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SPD-Parteitag: Südwest-SPD läutet Wahlkampf ein
Offenburg. „Schmierentheater“ und „Privatjet-Perspektive“: Mit scharfen Angriffen auf FDP-Chef Christian Lindner und den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) hat die SPD in Baden-Württemberg auf einem Parteitag den Wahlkampf für die vorgezogene Neuwahl am 23. Februar eingeläutet. Kein Thema war dagegen die wachsende Unruhe innerhalb der Partei über eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz.
Parteichefin Saskia Esken griff ihren Ex-Koalitionspartner Christian Lindner scharf an. Sie reagierte mit Empörung auf Medienberichte, wonach die FDP sich seit Ende September auf ein Ende der Ampel-Koalition vorbereitet haben soll. „Der Schaden, der der Vertrauenswürdigkeit von Politik zugefügt wurde, ist nicht zu ermessen“, sagte Esken beim Landesparteitag der baden-württembergischen SPD in Offenburg. Wenn man nun erkennen müsse, wie gezielt diese Situation herbeigeführt worden sei, setze das ein großes Fragezeichen hinter die Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit von Politik.
Esken: „Lindner und FDP haben sich disqualifiziert“
„Christian Lindner und seine FDP haben sich mit diesem Schmierentheater auf Kosten des Landes als politische Kraft disqualifiziert“, sagte Esken. Sie glaube allerdings kaum, dass Lindner die Größe habe, sich dafür zu entschuldigen.
Laut Recherchen der „Zeit“ und der „Süddeutschen Zeitung“ soll die FDP sich fundiert auf ein Ende der Ampel-Koalition vorbereitet haben – die Rede ist von einem „Drehbuch für den Regierungssturz“, wie es die „Zeit“ formulierte. In mehreren Treffen der engsten Führung seien seit Ende September verschiedene Szenarien durchgespielt worden, wobei die teils kontroversen Beratungen auf ein Szenario zum Ausstieg aus der Koalition hinausgelaufen seien.
Die FDP erklärte auf Anfrage, man äußere sich nicht zu internen Sitzungen. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von November 2023, das den Nachtragshaushalt 2021 gekippt hatte, habe „immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung“ stattgefunden. „Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt“, sagte ein Parteisprecher.
Auch den Kanzlerkandidaten der Union, CDU-Chef Friedrich Merz, ging Esken scharf an. Man könne dessen Kanzlerformat durchaus infrage stellen, sagte Esken. „Mit Friedrich Merz bewirbt sich ein Mann, der die Welt offenbar aus der Perspektive seines Privatjets betrachtet.“ Zudem habe der CDU-Chef in seinem langen politischen Leben noch nie eine Regierung, ein Ministerium oder auch nur eine Kommunalverwaltung geführt.
Merz stehe mit Kanzler Scholz ein früherer Vizekanzler, Arbeitsminister und Landeschef gegenüber. „Krisenerprobt. Mit allen Wassern gewaschen. Auf allen Ebenen, national wie international, erfahren und erfolgreich“, sagte Esken und stärkte Scholz damit auch in der Debatte um den richtigen SPD-Kanzlerkandidaten den Rücken.
Pistorius in Reden und Anträgen kein Thema
In anderen Bundesländern rufen einzelne Basis-Gruppierungen nach Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Am Sonntag sprach sich erstmals auch ein Bundestagsabgeordneter offen gegen Scholz aus. Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering forderte zudem eine offene Debatte, eine Entscheidung müsse ein Parteitag treffen, notfalls auch in einer Kampfabstimmung. „Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie“, sagte Müntefering dem „Tagesspiegel“.
Scholz selbst rückt trotz wachsender innerparteilicher Widerstände nicht von seiner Absicht zu einer Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2025 ab. „Die SPD und ich, wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen, übrigens mit dem Ziel zu gewinnen“, sagte Scholz vor dem Abflug zum G20-Gipfel auf die Frage, ob er unter allen Umständen bei seinem Anspruch auf die Kanzlerkandidatur bleiben werde.
Bei der Südwest-SPD in Offenburg war die Frage des SPD-Kanzlerkandidaten dagegen kein Thema in den Reden und Anträgen des Parteitags. Landeschef Andreas Stoch hatte sich bereits zuvor klar für Scholz als Kanzlerkandidat ausgesprochen und sprach beim Parteitag von einer Richtungsentscheidung. „Diese Wahl entscheidet zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. Sie entscheidet also vor allem zwischen einer Politik für morgen und einer Retropolitik aus den 1980ern.“
Mit Blick auf schlechte Umfragewerte machte Stoch seinen Genossen Mut. „Denn die SPD hat Endspurtqualitäten.“ Das habe man bei der letzten Bundestagswahl und auch bei der Landtagswahl in Brandenburg gesehen. „Da war das Ergebnis dann plötzlich ganz anders als prognostiziert. Da haben wir als SPD geschafft, was keiner mehr für möglich gehalten hat“, sagte Stoch.
Parteiführung im Amt bestätigt
Der Landeschef wurde von den Delegierten mit großer Mehrheit für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Der 55 Jahre alte Jurist aus Heidenheim erhielt beim Parteitag 93,9 Prozent der Stimmen. 277 Delegierten stimmten für Stoch, 13 gegen ihn, fünf enthielten sich. Vor zwei Jahren hatte Stoch, der auch Fraktionschef der Sozialdemokraten im Landtag ist, 95,6 Prozent der Stimmen erhalten.
Auch die erweiterte Parteiführung wurde von den Delegierten beim Parteitag im Amt bestätigt. Generalsekretär Sascha Binder erhielt 78,2 Prozent der Stimmen – weniger als zwei Jahre zuvor, wo ihm 85 Prozent der Delegierten das Vertrauen ausgesprochen hatten.
Die vier Stellvertreter von Stoch wurden ebenfalls wiedergewählt. Rita Schwarzelühr-Sutter, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, kam auf 82,2 Prozent der Stimmen, die Böblinger Bundestagsabgeordnete Jasmina Hostert erhielt 87,5 Prozent. Für die Tübinger Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke stimmten 83,5 Prozent, für den Karlsruher Bundestagsabgeordneten Parsa Marvi 83,3 Prozent. (dpa/lsw)