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Porträt: Alexander Dörr

„Ins Vergaberecht gehören keine Beschaffungsziele“

Das komplexe Vergaberecht bringt viele öffentliche Auftraggeber an ihre Grenzen. Entsprechend haben Vergabejuristen wie Alexander Dörr von Menold Bezler viel zu tun. Seit elf Jahren berät er die öffentliche Hand bei großen Beschaffungsvorhaben. Auftraggeber ermutigt er, auch alternative Beschaffungsmodelle zu nutzen.

Als Fachanwalt für Vergaberecht begleitet Alexander Dörr jährlich mit seinem Team über 100 Vergabeverfahren im Bauwesen.

Menold Bezler)

Stuttgart . „An manchen Stellen wird es ohne rechtliche Beratung wirklich schwierig“, sagt Alexander Dörr. Dass das Vergaberecht komplex geworden ist, spüren auch die Juristen der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler. „Jede Vergaberechtsreform bringt neue Vorschriften“, sagt Dörr. Und damit nehme die Fehleranfälligkeit in den Verfahren zu, sagt der 40-jährige Jurist. „Unser Ziel ist es, in diesem Dschungel vergaberechtlicher Vorschriften darauf zu achten, ein Vergabeverfahren nicht noch komplizierter zu machen und es am Grundsatz des Vergaberechts auszurichten: Nämlich eine wirtschaftliche Beschaffung zu ermöglichen.“

Drei verschiedene Verordnungen für ähnliche Prozesse

Ginge es nach Dörr, könnte der Gesetzgeber für Erleichterungen sorgen. „Wir haben mit der Vergabeverordnung für Liefer- und Dienstleistungsaufträge, der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen sowie der Sektorenverordnung drei verschiedene Verordnungen für ähnliche Prozesse: Es wäre ein guter Schritt, diese Bereiche zu vereinheitlichen.“ In der Sektorenverordnung seien schließlich auch sowohl Bau- als auch Liefer- und Dienstleistungen in einer Rechtsnorm geregelt.

Zur Komplexität tragen auch viele Urteile bei. „Es stehen bereits komplizierte Regelungen in den Gesetzen. Und dann definiert die Rechtsprechung, wie sie zu verstehen sind. Das ist nicht immer praxisnah“, findet Dörr. „Der Regelungsgeber muss mehr auf die Rechtsprechung reagieren und Irrwege der Vergabekammern gegebenenfalls korrigieren.“

Positiv bewertet er, dass Baden-Württemberg seine Beschaffungsregeln in der „VwV Beschaffung“ zum 1. Oktober abgespeckt und dabei die Wertgrenzen erhöht hat. „Das macht es für Anwender einfacher.“ Die Start-up-Förderung, die man mit der Reform eingeführt hat, sieht er allerdings skeptisch. „Das Ziel, Start-ups zu fördern, ist richtig, dies aber über das Vergaberecht zu tun, ist der falsche Weg“, sagt er. Da sei er Dogmatiker. „Ins Vergaberecht gehören keine politischen Beschaffungsziele. Die sollte der Auftraggeber definieren. Alles andere macht es unnötig kompliziert.“

Das 15-köpfige Vergaberechts-Team von Menold Bezler ist fast ausschließlich für die Auftraggeberseite tätig. In der Stuttgarter Kanzlei begann Dörr vor gut elf Jahren nach seinem Jurastudium in Tübingen seine berufliche Laufbahn. Nicht alle Vergabeberater sind als Fachanwalt für Vergaberecht spezialisiert. Dörr ist es. Der Titel wird von den Rechtsanwaltskammern vergeben. „Um ihn zu erhalten, muss man mindestens drei Jahre als Rechtsanwalt zugelassen sein und praktische Erfahrungen im Vergaberecht vorweisen können“ erklärt er. Zusätzlich ist ein Lehrgang zu absolvieren.

Jährlich bestreitet Dörr mit seinem Team über 100 Vergabeverfahren. Dabei geht der Trend im Baubereich hin zu Ersatzneubauten. „Viele Schulen, Verwaltungsgebäude und Krankenhäuser sind an einem Punkt angelangt, wo sich die Frage nach Generalsanierung oder Neubau stellt. Und egal, wie man sich entscheidet, muss die öffentliche Hand ein großes vergaberechtliches Projekt meistern“, erklärt er. Das sei kein Alltagsgeschäft. „Ein neues Landratsamt etwa baut man alle 30, 40 Jahre. Für solche Großprojekte ziehen Verwaltungen gerne externen Sachverstand hinzu.“

Verfahren so steuern, dass es nicht nur um den niedrigsten Preis geht

Dabei beobachtet auch Dörr, dass das Geld bei öffentlichen Auftraggebern knapper wird. „Man legt mehr Wert auf Wirtschaftlichkeit und Kostensicherheit bei der Beschaffung.“ Freuen tut ihn, wenn sich öffentliche Auftraggeber für alternative Beschaffungsmodelle wie die gesamthafte Vergabe entscheiden, wo alle Akteure im Beschaffungsprozess früh an einem Tisch zusammenkommen. „So lassen sich technische Innovationen besser erschließen“, sagt Dörr. „Wenn wir früh in die konzeptionelle Phase eingebunden sind, kann man ein Verfahren von Anfang an so steuern, dass es bei den Bauleistungen eben nicht nur um den niedrigsten Preis geht.“

Sein Tipp: Auftraggeber sollten „keine Angst vor Fehlern“ im Vergabeverfahren haben, die Risiken nicht zu groß gewichten und das Thema Vergabe mutiger angehen. „Der Beschaffungsbedarf und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen immer an oberster Stelle stehen“, sagt er. „Und da muss ich manchmal auch bereit sein, vergaberechtliche Risiken einzugehen und zu sagen: das eine ist die Regel, das andere ist die Ausnahme. Aber für meine Ausnahme habe ich jetzt gute Gründe.“

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