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Laut Gutachten: Fachkräftemangel belastet den Mittelstand am stärksten
Stuttgart. Für den „Masterplan Mittelstand Baden-Württemberg“ hatten verschiedene wissenschaftliche Institutionen mehr als 1400 Unternehmen, die Kammern sowie Experten befragt. Bei neun von zehn der befragten Betriebe steht das Thema Fachkräfte ganz oben auf der Problemliste. Der Mangel an qualifiziertem Personal belastet den Mittelstand mehr als die Konzerne im Land.
Die fehlenden Fachkräfte bremsen die Unternehmen auch Investitionen und bei der Entwicklung künftiger Innovationen aus, was bisher der entscheidende Wettbewerbsvorteil der meisten Betriebe war. Auch die Transformation hin zu mehr Digitalisierung werde durch die Personalproblematik belastet, so die Gutachter.
Dabei bieten die Betriebe den idealen Boden, um Erkenntnisse aus der Wissenschaft schnell in die Praxis umsetzen zu können. Die Gutachter sprechen sich deshalb für den Ausbau der Kinderbetreuung, Änderungen im Steuersystem zur Stärkung von Arbeitsanreizen und geringere bürokratische Hürden bei der Fachkräftezuwanderung aus.
Im Südwesten werden weniger Firmen gegründet als anderswo
Der Personalmangel bremst offenbar auch die Bereitschaft, ein Unternehmen zu gründen: „Stehen attraktive Jobangebote am Arbeitsmarkt zur Verfügung, wählen weniger Personen den (risikobehafteten) Schritt in die Selbstständigkeit.“ Die Folge: Die Gründungsintensität ist in Baden-Württemberg niedriger als in anderen Bundesländern. Bei der Unternehmensnachfolge steht eine wachsende Anzahl von Betrieben immer weniger potenziellen Kandidaten gegenüber, die eine Firma fortführen wollen.
Für die meisten mittelständischen Unternehmen zählen zudem bürokratische Belastungen und eine hohe Regulierungsdichte zu den wichtigsten standortbezogenen Hemmnissen. Den Masterplan-Autoren zufolge hemmt die Flut der Regelungen neue Entwicklungen und behindert insbesondere innovative Unternehmen. Die Unternehmen im Land sehen sich im bundesdeutschen Vergleich sogar besonders stark ausgebremst, heißt es in dem Gutachten. Sie seien bei ihren Innovationen auf einem höheren Niveau und stießen deshalb „häufiger und schneller auf Hürden.“
„Mit dem Masterplan haben wir nun eine gute, wissenschaftlich fundierte Grundlage an der Hand“, erklärt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Ihr Ressort soll nun als nächsten Schritt eine Task Force einrichten, der alle fachlich betroffenen Ressorts angehören. Gemeinsam wolle man prüfen, welche Maßnahmen mit welchem zeitlichen Horizont umgesetzt werden können, so die Ministerin. Eine Auftaktsitzung der Task Force sei noch für dieses Jahr geplant.
Wirtschaftsverbände loben das Gutachten des Ministeriums
„Das Gutachten kommt zur rechten Zeit, denn das darf so nicht weitergehen, wir müssen dringend, und zwar gemeinsam handeln“, erklärt Christian Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages. Dem pflichtet auch Handwerkspräsident Rainer Reichhold bei. Das Gutachten liefere viele richtige Vorschläge wie das Moratorium für zusätzliche Regulatorik und mehr Aktivitäten zur Sicherung der Unternehmensnachfolge. Auch der Verband der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) fordert, dass gegen die im Gutachten genannte Regelflut rasch etwas unternommen wird. „Wir haben die klare Erwartung, dass sich die Landesregierung jetzt zu einem wirklich substanziellen Bürokratieabbau durchringt“, betont Stefan Küpper, Mitglied der UBW-Hauptgeschäftsführung. Konkrete Vorschläge lägen ausreichend vor.
Kleine Unternehmen prägen die Wirtschaftsstruktur
In Baden-Württemberg zählen mehr als 99 Prozent aller Unternehmen zu den kleinen bis mittelgroßen Betrieben, da sie weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Mehr als 90 Prozent davon sind Familienunternehmen. Der Mittelstand erwirtschaftet 40 Prozent aller Umsätze im Land. Und mit knapp 3,1 Millionen Mitarbeitern sind zwei von drei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Land im Mittelstand tätig. Die Betriebe gelten als feste Säule der Wirtschaft und als prägender Bestandteil der lokalen Gesellschaft. Sie weisen durch ihre längerfristige Orientierung oft eine stabilere Entwicklung auf. Gleichzeitig sind die Unternehmen aufgrund der geringeren finanziellen und personellen Ressourcen anfälliger bei Krisen.