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FDP

Rülke rechnet mit Wissing ab

Baden-Württembergs Liberale stehen vor bewegten Wochen: Das Aus der Ampel sorgt für Unruhe, der Bundestagswahlkampf muss organisiert werden und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke will Anfang Januar auch Landesvorsitzender werden. Am kommenden Wochenende findet die Landesvertreterversammlung mit der Aufstellung der Landesliste für den Bundestag statt.

Ein Bild aus besseren Tagen: 2016 saßen Hans-Ulrich Rülke und Volker Wissing noch im Parteivorstand. Jetzt gehen sie getrennte Weg.

dpa/Jörg Carstensen)

Stuttgart. Eine wichtige Entscheidung ist gefallen, denn Rülke wird keinen Gegenkandidaten auf dem traditionellen Dreikönigsparteitag haben. „Der Landesverband hat Uli Rülke erneut das Vertrauen ausgesprochen“, freut sich Judith Skudelny, Generalsekretärin der Südwestliberalen. Denn bis Fristablauf hätten sich keine weiteren Kandidaten gefunden.

Immerhin hätten Basisvertreter oder Gremien die Chance gehabt, einen Herausforderer für die Wahl zu benennen. Die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete will ihrerseits die Südwest-Liberalen als Spitzenkandidatin in die vorgezogene Bundestagswahl führen.

Am kommenden Samstag findet die Landesvertreterversammlung mit der Aufstellung der Landesliste für den Bundestag statt, sechs Wochen später der traditionelle Dreikönigsparteitag der Südwest-FDP mit der anderntags folgenden Parade der FDP-Prominenz aus Bund und Land.

Ende der Ampel in Berlin bestimmt die aktuellen Debatten mit

Mitbestimmt werden alle gegenwärtigen Debatten allerdings nicht nur von Personalfragen, sondern auch vom Ende der Berliner Dreierkoalition und der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar. Rülke, der im Landtag seit vielen Jahren den Ruf als offensiver Angriffsspieler hat, erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Von dem erzählt er, dass er bereits dem 18-Seiten-Papier des Bundesvorsitzenden Christian Lindner zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen, die Grundlage der Arbeit der Koalition bis zu den regulären Wahlen im Herbst hätte werden sollen, nicht zugestimmt hat.

Und er wirft dem inzwischen ausgetretenen früheren Liberalen vor, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Vorgänge in der FDP informiert zu haben. Auf die Journalistenfrage, ob es dafür Belege gebe, erklärte der Landtagsfraktionschef, er habe keine Informationen darüber, „aber einen Intelligenzquotienten oberhalb der Grasnarbe, und ich kann eins und eins zusammenzählen“.

Noch härter ins Gericht geht Rülke mit den beiden Zeitungen, die als Erste über die wochenlangen Vorbereitungen der Liberalen auf den Bruch der Bundesregierung berichtet hatten. Der 63-Jährige argumentiert auch mit seiner Verankerung in der Parteispitze und den daraus resultierenden Kenntnissen. Er ist bereits seit Jahren der gewählte Sprecher der Fraktionsvorsitzenden aus den Ländern und in dieser Funktion auch Teil des Präsidiums der Bundespartei.

Rülke erhebt schwere Vorwürfe gegen Wissing und Zeitungen

Er sei nicht Mitglied im F-Kabinett, so Rülke vor Journalisten in Stuttgart, also der Runde der FPD-Mitglieder im Bundeskabinett. Er gehe aber davon aus, dass dort nicht anders diskutiert worden sei als im Präsidium. Auch habe es „keine Papiere“ gegeben und Begriffe wie „D-Day“ oder „Torpedo“ seien im Gegensatz zur Presseberichterstattung nicht verwendet worden.

Die „Zeit“ und die „Süddeutsche Zeitung “ forderte er deshalb auf, die von ihnen erwähnten Papiere vorzulegen. Besonders scharf kritisiert der frühere Studienrat die medialen Recherchen in einem Punkt: Er halte es „mit Verlaub für eine Erfindung“, dass die Süddeutsche Zeitung mit sieben Personen aus der FDP geredet habe. Dies sei „eine Nebelkerze, um den einen Mann, den man als Quelle hat, zu schützen“. Und dieser Mann sei erkennbar der Minister, der die Ampel nicht verlassen habe.

An der Parteibasis wird allerdings durchaus von Unruhe berichtet. Es gibt aber auch Neueintritte in die Partei, wie es heißt. Gerade die Südwest-FDP müsse und werde an Dreikönig aber „Standfestigkeit beweisen“, prognostiziert ein erfahrenes Vorstandsmitglied. „Ich glaube“, sagt auch Pascal Kober auf Staatsanzeiger-Anfrage, „dass die Partei große Lust auf Wahlkampf hat, auf ein geschlossenes Auftreten und mit Kampfesmut in die kommenden Wochen geht.“

Die FDP ist in ihrem Stammland noch nie aus dem Parlament geflogen

Der Reutlinger Bundestagsabgeordnete Pascal Kober, der ursprünglich auch mit dem Landesvorsitz liebäugelte, bewirbt sich auf dem Dreikönigparteitag um das Amt seines Ersten Stellvertreters. Naturgemäß ganz andere Ziele verfolgt Rülke und sieht auch gute Chancen. „Für unsere Inhalte wird er reichen“, sagt er optimistisch und im Wissen, dass der baden-württembergische Landesverband ein besonders gutes Ergebnis liefern muss für einen Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestag.

Außerdem wundert sich der Fraktions- und voraussichtlich künftige Landtagchef über die Diskussion zum Winterwahlkampf. CDU-Generalsekretär Casten Linnemann hatte verlangt, den Wahlkampf auf Weihnachtsmärkten und über Weihnachten ruhen zu lassen und erst mit Jahresbeginn wieder zu starten.

In Baden-Württemberg gebe es – angesichts des Wahltermins – seit Jahren einen Winterwahlkampf. Man habe gute Erfahrungen, er selber mit Haustürwahlkampf, „und ich hab’s überlebt“. Für Ratschläge steht er ohnehin zur Verfügung, denn die FDP ist in ihrem Stammland noch nie aus dem Parlament geflogen und hat nach Gründung des Südweststaats sogar den Ministerpräsidenten gestellt. Der notwendige Rückenwind für den Start ins politische neue Jahr und diesmal auch den kurzen Wahlkampf soll wie immer das Dreikönigstreffen im Großen Haus der Württembergischen Staatstheater bringen. Dazu muss noch ein Bundesparteitag stattfinden, um Lindner zum Spitzenkandidaten zu küren und ein Wahlprogramm zu verabschieden. Womöglich hat es kaum mehr als 18 Seiten.

CDU-Abgeordneter warnt vor Schwarz-Gelb

Aufhorchen lässt der Heilbronner CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm mit seiner Warnung vor einer schwarz-gelben Koalition. Die FDP sei „alles andere als ein natürlicher Partner“ für die Unionsparteien. Gerade in der Gesellschafts- und Innenpolitik gebe es „nahezu keine Gemeinsamkeit“. Throm kritisierte die FDP-Positionen zur Einbürgerung sowie ihre „Datenschutz-Ideologie“, zudem spielte er unverblümt auf die Möglichkeit an, dass die FDP den Einzug in den Bundestag verfehlt: „Bleibt sie draußen, reichen zwei Parteien zur Regierungsbildung.“

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