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Expertenbeitrag

Leitfabrikat: Nur ausnahmsweise Markenname erlaubt

Öffentlichen Auftraggebern sind produkt- oder markenspezifische Ausschreibungen grundsätzlich untersagt. Es gibt jedoch Ausnahmen. Ein Expertenbeitrag von Oliver Hattig.

Der Auftraggeber muss laut der Vergabekammer des Bundes neue Angebote einholen: In dem Fall ging es um eine Motorsäge, die als Leitfabrikat diente.

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Köln. Der Auftraggeber darf in einer Ausschreibung auf bestimmte Produkte, Marken, Typen et cetera hinweisen, wenn das durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn nur das vom Auftraggeber vorgegebene Produkt den Bedarf des Auftraggebers deckt. Entgegen einem häufigen Missverständnis ist der Zusatz „oder gleichwertig“ in diesen Fällen unzulässig. Damit würde der Auftraggeber den Bietern Spielräume bei der Gestaltung ihres Angebots suggerieren, die tatsächlich nicht bestehen.

Parameter für die Überprüfung der Gleichwertigkeit müssen existieren

Anders sieht es aus, wenn es auf dem Markt mehrere Produkte gibt, die den Bedarf des Auftraggebers decken. Dann ist ein solcher Zusatz nicht nur zulässig, sondern geboten. Das Vergaberecht erlaubt nämlich, sogenannte Leitfabrikate in der Leistungsbeschreibung zu nennen, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Solche Leitfabrikate sind immer mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen. Bietet ein Unternehmen ein anderes Produkt als das Leitfabrikat an, muss es dessen Gleichwertigkeit darlegen. Der Auftraggeber seinerseits muss in den Vergabeunterlagen Parameter für die Überprüfung der Gleichwertigkeit festlegen, etwa durch Funktionsanforderungen an des Leitprodukt.

In einem aktuellen Fall hat sich die Vergabekammer des Bundes (VK Bund) mit der Grundsatz der Produktneutralität befasst (Beschluss vom 07.08.2024 – VK 2-63/24). Der Auftraggeber führte ein EU-weites Verfahren zur Vergabe eines Rahmenvertrags für Geräte für die Waldarbeit in der Bundesforstverwaltung durch. Die Leistungsbeschreibung enthielt detaillierte Maximal-Angaben zum Beispiel für den Hubraum, die Abgasimmissionen, das Gewicht und den Schallleistungspegel.

Die Leistungsbeschreibung nahm dabei jeweils auf die Geräte eines bestimmten Herstellers Bezug, ohne diesen ausdrücklich zu nennen. Letztlich konnten die Anforderungen nur von diesem Produkt erfüllt werden. Der Auftraggeber berief sich darauf, dass die Produktvorgabe aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei. Die benannten Produkte wiesen deutlich geringere Werte im Bereich Vibration und Lärm bei geringerem Gewicht auf als andere Geräte. Den Bietern werde zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Gleichwertigkeit ihres Produkts nachzuweisen.

Ein Unternehmen beanstandete, dass die Ausschreibung auf die Produkte eines bestimmten Herstellers beschränkt sei und strengte ein Nachprüfungsverfahren an. Es hatte Erfolg. Maßstab für die Zulässigkeit eines Leitfabrikats sei nicht, welches Produkt der Auftraggeber vorziehe, entschied die Kammer. Es komme vielmehr darauf an, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden könne. Der Auftraggeber hätte ja auch einige für ihn wichtige Parameter benennen können. Der Vergabevermerk treffe hierzu keine Feststellungen. Der Auftraggeber hätte nach Ansicht der Vergabekammer zum Beispiel anführen können, dass es zu kompliziert sei, die Vielzahl technischer Parameter selbst festzulegen.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität liege hier aber auch vor, wenn man die Vorgabe des Leitproduktes für zulässig hielte, so die Kammer. Denn hier habe der Auftraggeber die Vorgaben versteckt produktspezifisch so ausgestaltet, dass diese nur von einem einzigen Produkt erfüllt werden konnten. In einem solchen Fall müsse der sachliche Grund besonders belastbar in dem Sinne sein, dass keine vernünftige Alternative beziehungsweise keine vernünftige Alternativlösung existiere.

Kammer spricht sich für qualitative Wertungskriterien aus

Der Auftraggeber hätte sich mit den wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vorgaben befassen müssen. Das hatte er jedoch nicht getan. Der Bedeutung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hätte „in wesentlich verhältnismäßigerer Art und Weise“ Rechnung getragen werden können, so die Vergabekammer des Bundes, wenn man diese Aspekte in Form qualitativer Wertungskriterien berücksichtigt hätte.

Markterkundung nötig

Paragraf 31 Absatz 6 Vergabeverordnung erlaubt Verweise auf bestimmte Produkte nur dann, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind – auch dann, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Wird durch die Produktvorgabe der Wettbewerb auf ein einziges Produkt verengt, gilt zudem der Rechtsgedanke des Paragraf 14 Absatz 6 Vergabeverordnung: Der Auftraggeber hat im Wege einer Markterkundung zu prüfen, ob es keine vernünftige Alternative gibt.

Oliver Hattig, Rechtsanwalt, Hattig und Dr. Leupolt Rechtsanwälte in Köln

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