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Für Sie entdeckt: Orte der Kultur

Die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg zeigt Kunst und Psychiatriegeschichte

Die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg umfasst Werke von rund 400 Anstaltsinsassen aus dem deutschsprachigen Raum. Seit 2001 sind rund 40 000 Objekte sie in einem eigenen Museumsgebäude untergebracht.

Karl Genzel (1871-1925) ist einer der wichtigsten Künstler der Sammlung Prinzhorn.

Regine Gerst)

Heidelberg. Psychedelisch und knallig bunt, akribisch genau und detailversessen oder verwirrend und beklemmend: Die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg lässt die Betrachtenden nicht unberührt. Begonnen wurde die Sammlung um 1900 vom damaligen Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik Emil Kraepelin. Sein Nachfolger Karl Wilmanns stellte 19 Jahre später den Kunsthistoriker und Mediziner Hans Prinzhorn an, um die Sammlung zu erfassen und auszuwerten.

Prinzhorn baute die Sammlung bis 1921 zu einer Forschungssammlung mit Werken von mehr als 400 Anstaltsinsassen aus dem deutschsprachigen Raum aus. Nach dem Krieg vergessen, wurde sie 1963 wieder entdeckt. 2001 erhielt sie ein eigenes Museumsgebäude, einen umgebauten alten Hörsaal im alten Universitätsklinikums in Heidelberg. Heute umfasst die Sammlung Prinzhorn rund 40 000 Werke – vor allem auf Papier. Ein weltweit einzigartiger Fundus.

Die Dauerausstellung im Museum zeigt davon rund 120 Arbeiten von 37 Künstlerinnen und Künstlern, von den Anfängen bis heute. Darunter sind skurrile Skulpturen mit grotesken Gesichtern und Mischwesen, die an afrikanische Masken erinnern. Es gibt auch sehr viele Zeichnungen – mitunter ironisch oder karikaturenhaft –, wunderschön oder surreal illustrierte Handschriften, manchmal umrahmt von absurder Prosa in gestochen scharfer Schrift, und einige Druckgrafiken.

Viele der Künstler verbrachten dort einen Großteil ihres Lebens

Darüber hinaus liefert die Ausstellung mit Texttafeln, die für das Verständnis der Werke grundlegend sind, Einblicke in die „Psychiatriegeschichte“,  in die „Kunst und Psychiatrieerfahrung“ oder in den „Alltag in der Anstalt um 1900“. Damals verbrachten viele der Künstler dort einen Großteil ihres Lebens. Ihr Wahnerleben war noch nicht durch Psychopharmaka eingeschränkt. Die so entstandene „Irrenkunst“ wurde durch Prinzhorns Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ von 1922 zur Bilderbibel der Surrealisten.

Im Dritten Reich wurden mindestens 25 Patientenkünstler der Heidelberger Sammlung Opfer nationalsozialistischer Patientenmorde oder Zwangssterilisation. Eindrückliche Zeugnisse für Letzteres sind die Bleistiftzeichnungen „Der Siegeszug der Sterelation“ des betroffenen Wilhelm Werner, die ausdrücken, was dieser Angriff für ihn bedeutete. Heute verbringen Menschen mit psychischen Ausnahmeerfahrungen – wenn überhaupt – nur noch eine kurze Zeit in der Psychiatrie.

Nicht wenige Werke werden inzwischen der Art brut zugeordnet

Neben der Dauerausstellung gibt es jährlich zwei bis drei Sonderausstellungen mit Werken psychisch Erkrankter. Ein Großteil von ihnen wird inzwischen den Kunstschaffenden der Art brut oder Outsider Art zugeordnet. Und so manch einem oder einer ist die Aussage von Klara von der Heyd (Anstaltsinsassin 1894 bis 1919) auch heute nicht gar zu fremd: „und ich bin eine ganz verdrehte Schraube zu der der Schlüssel verloren gegangen zu sein scheint“.  

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