„Wir wollen auch den Druck auf Studierende verringern“
Stuttgart/Konstanz. Das „Fünfte Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften“ (HGÄR) liest sich trocken. Unter anderem bekommen die Dualen Hochschulen eine Fakultätsstruktur, der Zugang zum Studium aus dem Beruf heraus wird erleichtert oder das Promotionsrecht im künstlerischen Bereich verändert. Schon sehr bald weitreichende konkrete Auswirkungen für viele Studierende könnte der ergänzte Paragraf 34 bekommen. Denn an der Universität Konstanz wird eine neuer integrierten Bachelor of Law im Staatsexamensstudiengang erprobt, „der die Hochschulen in die Lage versetzt, bei Interesse rechtssicher entsprechende Modelle einzuführen“.
Noch ist der Bachelorstudiengang in der Versuchsphase
Ziel sei, mit einer solchen Regelung auch rechtliche Hürden in den Bereichen Immatrikulation, Zugang, Kapazität, Gebühren und BAföG zu beseitigen. Zugleich gelte es, die Systematik und Qualitätsanforderungen der gestuften Studienstruktur zu sichern. Noch ist der neue Bachelor an der Uni im Versuchsstadium.
Auch Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) spricht aber von einer „wichtigen Chance für neue Berufsfelder und für andere Bildungsbiografien“. Einzelheiten sollen die Dimension unterstreichen, denn wer bisher Jura studiert hat und durch das Erste Staatsexamen gefallen ist, steht mit leeren Händen da, weil alle bis dahin bestandenen Prüfungen und Leistungen nicht zählen.
„Das ändern wir“, sagt der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Michael Joukov, „denn künftig können sich Jurastudierende parallel zu ihrem Staatsexamen-Studiengang auch in einem Bachelorstudiengang einschreiben.“ Erbrachte Leistungen und abgelegte Prüfungen führen zu diesem Abschluss auch für all jene, die durchs Erste Staatsexamen rauschen.
Anspruch des Staatsexamens hochhalten und neue Wege aufzeigen
Mit diesem Bachelor kann ein Master angestrebt werden, beispielsweise in einem Wirtschaftsstudiengang oder in den Verwaltungswissenschaften. Vom „Ende dieses Alles-oder-Nichts-Systems“ spricht Alexander Becker, der Bildungsexperte der CDU-Fraktion. Einerseits werde „der umfassende Anspruch des Staatsexamens hochgehalten“, andererseits aber ein weiterer Weg für Jurastudierende aufgezeigt.
Modularisierte juristische Studiengänge sind insgesamt nicht neu. Die ersten LL.B. – die Abkürzung steht für das lateinische „Legum Baccalaureus“ – gab es vor 25 Jahren. Zum Beispiel wurde in Greifswald genau jene Parallelität angeboten, die Baden-Württemberg jetzt anstrebt. Allerdings nur vorübergehend, weil sich herausstellte, dass das Interessen an einem Wirtschaftsstudiengang schlussendlich größer war.
An der Fern-Uni Hagen ist der LL.B. weiter im Angebot, rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Inhalte werden gelehrt. In Hamburg wurde experimentiert. Nach sechs erfolgreichen Semestern auf dem Weg zum ersten Staatsexamen konnte der Bachelor angestrebt werden. Inzwischen ist das Studium reformiert und kann auch zurück auf den Weg zum Staatsexamen führen.
Die Attraktivität des Jurastudiums soll gesteigert werden
Auch Fachhochschulen haben LL.B. und in der Folge eigene Master entwickelt, kombiniert mit betriebswirtschaftlichen Inhalten, zum Beispiel in Pforzheim. „Das Wirtschaftsrechtsstudium basiert auf der deutschen Sprache und der logischen Erschließung von Problemstellungen“, heißt es in der Beschreibung des Studiengangs. Wer sich also „sowohl für rechtliche als auch für wirtschaftliche Fragestellungen interessiert, sich sprachlich gut ausdrücken kann und logisches Denkvermögen besitzt“, sei dafür bestens geeignet. Die Fachhochschule Nürtingen-Geislingen sieht sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Recht.
Olschowski lobt, wie der Weg, ein Angebot auch an Unis zu etablieren, entwickelt wurde. „Wir haben mit allen Fakultäten und Studiengängen an den Standorten gesprochen“, berichtet die Wissenschaftsministerin, „um den richtigen Aufschlag zu machen.“
Die Universität in Konstanz habe die Idee geboren, die von den beiden Regierungsfraktionen aufgegriffen wurde. Becker erhofft sich nicht nur eine steigende Attraktivität des Jurastudiums. „Wir wollen auch den Druck auf Studierende verringern“, sagt der CDU-Abgeordnete. Diese Neuerung sei eine klassische Win-Win Situation.
Juristische Bachelor-Abschlüsse
Die Einführung juristischer Bachelor-Abschlüsse ging in Deutschland seit Ende der 1990er-Jahre mit dem Bologna-Prozess einher. Dieser ist benannt nach der italienischen Metropole Bologna, weil dort die EU-Mitgliedsstaaten die Vereinheitlichung der Hochschulabschlüsse vereinbarten.
In Deutschland ist das klassische Jura-Studium davon weitgehend unberührt. Denn das verlangt weiterhin eine Erste und eine Zweite Staatsprüfung.