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Nationalsozialismus

Zigarettenbilder: Aus der Sammelleidenschaft wurde NS-Propaganda

Zigarettenbilder waren Sammelbilder, die seit dem Ersten Weltkrieg Zigarettenschachteln beigelegt waren. Zunächst waren es Bilder von Sportlern oder Schauspielern, seit 1933 Zeugnisse nationalistischer Propaganda.

Zigarettenbilder waren nach dem Ersten Weltkrieg begehrte Sammelstücke vor allem bei Kindern. Die NS-Regierung nutzte dies für Propagandazwecke aus.

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Stuttgart/Friedrichshafen. Das Sammeln, Tauschen und Einkleben von Zigarettenbildern gehörte zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen vor allem von Kindern und Jugendlichen. Auch württembergische Pioniere blieben von völkischer Heldenverehrung nicht verschont. Über den Grafen Zeppelin und die Zeppelin GmbH in Friedrichshafen erschienen zwischen 1933 und 1937 drei Sammelalben in hohen Auflagen.

„Zeppelin ist das Luftschiff unseres Volkes und der Stolz der Nation“, hieß es im Vorwort des ersten Zeppelin-Bilderbandes. Dass es für Sammler kaum möglich war, die durchnummerierten 265 schwarz-weißen Fotos des ersten Zeppelin-Bandes zusammen zu bekommen, war auch den Herausgebern klar. Kleine Zigarettenpackungen mit vier Zigaretten für zehn Pfennige enthielten je ein Bild, Packungen mit zwölf Zigaretten jeweils zwei Bilder und zusätzlich ein Bild-Gutschein. Für 40 Gutscheine bekamen die Sammler vom Bilderverlag 24 verschiedene Bilder nach ihrer Wahl portofrei zugesandt.

Bildersätze samt Alben konnten bei Bilderdiensten bezogen werden

Die Verlage der Sammelbilder ließen sich vieles einfallen. Bei dem Band „Das waffenstarrende Ausland“ der Zigarettenfabrik Martin Brinkmann AG in Bremen konnten drei Sammelbilder kleiner Packungsgröße gegen ein größeres getauscht werden, das es nur in großen Packungen gab.

Und bald ging es dann sogar noch einfacher: Die Sammelbilder mussten teilweise nicht mehr im herkömmlichen Sinn gesammelt werden, sondern die Bildersätze konnten samt Album bei den Bilderdiensten etwa in Dresden oder Hamburg-Bahrenfeld bezogen werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren Zigaretten ein neues Produkt mit riesigen Zuwachsraten. Nur wenige interessierten sich für die noch kaum bekannten Gesundheitsgefahren oder das folgenschwere Suchtverhalten. Immerhin waren die meisten verkauften Packungen damals mit teilweise nur vier Zigaretten recht klein.

Wer Zigaretten rauchte, lebte am Puls der Zeit und durfte sich mit zur Avantgarde zählen. Die Zigarettenindustrie nutzte die Markenbindung durch Sammelbilder. Zunächst enthielten sie Bilder über Sport, Freizeit, Kultur und Natur. Seit den 1930er-Jahren waren die Alben häufig mit viel Text und Schaubildern versehen.

Die Auflagen der Alben gingen in die Millionen, die Bilder sogar in die Milliarden. Unter den vielen Anbietern gehörte auch der zu dieser Zeit zu Reemtsma gehörende Hersteller Batschari in Baden-Baden. Deren Zigarettenmarke „Mercedes“ widmete in den Jahren 1930 bis 1932 fünf Alben mit 800 Fotos von Filmstars. Die Fotos waren alle als Produkte des Ross-Verlags gekennzeichnet, eines Verlags für Filmpostkarten.

Jeder Packung dieser Zigarettenmarke lag eines der nummerierten Bilder bei mit dem Hinweis auf der Rückseite, dass es sich um „ein vollendetes Original-Foto von hohem Sammelwert“ handle.

Andere Beispiele sind der „Moden-Almanach“ und das „Volkstrachten“-Album sowie die vom Zigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld herausgegebene Alben „Aus Wald und Flur – Tiere unserer Heimat“ und „Märchen der Völker“. Letzteres wurde 1939 aus dem Verkehr gezogen und durch „Deutsche Märchen“ ersetzt.

Seit 1930 änderten sich die Schwerpunkte unter anderem von Reemtsma: „Gestalten der Weltgeschichte“, „Deutschland erwacht“, „Deutsches Leben in 5 Jahrhunderten“, „Bilder deutscher Geschichte“, „Olympia 1936“ (zwei Bände) und „Adolf Hitler“ waren jetzt die Schwerpunkte der völkischen Zigarettenwerbung. Ähnlich war es bei anderen Bilderdiensten wie etwa der Martin Brinkmann AG in Bremen für die Zigarettenmarke Lloyd.

NS-Regierung wies zugleich auf die Gefahren des Rauchens hin

Dabei wurde ignoriert, dass die NS-Regierung intensiv auf die Gefahren des Rauchens hinwies und 1942 wegen Devisenmangels den Tabakimport untersagte. Kurz nach der Machtübernahme tauchten in Gaststätten Plakate auf mit der Aufforderung: „Die deutsche Frau raucht nicht!“ Dies war aber vor allem ein Zeichen dafür, Frauen an die ihnen aus NS-Sicht zukommende Pflicht als „deutsche Frau und Mutter“ zu erinnern.

Während der Weimarer Zeit galt dagegen die Zigaretten rauchende „Neue Frau“ als Symbol von Emanzipation, Selbstbewusstsein und ökonomischer Souveränität aufgrund eigener Berufstätigkeit.

Alben als NS-Propaganda

Zigarettenalben entwickelten sich in den 1930er-Jahren zu einem wichtigen Instrument der Gesellschaftskommunikation. Sie waren eine Plattform, auf der das NS-Regime über soziale Schichten hinweg die Bevölkerung erreichen konnte. Da sowohl die Zigarettenindustrie als auch das NS-Regime manipulativ auf junge Menschen zugingen, war es folgerichtig, das beliebte Medium als Kommunikationsinstrument einzusetzen.

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