Gemischte Reaktionen auf Özdemirs Spitzenkandidatur
Stuttgart. Die Grüne Jugend in Baden-Württemberg hat zurückhaltend auf die Ankündigung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir reagiert, Ministerpräsident im Südwesten werden zu wollen. «Politik ist mehr als nur einzelne Personalentscheidungen. Cem Özdemir muss beweisen, dass er auch bei Gegenwind für die Werte und Beschlüsse der Partei eintritt», sagte der Landeschef der Grünen Jugend Baden-Württemberg, Tim Bühler, einer Mitteilung zufolge. Man werde keinen Alleingang und kein Abdriften nach rechts akzeptieren, so Bühler.
Die Co-Landesvorsitzende Tamara Stoll forderte nach 15 Jahren mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann «neue Ideen für die Menschen im Land». Insbesondere jungen Menschen müsse vermittelt werden, dass sie politisch wahr- und ernstgenommen werden. (dpa/lsw)
Die CDU hat mit Özdemir nun einen Gegner
Auch wenn die CDU mit den Grünen noch bis zur Landtagswahl regieren muss, greift sie Cem Özdemir als künftigen Spitzenkandidaten bereits scharf an: «Nach der Berliner SPD-Ampelministerin Faeser in Hessen versucht die Berliner-Ampel jetzt ihre zweite Fachkraft in die Landespolitik weg zu versorgen», erklärte Landesgeneralsekretärin Nina Warken nach der Verkündung der Spitzenkandidatur Özdemirs. «Das B in Baden-Württemberg steht aber definitiv nicht für Plan B. Unser Land ist zu schade als Alternative für die gescheiterten Außenminister-Karrieresehnsüchte des Herrn Özdemir.» Die CDU-Generalsekretärin warf Özdemir zudem «Dauer-Moralisiererei» und Verbotspolitik vor. CDU-Chef Manuel Hagel äußerte sich nicht öffentlich zu Özdemirs Kandidatur.
Warken kritisierte, dass Özdemir sich nun endlich durchgerungen habe zur Spitzenkandidatur, weil bei ihm vermutlich die «pure Angst» um sich greife, dass aus seinen Traumvorstellungen, Bundesminister zu bleiben, nichts mehr werde. «Damit lösen die Grünen nun einen sehr frühen Start des Landtagswahlkampfes aus», so Warken. Die Christdemokraten hätten vor, bis zum Ende der Legislatur weiter stabil und verlässlich mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu regieren. Ob das mit einem Dauerwahlkampf in Stuttgart und dem «Weiterwursteln» der Ampel-Politik gelinge, müssten die Grünen selbst entscheiden. (dpa)
Kretschmann: Özdemir bringt alles mit
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält Cem Özdemir für einen sehr guten Nachfolger im Amt des Regierungschefs. «Cem Özdemir bringt alles mit, was Baden-Württemberg braucht», teilte er nach der Verkündung von Özdemirs Spitzenkandidatur mit. Özdemir habe Regierungserfahrung und sei eine über Parteigrenzen hinweg geschätzte Persönlichkeit. Er habe bewiesen, dass er Rückgrat hat und auch vor schwierigen Herausforderungen nicht zurückschreckt. «Als gebürtiger Schwabe ist er tief mit unserem Land verwurzelt und kennt die Anliegen und Bedürfnisse der Menschen – sowohl auf dem Land als auch in den Städten.» Kretschmann betonte, er sei überzeugt, dass Özdemir «mit seinem Weitblick und seiner Tatkraft ein sehr guter Ministerpräsident für unser Land sein kann».
Baerbock: Özdemir ist der Beste aus dem Ländle fürs Ländle
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hält ihren Kabinettskollegen Cem Özdemir für den besten Mann an der Spitze von Baden-Württemberg. «Cem ist der Beste aus dem Ländle fürs Ländle», sagte Baerbock der «Bild»-Zeitung.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte die Entscheidung seines Ministerkollegen. «Ich schätze Cem Özdemir persönlich und politisch. Ein bodenständiger Pragmatiker, der die Gesellschaft in ihrer Breite sieht», erklärte Habeck am Rande einer Reise in Indien.
Auch andere prominente Bundespolitiker der Grünen begrüßten die geplante Spitzenkandidatur Özdemirs. «Entschieden für BW. #2Ö26 kann kommen. Yes, we Cem!», schrieb die Noch-Bundesvorsitzende Ricarda Lang auf der Plattform X. Omid Nouripour, ebenfalls Noch-Parteivorsitzender, schrieb in dem Netzwerk: «Auch wenn er nicht dem einzig richtigen Fußballverein zujubelt: Der beste Spielmacher für Baden-Württemberg in der nächsten Legislatur ist unbestritten Cem Özdemir.» (dpa)
Reaktionen aus Baden-Württemberg
Fraktionschef Andreas Schwarz (Grüne) sagt über Özdemir: «Seine Biografie steht für alles, was dieses Land stark macht.» Die Parteichefs im Südwesten, Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller (beide Grüne), sehen in Özdemirs Kandidatur «eine großartige Nachricht». Mit Özdemir wolle man die grüne Erfolgsgeschichte in Baden-Württemberg fortsetzen. «Wir nehmen innerhalb der Partei eine große Geschlossenheit wahr», so die Parteichefs. (dpa/lsw)
SPD-Generalsekretär Sascha Binder kommentierte: „Özdemir eröffnet nun offiziell den längsten Wahlkampf, den unser Land je gesehen hat. Der Jahrmarkt der Eitelkeiten zwischen Grünen und CDU beginnt – die Regierung Kretschmann ist damit faktisch im Ruhestand.“
Ein gescheiterter Agrarminister sei „kein geeigneter MP“, erklärte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: „Wir brauchen in Baden-Württemberg niemanden, der in der Ampel in Berlin gescheitert ist und nun in unser Land flüchten will.“
Für die AfD kritisierte Fraktionschef Anton Baron, „dass die Grünen traditionell die ungeeignetsten Leute an die Spitzen stellen“. Gerade erst habe eine Umfrage gezeigt, „dass die Mehrheit der Bürger Baden-Württembergs Özdemir ganz sicher nicht als Ministerpräsident sieht“.
Und auch die Jugendorganisation der mitregierenden Christdemokraten meldete sich zu Wort. „Baden-Württemberg braucht keinen Ampel-Cem“, erklärte der Landesvorsitzende der Jungen Union, Florian Hummel. (smic)
Palmer begrüßt Kandidatur
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßt, dass Grünen-Politiker Cem Özdemir Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden möchte. «Das ist eine gute Entscheidung für die Grünen und gute Wahl für Baden-Württemberg», sagte Palmer, der früher auch den Grünen angehörte. Auf die Frage, ob jemand mit türkischem Migrationshintergrund Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden könne, antwortete Palmer: «Ja, wir sind hier ja schließlich kein Provinzkaff.»
Zuletzt war es Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir der sagte, er würde sich wünschen, dass es einen Weg für Palmer zurück zur Partei gebe. «Menschen für immer abschreiben, das sollte man ganz selten machen», sagte der in Bad Urach als Sohn türkischer Gastarbeiter geborene Politiker bei einer Veranstaltung der «Zeit» in Hamburg.
Palmer kommentierte dies mit den Worten: «Eine Entwicklung, an deren Ende ich wieder respektiertes Mitglied der Grünen sein könnte, wäre für beide Seiten gut.» Er schätze Özdemir sehr und freue sich über dessen versöhnliche Worte. (dpa/lsw)
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