Streit um Eisenbahngesetz erreicht Özdemir
Stuttgart. Beim Städtetag Baden-Württemberg sind erste Meldungen von Kommunen eingegangen, die ihren durch das veränderte Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) eingeschränkten Handlungsradius beklagen. In einem aktuellen Rundschreiben an alle Mitglieder wird der „abrupte Stillstand“ bei zum Teil schon seit Jahren laufenden Projekten beklagt, gerade im so notwendigen Wohnungsbau. Die Ampelparteien, SPD, Grüne und FDP, sehen sich gegenseitig in der Plicht, schnell für die bereits angekündigte Novelle zu sorgen.
Die Fraktionen von SPD und FDP im Stuttgarter Landtag haben schon einen Hauptverantwortlichen dafür gefunden, dass die Nutzung alter Eisenbahnflächen nicht umgehend wieder vereinfacht wird. „Cem Özdemir verhindert, dass in Baden-Württemberg auf bisherigen und ungenutzten Bahnarealen dringend benötigter Wohnraum aber auch Fahrradwege, Straßen und weitere Infrastruktur entstehen können“, behauptet Christian Jung, der Verkehrsexperte der FDP-Fraktion. Damit zeige Özdemir, „dass er nicht Ministerpräsident werden darf und auch als Spitzenkandidat der Grünen ungeeignet ist“.
Für die SPD-Fraktion nennt Jan-Peter Röderer „völlig unverständlich“, dass „das Bundeslandwirtschaftsministerium von Minister Özdemir ein Veto eingelegt hat“ für die von vielen Seiten verlangte Reform der Reform.
Bei S21 könnten die Konsequenzen besonders weitreichend sein
Hintergrund ist, wie auch der Städtetag noch einmal erläutert, eine Ergänzung des AEG Ende 2023, die verlangt, dass der Bahnbetriebszweck eines Grundstücks im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und das zuständige Eisenbahnbundesamt dieses nur feststellen kann, „wenn das Interesse des Antragstellers dieses ‚überragende öffentliche Interesse‘ überwiegt, kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig keine Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung mehr zu erwarten ist“.
Am Beispiel von Stuttgart 21 könnten die Konsequenzen besonders weitreichend sein, weil die alten, für den Kopfbahnhof benötigen Areale erst für den Wohnungsbau und das neue Stadtviertel frei würden, wenn der Tiefbahnhof seine Leistungsfähigkeit auf den acht, statt der ursprünglich für notwendig errechneten zehn Gleise anhaltend unter Beweis gestellt hat. Und dann würde erst recht noch lange dauern. „Als Zeitschiene für die abschließende Realisierung von Neubauvorhaben auf frei werdende Bahnflächen könnte grob geschätzt von zehn Jahren ausgegangen werden“, sagt Jung, „hierzu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor.“
Özdemir: „Wir wollen, dass die wichtigen Anpassungen schnell kommen“
Grundsätzlich besteht Einigkeit nicht nur in der Landes-, sondern auch in der Bundesregierung, dass die Regelungen noch einmal novelliert werden. Strittig jedoch ist der Weg. „Wir wollen, dass die wichtigen Anpassungen im Gesetz schnell kommen“, erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf Staatsanzeiger-Anfrage. Genau deshalb dränge sein Haus „auf eine schnelle Abstimmung und ein ordentliches Verfahren, das die Fraktionen so früh wie möglich an Bord holt“.
Auf diese Weise könnte die Änderung, wie das Ministerium argumentiert, sogar schneller in Kraft treten, weil die drei Koalitionsfraktionen bereits eingebunden sind und keine weitere Abstimmung notwendig würde. Von einem Veto könne keine Rede sein. Am Zug sei deshalb jetzt das Bundesverkehrsministerium. Das wiederum ist bekanntlich FDP-geführt. Die Grünen kritisieren, dass aber seit Anfang Oktober keine Anstrengungen unternommen wurden, um die Neufassung voranzubringen.
Der Städtetag verweist zudem auf einen Gesetzwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem soll das „überragende öffentliche Interesse“ ganz gestrichen werden. Das wiederum will die Ampel aber gerade nicht, weil zum Beispiel die Wiederbelegung stillgelegter Bahnstrecken auf diese Weise von einer einzigen Anrainer-Gemeinde verhindert werden könnte.