sich die Einschränkung, dass Direktaufträge ausgeschlossen sind“, sagt Ritter. Damit würden die Erleichterungen, die man jetzt schaffe, ad absurdum geführt. „Wenn die Städte eigene Mittel einsetzen, dann können sie die Erleichterungen nutzen. Nicht aber, wenn Mittel des Landes im Spiel sind“, sagt er. Für Beschaffer sei es schwierig, mit zweierlei Maß zu messen. Darüber will der Städtetag mit dem Finanzministerium noch einmal sprechen.

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